Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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äl­te­rem Da­tum, das bei ei­nem No­tar in Ren­nes de­po­niert war, mach­te ihn zum Uni­ver­saler­ben, und er trat die Erb­schaft an.

      Die Leu­te der Ge­gend äch­te­ten ihn lan­ge Zeit, da sie ihn für ver­däch­tig hiel­ten. Sein Haus, das der To­ten, galt für ver­fehmt. Auf der Stra­ße wich man ihm aus.

      Aber er of­fen­bar­te sich als so gut­mü­tig, of­fen­her­zig und ver­trau­lich, dass man ganz all­mäh­lich den schreck­li­chen Zwei­fel fal­len ließ. Er war frei­ge­big und zu­vor­kom­mend, er un­ter­hielt sich selbst mit dem Nied­rigs­ten, er sprach von al­lem und so lan­ge man woll­te.

      Der No­tar, Herr Ra­meau, war ei­ner der ers­ten, der wie­der für ihn ein­trat; sei­ne lä­cheln­de Red­se­lig­keit be­stach ihn. Ei­nes Abends, auf ei­nem Abendes­sen beim Steuer­ein­neh­mer, er­klär­te er:

      – Ein Mensch, der so un­ge­zwun­gen spricht und stets gu­ter Lau­ne ist, kann ein sol­ches Ver­bre­chen nicht auf dem Ge­wis­sen ha­ben.

      Den An­we­sen­den hat­te die­ses Ar­gu­ment Ein­druck ge­macht, sie dach­ten nach und ent­san­nen sich in der Tat ih­rer lan­gen Un­ter­hal­tun­gen mit die­sem Men­schen, der sie fast wi­der Wil­len in der Plau­de­r­e­cke fest­hielt, um ih­nen sei­nen Ge­dan­ken mit­zu­tei­len, der sie zwang, bei ihm ein­zu­keh­ren, wenn sie an sei­nem Gar­ten vor­über­gin­gen, dem die schö­nen Re­dens­ar­ten leich­ter flos­sen, als selbst dem Gen­dar­me­rie-Leut­nant, und des­sen Lus­tig­keit so an­ste­ckend war, dass man trotz des Wi­der­wil­lens, den er ein­flö­ßte, in sei­ner Ge­sell­schaft im­mer herz­lich la­chen muss­te.

      Seit­dem öff­ne­ten sich ihm alle Tü­ren.

      Jetzt ist er der Bür­ger­meis­ter des Städt­chens.

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Bel Ami Teil 1

      I.

      Die Kas­sie­re­rin gab auf sein 5-Fran­cs-Stück das Geld her­aus und Ge­or­ges Du­roy ver­ließ das Lo­kal. Statt­lich ge­wach­sen, rich­te­te er sich auf mit der Hal­tung ei­nes ehe­ma­li­gen Un­ter­of­fi­ziers und dreh­te schnei­dig-mi­li­tä­risch sei­nen Schnurr­bart zwi­schen den Fin­gern. Er warf auf die üb­rig­ge­blie­be­nen Gäs­te einen schnel­len, flüch­ti­gen Blick; einen je­ner Bli­cke des schö­nen Bur­schen, die un­fehl­bar tref­fen, wie der Raub­vo­gel sei­ne Beu­te.

      Die Frau­en blick­ten ihm neu­gie­rig nach: es wa­ren drei klei­ne Nähmäd­chen, eine Mu­sik­leh­re­rin un­be­stimm­ten Al­ters, schlecht ge­kämmt, nach­läs­sig ge­klei­det mit ei­nem al­ten, ver­staub­ten Hut und ei­nem Kleid, das nie­mals sit­zen woll­te. Dazu zwei bür­ger­li­che Frau­en mit ih­ren Män­nern, Stamm­gäs­te des klei­nen Lo­kals mit »fes­ten Prei­sen«.

      Auf der Stra­ße blieb er einen Au­gen­blick ste­hen und über­leg­te, was er un­ter­neh­men soll­te. Es war der 28. Juni — in der Ta­sche blie­ben ihm 3 Fran­cs 40 Cen­ti­mes für den Rest des Mo­nats üb­rig. Da­für konn­te er sich zwei Mit­ta­ges­sen leis­ten, dann al­ler­dings kein Früh­stück, oder um­ge­kehrt. Er über­leg­te sich, dass ein Früh­stück nur 22 Sous, ein Mit­ta­ges­sen da­ge­gen 30 kos­te­te. Begnüg­te er sich bloß mit dem Früh­stück, so wür­den ihm 1 Fran­cs 20 Cen­ti­mes ver­blei­ben, das be­deu­te­te zwei­mal Würst­chen mit Brot und zwei Glas Bier auf dem Bou­le­vard. Dies war sein kost­spie­li­ges Ver­gnü­gen, das er sich abends gönn­te.

      Da­rauf­hin ging er die Rue Notre-Dame de Lo­ret­te hin­un­ter.

