Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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es ge­ra­de Mit­tag, als wir mit die­ser Ket­te le­ben­di­ger Ge­henk­ter in Bo­g­har an­lang­ten. Nur sechs wa­ren un­ter­wegs ge­stor­ben. Aber mehr­mals hat­ten wir die Sch­lin­gen längs dem gan­zen Zuge wie­der lo­ckern müs­sen, denn jede Er­schüt­te­rung würg­te ih­rer zehn auf ein­mal.

      Der Ka­pi­tän war mit sei­ner Ge­schich­te zu Ende.

      Ich wuss­te Nichts zu sa­gen und muss­te nur im­mer an dies selt­sa­me Land den­ken, wo man so et­was noch er­le­ben konn­te. So starr­te ich wort­los in die dunkle Nacht mit ih­rem zahl­rei­chen und glän­zen­den Ster­nen­hee­re.

      *

      Man war dar­an, sich nach dem Es­sen Jag­der­leb­nis­se und ähn­li­che Aben­teu­er zu er­zäh­len.

      Plötz­lich sag­te un­ser ge­mein­sa­mer al­ter Freund Herr Bo­ni­faz, ein eben­so großer Schüt­ze wie Trin­ker, ein zä­her star­ker Mann, voll Witz, Ver­stand und Phi­lo­so­phie, die sich in beis­sen­den Scher­zen, aber nie­mals in Trau­rig­keit of­fen­bart:

      »Ich weiß auch eine Jagd­ge­schich­te oder viel­mehr ein ziem­lich sel­te­nes Jagd­dra­ma. Es gleicht in kei­ner Wei­se dem, was wir bis jetzt hör­ten, auch habe ich es noch nie er­zählt, weil ich dach­te, es wür­de Nie­man­den er­göt­zen.

      Es ist nicht sehr an­spre­chend, ver­ste­hen Sie! d. h. es er­weckt nicht jene Art von In­ter­es­se, die be­geis­tert, be­zau­bert oder an­ge­nehm be­wegt.

      Doch hö­ren Sie:

      Ich war schon un­ge­fähr fünf­und­dreis­sig Jahr alt und die Jagd war mein höchs­tes Ver­gnü­gen.

      Da­mals be­sass ich ein Land­gut, wel­ches ziem­lich ein­sam in der Ge­gend von Ju­mie­ges lag und mit sei­nem gu­ten Wald­be­stand sich sehr zur Ha­sen- und Ka­nin­chen-Jagd eig­ne­te. Ich pfleg­te dort jähr­lich vier oder fünf Tage ganz al­lein zu­zu­brin­gen, da die Ein­rich­tung mir nicht er­laub­te, Be­kann­te ein­zu­la­den.

      Als Wald­hü­ter hat­te ich einen al­ten ehe­ma­li­gen Gens­darm an­ge­stellt, einen bra­ven Kerl, et­was hef­tig, streng auf sei­nen Dienst, scharf auf die Wild­die­be und ab­so­lut furcht­los. Er wohn­te ganz al­lein, fern von der Vil­la, in ei­nem klei­nen Häu­schen oder bes­ser ge­sagt, ei­nem ver­fal­le­nen Ge­mäu­er, wel­ches aus zwei Räu­men im Sou­ter­rain, Kü­che und Kel­ler, und zwei Zim­mern im ers­ten Stock be­stand. Eins der letz­te­ren, ge­ra­de groß ge­nug für ein Bett, einen Stuhl und einen Schrank, war für mich re­ser­viert.

      Va­ter Ca­va­lier be­wohn­te das an­de­re. Wenn ich sag­te, dass er ganz al­lein hier haus­te, dann habe ich mich nicht ganz ge­nau aus­ge­drückt. Er hat­te noch einen Nef­fen bei sich, einen Lüm­mel von vier­zehn Jah­ren, der den Haus­be­darf aus dem drei Ki­lo­me­ter wei­ten Dor­fe hol­te und dem Al­ten bei sei­ner täg­li­chen Be­schäf­ti­gung half.

      Die­ser ma­ge­re auf­ge­schos­se­ne und et­was buck­li­ge Gal­gen­strick hat­te so leich­tes gel­bes Haar, das man glau­ben konn­te, es sei der Flaum ei­nes ge­rupf­ten Huh­nes; da­bei war es so dünn, dass man ihn für kahl­köp­fig hal­ten konn­te. Aus­ser­dem be­sass er enor­me Füs­se und Hän­de wie ein rie­si­ger Ko­loss. Er schiel­te et­was und sah ei­nem nie ins Ge­sicht. Er mach­te auf mich den Ein­druck, als sei er un­ter den Men­schen un­ge­fähr das, was un­ter den Tie­ren das Raub­zeug ist. Ent­we­der war die­ser Bur­sche ein Mar­der oder ein Fuchs.

