Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Damit ging sie.
Als ein Monat herum war, wurde im Hause Samoris immer noch getanzt und soupiert.
Yveline gab nun vor, sie hätte Zahnweh, und ließ bei einem Apotheker in der Gegend etwas Chloroform holen. Am nächsten Tage fing sie wieder an, und jedes Mal, wenn sie ausging, brachte sie sich belanglose Dosen dieses Betäubungsmittels mit und füllte sie in eine Flasche.
Eines Morgens fand man sie tot in ihrem Bette; sie war schon kalt und hatte eine Chloroform-Maske vor’m Gesicht.
Ihr Sarg war mit Blumen überdeckt, die Kirche weiß ausgeschlagen. Bei der Trauerfeier war ein großer Menschenandrang.
Donnerwetter ja! wahrhaftig, wenn ich das vorher gewusst hätte – aber man weiß ja nie etwas – ich hätte das Mädel vielleicht geheiratet. Sie war ganz allerliebst.
– Und die Mutter, was ist aus der geworden?
– Oh, die hat geweint… Erst seit acht Tagen beginnt sie ihre nächsten Bekannten wieder zu empfangen.
– Und was hat sie gesagt, um diesen Tod zu erklären?
Sie hat von einem Füllofen gesprochen, dessen Mechanismus entzwei gegangen wäre. Da die Unfälle mit diesen Dingern ehedem viel Lärm gemacht haben, lag nichts Unwahrscheinliches darin.
*
Freund Josef
Den ganzen Winter in Paris hatten sie in engsten Beziehungen gestanden. Als sie die Schule verließen, hatten sie sich wie gewöhnlich aus den Augen verloren, bis sie sich plötzlich eines Abends in einer Gesellschaft wiederfanden, beide schon alt und grau, der eine als Junggeselle, der andere als Ehemann.
Herr von Méroul wohnte ein halbes Jahr in Paris und ein halbes Jahr in seinem kleinen Schloss bei Troubeville. Er hatte die Tochter eines Schlossherrn der Gegend heimgeführt und still wie ein Mensch, der nichts zu tun hat, ein friedlich beschauliches Dasein geführt. Er war von ruhigem Temperament und gesetztem Geiste ohne jegliche Keckheit oder Unabhängigkeits-Gelüste; seine Zeit verging ihm damit, dass er die Vergangenheit sanft zurückwünschte und den Sitten und Einrichtungen der guten alten Zeit nachweinte; und bei jeder Gelegenheit wiederholte er seiner Frau, die dabei die Augen und zuweilen auch die Hände gen Himmel hob, um kräftiger beizustimmen: »O Gott, unter was für einer Regierung leben wir!«
Frau von Méroul stand ihrem Gatten geistig so nahe, als ob sie Bruder und Schwester gewesen wären. Sie wusste durch die Tradition, dass man zuerst den Papst und den König ehren muss!
Und sie liebte und ehrte sie beide von Herzensgrund, ohne sie zu kennen; sie liebte sie mit poetischer Begeisterung und angeborener Hingebung, mit aller Zärtlichkeit einer Frau aus guter Familie. Sie war gut bis in die Falten ihrer Seele. Sie hatte nie Kinder gehabt und sehnte sich stets danach.
Als Herr von Méroul seinen alten Freund Josef Mouradour bei einem Balle wiederfand, bereitete ihm diese Begegnung eine tiefe, ungeschminkte Freude, denn sie hatten sich in ihrer Jugend sehr geliebt.
Nach den ersten Ausrufen des Erstaunens, wie sehr ihr Aussehen und Gesicht vom Alter verändert wären, hatten sie sich gegenseitig nach ihrem Leben erkundigt.
Josef Mouradour, ein Südfranzose, hatte es in seiner Heimat zum General-Direktor gebracht. Er war von freiem Benehmen, redete lebhaft und ohne Rückhalt, und sprach alles aus, was er dachte, ohne zarte Rücksichten zu kennen. Er gehörte zu jenem gemütlichen Schlage von Republikanern, die sich ein Gesetz daraus machen, möglichst formlos aufzutreten und die Freiheit des Wortes bis zur Rücksichtslosigkeit zu treiben.
Er kam in das Haus seines Freundes und machte sich hier durch seine ungeschminkte Herzlichkeit trotz seiner fortschrittlichen Ansichten bald sehr beliebt. Frau von Méroul rief immer aus: »Wie schade! Ein so reizender Mensch!« Und ihr Gatte sagte zu seinem Freunde in überzeugtem und vertraulichem Tone: »Du ahnst gar nicht, welches Unheil Ihr über unser Land bringt.« Trotzdem hätschelte er ihn, denn nichts ist fester, als die Beziehungen der Kindheit, die im reifen Alter wieder aufgenommen werden. Josef Mouradour seinerseits zog Mann und Frau auf, nannte sie »meine lieben Rückwärtsler« und konnte es sich bisweilen nicht versagen, mit tönendem Phrasenschwall über die Konservativen und ihre Vorurteile und Traditionen herzuziehen.
Wenn er so den Strom seiner demokratischen Beredsamkeit entfesselte, schwiegen seine Gastgeber wohl oder übel aus Anstand und Lebensart, und der Gatte suchte dann das Gespräch auf einen anderen Gegenstand zu lenken, um das Aufeinanderprallen der Meinungen zu vermeiden. Auch sahen sie Josef Mouradour nur im engsten Kreise.
Als der Sommer kam, zogen die Mérouls auf ihre Besitzung bei Troubeville. Hier kannten sie keine größere Freude, als ihre Freunde zu Besuch zu haben. Es war dies eine innige und gesunde Freude, die Freude redlicher Leute und Landbewohner. Sie kamen den Gästen bis zur nächsten Eisenbahn-Station entgegen und fuhren sie in ihrem Wagen heim; dabei horchten sie begierig auf jedes Kompliment über ihre Gegend, den Pflanzenwuchs, den Zustand der Straßen im Kreise, die sauberen Bauernhäuser und das wohlgemästete Vieh, das auf den Feldern zu sehen war, kurz, über alles, was in ihrem Gesichtskreise lag.
Sie machten ihre Gäste darauf aufmerksam, wie erstaunlich gut ihr Pferd trabte, das doch einen Teil des Jahres mit aufs Feld musste, warteten ängstlich auf die Meinung des Angekommenen über ihren Familiensitz, und waren für jedes Wort empfänglich, für die geringste Schmeichelei erkenntlich.
Josef Mouradour wurde eingeladen und sagte sein Kommen zu.
Mann und Frau waren zur Ankunft des Zuges auf der Bahn und freuten sich kindlich, ihm die Honneurs erweisen zu können.
Sobald er sie erkannte, sprang er aus dem Wagen und eilte mit Lebhaftigkeit auf sie zu, was ihre Befriedigung noch steigerte. Er drückte ihnen