      So schritt er da­hin, wie zur­zeit, als er die Husa­ren­uni­form trug, in stram­mer Hal­tung mit et­was ge­spreiz­ten Bei­nen, wie ein Rei­ter, der eben vom Pfer­de ge­stie­gen ist. Ohne auf je­mand Rück­sicht zu neh­men, ging er sei­nen Weg durch die Stra­ßen­men­ge. Er stieß die Passan­ten und woll­te nie­man­dem aus­wei­chen. Sei­nen al­ten Zy­lin­der­hut rück­te er et­was auf das eine Ohr, und laut klan­gen sei­ne Schrit­te auf dem Pflas­ter. Verächt­lich und her­aus­for­dernd be­trach­te­te er die Men­schen, die Häu­ser, die gan­ze Stadt: er — der schi­cke, schnei­di­ge Sol­dat, der zu­fäl­lig Zi­vi­list war.

      Sein fer­tig­ge­kauf­ter An­zug kos­te­te nur 60 Fran­cs, trotz­dem trug er eine ge­wis­se be­tont knal­li­ge Ele­ganz zur Schau; et­was or­di­när, da­für echt und ein­drucks­voll. Groß und schön ge­wach­sen, hat­te er dun­kel­blon­des, röt­li­ches, von Na­tur krau­ses Haar, das in der Mit­te ge­schei­telt war; mit ei­nem ke­cken Schnurr­bart, der sich auf sei­ner Ober­lip­pe kräu­sel­te, und hel­len, blau­en Au­gen mit klei­nen Pu­pil­len, sah er dem Mords­kerl aus ei­nem Hin­ter­trep­pen­ro­man ähn­lich.

      Es war ein hei­ßer Som­mer­tag. Kein fri­scher Luft­zug reg­te sich in Pa­ris. Die Stadt glüh­te wie ein Kes­sel und er­stick­te in der schwü­len Nacht. Die Stra­ßen­kanä­le hauch­ten üb­len Duft aus ih­ren Gra­ni­tra­chen, und aus den Kü­chen und Kel­ler­räu­men dran­gen ekle Gerü­che von Spül­was­ser und al­ten Spei­se­res­ten auf die Stra­ße.

      Un­ter den Hau­sto­ren sa­ßen die »con­cier­ges« (Haus­war­te) in Hemds­är­meln ritt­lings auf ih­ren Stroh­ses­seln und rauch­ten die Pfei­fe. Trä­ge schli­chen die Men­schen da­hin, mit ent­blö­ßtem Kopf, den Hut in der Hand tra­gend.

      Als Ge­or­ges Du­roy den Bou­le­vard er­reich­te, blieb er ste­hen, un­schlüs­sig, was er nun tun soll­te. Er hat­te Lust, in die Champs Elysée und die Ave­nue du Bois de Bou­lo­gne zu ge­hen, um un­ter den Bäu­men et­was fri­sche Luft zu schöp­fen.

      Aber ein an­de­res Ver­lan­gen reg­te sich in ihm, und zwar nach ei­nem Lie­bes­aben­teu­er. Wie ihm so ein Aben­teu­er in den Weg lau­fen soll­te, da­von hat­te er kei­ne Ah­nung, aber seit drei Mo­na­ten war­te­te er dar­auf je­den Tag und je­den Abend. Dank sei­ner schö­nen, statt­li­chen Er­schei­nung hat­te er wohl hier und da ein biss­chen Lie­be kos­ten dür­fen; ge­nü­gen tat ihm das nicht, er hoff­te im­mer auf mehr und auf Bes­se­res.

      Mit heißem Blut aber lee­rer Ta­sche er­reg­ten ihn die Dir­nen, die ihm an den Stra­ßen­e­cken zu­mur­mel­ten: »Komm mit, fei­ner Jun­ge«, doch er ge­trau­te sich nicht, ih­nen zu fol­gen, denn be­zah­len konn­te er sie nicht, und dann träum­te er auch von an­de­rem, von et­was vor­neh­me­rer Lie­be und min­der ge­mei­nen Küs­sen.

      Trotz­dem lieb­te er die Orte, wo es von je­nen öf­fent­li­chen Mäd­chen wim­mel­te; er such­te gern ihre Bal­lo­ka­le, ihre Cafés, ihre Stra­ßen auf. Er lieb­te, sie an­zu­spre­chen, sie zu du­zen, ihre auf­dring­li­chen Par­füms ein­zuat­men und ihre Nähe zu füh­len. Sie wa­ren doch schließ­lich Frau­en; Frau­en, die zur Lie­be be­stimmt wa­ren. Ver­ach­ten tat er sie nicht, so wie je­der Mann sie ver­ach­te­te, der im Schoß der Fa­mi­lie auf­ge­wach­sen ist.

      Er lenk­te sei­ne Schrit­te nach der Ma­de­lei­ne­kir­che und folg­te dem Men­schen­strom, der sich, von der Hit­ze be­drückt, schwer­fäl­lig da­hin­wälz­te.

      Die Cafés wa­ren über­füllt, dicht­ge­drängt

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