Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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style="font-size:15px;">      Aber be­ei­len Sie sich. Ich brau­che den ers­ten Ar­ti­kel schon mor­gen oder über­mor­gen, da­mit wir das Pub­li­kum be­ar­bei­ten kön­nen, so­lan­ge man dar­über in der Kam­mer de­bat­tiert.«

      Frau Wal­ter füg­te mit je­ner ernst­haf­ten Lie­bens­wür­dig­keit, die sie im­mer zeig­te, noch hin­zu:

      »Und Sie hät­ten einen rei­zen­den Ti­tel: ›Erin­ne­run­gen ei­nes afri­ka­ni­schen Jä­ger­s‹, nicht wahr, Herr Nor­bert?«

      Der alte Dich­ter, der erst spät zu An­se­hen und Ruhm ge­kom­men war, ver­ab­scheu­te Neu­lin­ge und miss­trau­te ih­nen. Er ant­wor­te­te tro­cken:

      »Ja, aus­ge­zeich­net, vor­aus­ge­setzt, dass die Ar­ti­kel auch die ent­spre­chen­de Stim­mung ha­ben wer­den, was sehr schwer sein wird. Es kommt näm­lich auf die rich­ti­ge Stim­mung an, oder mu­si­ka­lisch aus­ge­drückt, auf den Ton.«

      Ma­da­me Fo­res­tier warf Du­roy einen wohl­wol­len­den, lä­cheln­den Blick zu, wie ein er­fah­re­ner Ken­ner, der sa­gen will: »Du, du wirst schon dei­nen Weg ma­chen.«

      Ma­da­me de Ma­rel­le hat­te sich mehr­mals zu ihm hin­ge­dreht, und der Dia­mant in ih­rem Ohr zit­ter­te un­auf­hör­lich, als woll­te der dün­ne Was­ser­trop­fen sich ab­lö­sen und fal­len. Nur die Klei­ne blieb un­be­weg­lich und ernst und hielt den Kopf über ih­ren Tel­ler ge­beugt.

      Der Die­ner ging rings um den Tisch und schenk­te Jo­han­nis­ber­ger in die matt­blau­en Glä­ser, und dann wen­de­te sich Fo­res­tier zu Herrn Wal­ter und brach­te einen Trink­spruch aus: »Auf lan­ges Ge­dei­hen der Vie Françai­se!«

      Alle ver­beug­ten sich vor dem Chef, der lä­chel­te, und Du­roy, durch sei­nen Er­folg be­rauscht, leer­te sein Glas in ei­nem Zuge. Er hät­te, so war ihm zu­mu­te, ein gan­zes Fass aus­trin­ken kön­nen, er hät­te einen Och­sen auf­es­sen, einen Lö­wen er­wür­gen kön­nen. Er fühl­te über­mensch­li­che Kraft in sich, un­be­sieg­ba­re Ener­gie und un­be­grenz­te Hoff­nun­gen. Jetzt war er in­mit­ten die­ser Men­schen zu Hau­se, er hat­te sich hier eine Stel­lung ver­schafft, sei­nen Platz er­obert. Jetzt blick­te er je­dem ein­zel­nen zu­ver­sicht­lich ins Auge, und zum ers­ten Male wag­te er auch sei­ne Nach­ba­rin an­zu­spre­chen.

      »Sie ha­ben die schöns­ten Ohr­rin­ge, Ma­da­me, die ich je ge­se­hen habe.«

      Lä­chelnd wand­te sie sich zu ihm hin.

      »Es war ein gu­ter Ein­fall von mir, die Dia­man­ten so ein­fach am Ende ei­nes Gold­fa­dens auf­zu­hän­gen. Nicht wahr, sie se­hen aus wie Tau­trop­fen?«

      Ver­wirrt durch sei­ne ei­ge­ne Kühn­heit und vol­ler Angst, ob er auch nicht eine Al­bern­heit sage, mur­mel­te er:

      »Ganz rei­zend … Aber an Ihren Ohren se­hen sie be­son­ders schön aus.«

      Sie dank­te ihm mit ei­nem Blick, mit ei­nem je­ner of­fe­nen Frau­en­bli­cke, die bis ins Herz drin­gen.

      Als er den Kopf her­um­wand­te, be­geg­ne­te er wie­der den Au­gen der Frau Fo­res­tier, die ihn noch im­mer wohl­wol­lend an­sa­hen, doch glaub­te er in ih­nen jetzt eine leb­haf­te­re Hei­ter­keit, eine lei­se Hin­ter­list und eine Er­mu­ti­gung zu le­sen.