      Sei­ne Schlaf­s­tät­te hat­te er in ei­ner Art Loch, das sich ober­halb der zu den zwei Zim­mern füh­ren­den Trep­pe be­fand.

      Aber wäh­rend mei­nes je­wei­li­gen kur­z­en Auf­ent­hal­tes im »Pa­vil­lon« – so nann­te ich das alte Ge­mäu­er – muss­te Ma­ri­us sei­ne Höh­le ei­ner al­ten Frau aus Ecor­che­ville, Na­mens Ce­les­ti­ne, ab­tre­ten, die mir, bei den man­geln­den Koch­kennt­nis­sen des Papa Ca­va­lier, das Es­sen be­sorg­te.

      Nun ken­nen Sie schon den Ort und die Per­so­nen der Hand­lung. Letz­te­re spiel­te sich fol­gen­der­mas­sen ab:

      Es war im Jah­re 1854 am 15. Ok­to­ber – ich er­in­ne­re mich ge­nau die­ses Da­tums und wer­de es nie ver­ges­sen.

      Ich ritt von Rou­en fort in Beglei­tung mei­nes al­ten Hun­des Bock, ei­ner Bra­cke mit brei­ter Brust und star­ker Schnau­ze von der Poi­tou-Ras­se, die das Ge­büsch durch­stö­ber­te wie ein Wach­tel­hund von Pont-Au­de­mer.

      Auf der Krup­pe des Pfer­des ruh­te mein Ruck­sack und mein ein­ge­schnall­tes Ge­wehr. Es war ein kal­ter trüber Tag; der Wind jag­te die Wol­ken wie schwar­ze Schat­ten am Him­mel vor­über.

      Als ich die Höhe von Can­te­leu her­aufritt, ge­wahr­te ich vor mir das wei­te Sei­ne­tal, wel­ches der Fluss, so­weit das Auge reicht, in Schlan­gen­win­dun­gen durch­zieht. Links rag­ten die Kirchtür­me von Rou­en zum Him­mel em­por und rechts blieb das Auge auf den ent­fern­ten wal­di­gen Hö­hen haf­ten. Dann kam ich, ab­wech­selnd Schritt und Trab rei­tend, durch den Wald von Rou­ma­re und er­reich­te um fünf Uhr den Pa­vil­lon, wo Papa Ca­va­lier und Ce­les­ti­ne mich er­war­te­ten.

      Seit zehn Jah­ren stell­te ich mich zur sel­ben Zeit, und in der­sel­ben Wei­se ein. Die­sel­ben Per­so­nen be­grüss­ten mich mit den­sel­ben Wor­ten.

      »Gu­ten Tag, gnä­di­ger Herr! Wie steht das wer­te Be­fin­den?«

      Ca­va­lier hat­te sich nicht ver­än­dert, er wi­der­stand dem Zahn der Zeit wie ein al­ter Baum, aber Ce­les­ti­ne war, na­ment­lich seit den letz­ten vier Jah­ren, nicht wie­der­zu­er­ken­nen.

      Sie war all­mäh­lich sehr ge­brech­lich ge­wor­den und ob­schon noch sehr tä­tig, ging sie mit der­ar­tig vor­ge­beug­tem Ober­kör­per, dass letz­te­rer bei­na­he mit ih­ren Füs­sen einen rech­ten Win­kel bil­de­te.

      Die gute Alte war im­mer sehr er­grif­fen, wenn sie mich wie­der­sah und je­des Mal bei der Abrei­se sag­te sie mir:

      »Be­den­ken Sie, mein gu­ter Herr, dass dies viel­leicht das letz­te Mal ist«.

      Und der trau­ri­ge ah­nungs­vol­le Ab­schied die­ser ein­fa­chen Die­ne­rin, die­se hoff­nungs­lo­se Er­ge­bung in den ihr dem­nächst als ge­wiss be­vor­ste­hen­den Tod, be­weg­te je­des Jahr mein Herz aufs Neue in ganz be­son­de­rer Wei­se.

      Ich stieg vom Pfer­de und wäh­rend Ca­va­lier, dem ich die Hand ge­schüt­telt, das­sel­be in das klei­ne Ge­bäu­de brach­te, das als Stall diente, ging ich, ge­folgt von Ce­les­ti­ne, in die Kü­che, die gleich­zei­tig auch das Spei­se­zim­mer vor­stell­te.

      Der Wald­hü­ter ge­sell­te sich wie­der zu uns. Ich be­merk­te auf den ers­ten Blick, dass er ein ver­än­der­tes

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