Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Ich bemerkte unterdessen durch die unteren Fenster, dass das ganze Erdgeschoss eine feurige Masse war und erkannte, dass man Stroh herbeigeschleppt hatte, um dem Feuer Nahrung zu geben.
Es war also angelegt worden!
Ich rief von Neuem wie toll: »Cavalier!«
Da fiel mir ein, dass der Rauch ihn ersticken könne. Ich hatte einen guten Gedanken, schob schnell zwei Patronen in mein Gewehr und feuerte eine volle Ladung gegen sein Fenster.
Alle sechs Scheiben flogen zersplittert ins Zimmer. Dieses Mal war der Alte aufgewacht und erschien im Hemd, ganz bestürzt und geblendet von dem hellen Feuerschein am Fenster.
»Das Haus brennt!« schrie ich ihm zu. »Rettet Euch durchs Fenster, aber schnell, schnell.«
Die Flammen brachen jetzt durch die Decke des Erdgeschosses, züngelten an den Wänden empor und hatten ihn schon fast gänzlich eingeschlossen. Da wagte er den Sprung und fiel wie eine Katze auf die Füsse.
Es war höchste Zeit gewesen. Das Strohdach brach oberhalb der Treppe zusammen, sodass sich dort ein richtiger Rauchfang für das Feuer des Erdgeschosses bildete, aus dem jetzt eine mächtige Garbe in die Luft stieg, die sich wie eine Fontaine nach oben erweiterte und das ganze Dach mit einem Funkenregen übersäte. Letzteres brannte in wenigen Minuten lichterloh.
»Wie hat das angehen können?« fragte Cavalier ganz ausser sich.
»Es ist Feuer in der Küche angelegt worden«, sagte ich.
»Wer hat es anlegen können?«
Plötzlich wurde mir alles klar und ich sagte ihm:
»Marius!«
Der Alte begriff.
»Ach du lieber Gott!« stammelte er; »deshalb ist er nicht wiedergekommen.«
Aber aufs Neue ergriff mich ein schrecklicher Gedanke.
»Und Celestine? Wo ist Celestine?«
Er antwortete nicht, aber das Haus vor uns brach zusammen und bildete nur noch einen dichten, quirlenden, blendenden, zischenden Feuerherd, einen riesigen Scheiterhaufen, in dessen Mitte die arme Frau nur noch eine kohlende Masse, ein unförmliches Etwas sein konnte.
Wir hatten keinen einzigen Schrei gehört.
Als aber nun auch die Flamme auf den benachbarten Schuppen übersprang, fiel mir plötzlich mein Pferd ein, und Cavalier rannte hin, um es loszumachen.
Kaum hatte er die Tür des Stalles geöffnet, als ihm mit blitzartiger Geschmeidigkeit ein Körper zwischen die Beine rannte und ihn zu Falle brachte. Es war Marius, der sich schleunigst davon machte.
Schon war der Alte wieder aufgesprungen. Erst wollte er dem Elenden nachrennen, um ihn zu erwischen; als er aber die Unmöglichkeit einsah, dies auszuführen, ergriff ihn ein unwiderstehlicher Zorn, und in der ersten Regung einer jener plötzlichen Eingebungen, die man weder voraussehen noch unterdrücken kann, hatte er auch schon mein am Boden liegendes Gewehr an die Schulter gerissen und, ehe ich es hindern konnte, abgedrückt, ohne recht zu wissen, ob es auch geladen sei.
Wie ich schon sagte, gab ich nur einen Schuss gegen das Fenster ab; die andere Patrone sass also noch im Laufe. Der Schuss traf den Flüchtling mitten in den Rücken, und blutüberströmt fiel er gerade aufs Gesicht. Er fing alsbald an, mit Händen und Füssen auf dem Erdboden zu wühlen, als wollte er noch auf allen Vieren fortkriechen, wie ein angeschossener Hase beim Herannahen des Jägers.
Ich stürzte hinzu. Der Knabe röchelte bereits. Ehe das Feuer erloschen war, hatte er schon ausgelitten, ohne noch ein Wort von sich zu geben.
Cavalier stand, immer noch im Hemde, mit blossen Beinen, unbeweglich, starr, neben uns. Als die Dorfleute ankamen, führte man meinen Waldhüter fort, der das Aussehen eines Blödsinnigen hatte.
Ich erschien als Zeuge beim Prozess und schilderte alle Einzelnheiten wahrheitsgemäss. Cavalier wurde freigesprochen, verschwand aber an demselben Tage aus der dortigen Gegend. Ich habe ihn niemals wiedergesehen.
So, meine Herren! das war meine Jagdgeschichte.
*
Der letzte Spaziergang
Als Vater Leras, Buchhalter bei Herrn Labuze & Co., sein Magazin verliess, stand er einen Augenblick wie geblendet vom Glanze der untergehenden Sonne. Den ganzen Tag über hatte er bei dem fahlen Schimmer der Gas-Lampe im äussersten Winkel eines Hinterhauses gearbeitet, dessen Fenster auf den schmalen schachtartigen Hof gingen. Das kleine Zimmer, in dem er nun seit vierzig Jahren seine Tage verbrachte, war so finster, dass er selbst im Hochsommer höchstens von 11 bis 3 Uhr die Gasbeleuchtung entbehren konnte.
Es war stets feucht und kühl darin, und die Ausdünstungen des Abzugskanals drangen oft durch das Fenster in den dunklen Raum und verbreiteten dort einen schimmeligen ekelhaften Geruch.
Seit vierzig Jahren, wie gesagt, betrat Herr Leras jeden Morgen um 8 Uhr diese Art von Gefängnis und blieb bis abends 7 Uhr dort mit dem Fleisse eines Muster-Beamten über seinen Büchern.
Er hatte mit fünfzehnhundert Francs angefangen und verdiente jetzt jährlich dreitausend: da dieser schmale Gehalt ihm nicht gestattete, eine Frau zu nehmen, so blieb er Junggeselle. Durch Genuss nicht verwöhnt, war er in seinen Ansprüchen sehr bescheiden geblieben. Indessen von Zeit zu Zeit, wenn ihn der Überdruss an seiner einförmigen gleichmässigen Arbeit überwältigte, verstieg er sich zu dem Wunsche: »Herrjeh! Wenn ich fünftausend Livres Rente hätte, da wollt’ ich mir’s wohl sein lassen.«
Da aber die fünftausend Livres ausblieben, so konnte er sich’s auch weiter nicht besonders wohl sein lassen.
Sein Leben verlief hübsch gleichmässig,