      Die Her­ren re­de­ten jetzt alle durch­ein­an­der, mit leb­haf­ten Ge­bär­den und schal­len­der Stim­me. Man be­sprach den Rie­sen­plan der Un­ter­grund­bahn. Der Ge­gen­stand war auch beim Des­sert noch nicht er­schöpft und je­der hat­te ei­ni­ge Din­ge zu sa­gen über die zu lang­sa­men Ver­bin­dun­gen in Pa­ris, über die Un­be­quem­lich­kei­ten der Stra­ßen­bahn und der Om­ni­bus­se und über die gro­be Un­ver­schämt­heit der Dro­schen­kut­scher.

      Dann ver­ließ man den Spei­se­saal, um Kaf­fee zu trin­ken. Du­roy bot aus Scherz dem klei­nen Mäd­chen sei­nen Arm an, das ihm mit erns­ter Mie­ne dank­te und sich auf die Fuß­spit­zen stell­te, um ihre Hand auf den Arm des Nach­bars le­gen zu kön­nen.

      Als er in den Sa­lon ein­trat, hat­te er von Neu­em das Ge­fühl, in ein Treib­haus zu kom­men. Hohe Pal­men öff­ne­ten ihre an­mu­ti­gen Fä­cher in al­len vier Ecken, stie­gen bis zur De­cke em­por und ver­brei­te­ten sich dann wie Was­ser­strah­len. Zu bei­den Sei­ten des Ka­mins stan­den zwei run­de Gum­mi­bäu­me mit ih­ren lan­gen, dun­kel­grü­nen, über­ein­an­der wach­sen­den Blät­tern, und auf dem Flü­gel prang­ten zwei ganz ori­gi­nel­le, run­de Sträu­cher, mit Blü­ten be­deckt, die einen dun­kel­ro­sa, die an­de­ren schnee­weiß. Sie sa­hen aus, als ob sie künst­lich wä­ren und zu schön, um echt zu sein.

      Die Luft war an­ge­nehm frisch, von ei­nem dis­kre­ten, zar­ten Par­füm er­füllt, das man nicht nä­her be­stim­men konn­te.

      Du­roy fühl­te sich jetzt be­deu­tend si­che­rer und sah sich das Zim­mer auf­merk­sam an. Es war nicht groß, und au­ßer den Sträu­chern war nichts dar­in, was den Blick be­son­ders auf sich lenk­te, kei­ne leb­haf­ten Far­ben tra­ten her­vor; man fühl­te sich ru­hig und ge­müt­lich dar­in; es um­fing den Kör­per sanft wie eine zärt­li­che Lieb­ko­sung. Die Wän­de wa­ren mit ei­nem al­ten, vio­let­ten Stoff be­spannt, mit klei­nen gelb­li­chen Pünkt­chen, die klei­ne Blüm­chen dar­stell­ten und so groß wa­ren wie eine Flie­ge. Blau­graue Tuch­por­tie­ren mit leich­ten Sti­cke­rei­en aus ro­ter Sei­de be­deck­ten die Tü­ren und Fens­ter, und durch das gan­ze Zim­mer stan­den, wahl­los ver­streut, Sitz­mö­bel in al­len For­men und Grö­ßen, Chai­se­lon­gues, große und klei­ne Fau­teuils, Puffs und Ta­bu­retts mit Louis-XVI.-Sei­de oder schö­nem Ut­rech­ter Samt be­zo­gen, mit gra­nat­far­be­nem Mus­ter auf cre­me­far­be­nem Grund.

      »Neh­men Sie eine Tas­se Kaf­fee, Herr Du­roy?«

      Frau Fo­res­tier reich­te ihm die vol­le Tas­se mit ei­nem freund­li­chen Lä­cheln, das ihre Lip­pen nicht ver­ließ.

      »Ja, gnä­di­ge Frau, ich dan­ke Ih­nen.«

      Er nahm ihr die Tas­se aus der Hand, und wäh­rend er sich ängst­lich vor­beug­te, um mit der sil­ber­nen Zan­ge ein Stück Zu­cker aus der Scha­le zu neh­men, die das klei­ne Mäd­chen hielt, sag­te die jun­ge Dame halb­laut:

      »Sie müs­sen jetzt Frau Wal­ter den Hof ma­chen.«

      Dann ent­fern­te sie sich, be­vor er ein Wort hat­te ant­wor­ten kön­nen.

      Zu­nächst trank er sei­nen Kaf­fee aus, weil er fürch­te­te, den­sel­ben wo­mög­lich noch auf den Tep­pich zu gie­ßen. Dann fühl­te er sich et­was frei­er und such­te nach ei­ner Mög­lich­keit, sich der Frau sei­nes zu­künf­ti­gen Di­rek­tors zu nä­hern und eine Un­ter­hal­tung an­zu­knüp­fen.

      Plötz­lich be­merk­te er, dass sie eine lee­re Tas­se in der Hand hielt. Sie be­fand sich ziem­lich weit von ei­nem Tisch und wuss­te nicht recht, wo sie die Tas­se hin­stel­len soll­te. Er

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