Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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ihrer Handlungen anführten, verschärften sie nur die Kritik derer, die in ihnen Mörder statt Heerführer sahen. Diese Kontroversen vernachlässigen allerdings einen wichtigen Punkt: Die Abnutzungsschlacht verursachte beträchtlich geringere Verluste als der Bewegungskrieg 1914. Und relativ zum Umfang und zur Dauer der Kämpfe waren die Verluste bei Verdun und in Somme geringer als bei Waterloo. Das Bitterste ist jedoch, dass bei Verdun und in Somme beide Lager fast gleich viele Soldaten verloren. Die ganze Idee eines Abnutzungskrieges hatte auf taktischer und operativer Ebene überhaupt keinen Sinn.

      1923 veröffentlichte ein britischer Offizier namens Frederick Ernest Whitton The Decisive Battles of Modern Times, bei dem schon im Titel das Werk Edward Creasys anklingt, auf dessen prägenden Einfluss dann auch im Vorwort verwiesen wird. Whitton untersucht darin Vicksburg, Königgrätz, Mars-la-Tour, Tsushima und die Schlacht an der Marne, der er 1917 schon einen langen Text gewidmet hatte. Andere Schlachten des Ersten Weltkrieges ließ er in seinem Werk jedoch außen vor, weil er überzeugt war, dass der Wendepunkt des Krieges bereits nach wenigen Wochen erreicht war. Er war übrigens nicht der Einzige, der sich unschlüssig zeigte, wie man an die Schlacht um Verdun und die Schlacht an der Somme, aber auch an die anderen Schlachten des Ersten Weltkrieges herangehen sollte. Drei Jahre später erschien British Battles of Destiny von Boyd Cable, der an ein ziviles Publikum gerichtete Texte über das Leben an der Front im Ersten Weltkrieg und dann in den 1920er Jahren Filmskripte verfasst hatte, deren Handlung während des Krieges spielte. Wie Creasy sechzig Jahre zuvor ließ er sein Werk mit Waterloo enden: In seinen Augen war es noch zu früh, um die Folgen des Krieges von 1914–1918 zu beurteilen.

      Whitton und Cable waren keine Autoren von großem Format, doch aus ihren Büchern wird etwas Grundlegendes ersichtlich. Die aus dem 19. Jahrhundert überkommene Definition der Schlacht hatte ihre Geltung verloren. Auch Hervé Drévillon beendete sein Buch Batailles von 2007 mit der Schlacht an der Marne. Nach 1914, erklärte er, war die Idee einer direkten und entscheidenden Konfrontation an einem klar umschriebenen Ort und in einer begrenzten Zeit obsolet geworden. Douglas Haig, der 1916 statt von Schlacht von Feldzug sprach und damit zu denen gehörte, die mit einer Änderung der Definition den Anfang machten, argumentierte in seiner letzten Depesche von 1919, als er sein Kommando über die British Expeditionary Force abgab, ähnlich. Er beschrieb darin die Kämpfe, die zwischen der Schlacht an der Somme im Juli 1916 und der Schlacht an der Somme im November 1918 stattfanden, als »eine einzige große Schlacht«13. Um die Schlacht mit ihrem Resultat in Verbindung zu bringen, musste Haig sie räumlich und zeitlich (mehr als zwei Jahre) ausdehnen. Doch mit seinem Bemühen, innerhalb der Grenzen des vertrauten Vokabulars Rechenschaft über die großen Veränderungen zu geben, die sich an der Natur des Krieges vollzogen hatten, schuf er Verwirrung. Damit war er nicht alleine: Auf diese Weise überzeugte sich die deutsche Armee davon, 1918 nicht auf dem Schlachtfeld besiegt worden zu sein, da es an der Westfront zu keiner letzten und entscheidenden Schlacht gekommen war.

       Rhetorik der Volksmobilisierung

      Diese Feststellung gilt jedoch nicht für die anderen Fronten. Und dies ist einer der besten Indikatoren für den fundamentalen Wandel, den das Konzept der Schlacht selbst mit dem Ersten Weltkrieg durchlief: Die drei heftigen Schlachten im Herbst 1918 an der italienischen, palästinischen und mesopotamischen Front – bei Vittorio Veneto, bei Megiddo und bei Mossul – wurden interessanterweise von der Geschichtsschreibung vernachlässigt, und werden es heute noch. Dabei waren alle drei nicht weniger entscheidend als Waterloo. Sie beendeten den Konflikt in ihrem jeweiligen Kriegstheater und werden doch als leichte Siege angesehen, errungen von Truppen, die – relativ zu den an der Westfront eingesetzten Armeen – zu den besten gehörten, gegen Armeen, die den Kampf bereits verloren gegeben hatten. Die Argumente über den »Abnutzungskrieg« entziehen den leichten Siegen implizit jeden moralischen Wert unter dem Vorwand, dass die Kämpfe sich nicht länger hinzogen und die Verluste nicht bedeutender waren.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Generalmajor John F. C. Fuller, ebenfalls ein Veteran des Ersten Weltkrieges, das dreibändige Werk The Decisive Battles of the Western World, in dem der Autor von Gallipoli 1915 direkt zu den Schlachten von 1918 übergeht und alles, was in der Zwischenzeit passierte, einschließlich Verdun und der Schlacht an der Somme, auslässt. Ein separates Kapitel ist dem italienischen Sieg bei Vittorio Veneto im Oktober 1918 gewidmet, den der Verfasser als »entscheidend« beurteilt, weil er einen Einfluss auf die Moral des italienischen Volks hatte und von Mussolini und den Faschisten dazu benutzt wurde, »allen jenen subversiven und korrupten Kräften, die den Nationalgeist in Italien zersetzten«14, entgegenzuwirken. Dazu muss man sagen, dass Fuller ein ehemaliger Faschist war, doch sein Argument gilt für die Dritte Republik wie für Italien. Verdun kann somit in Frankreich aus nationalen Gründen als eine große Schlacht angesehen werden. Dasselbe lässt sich für Großbritannien und die Schlacht an der Somme sagen. Die Helden dieser Schlachten waren nicht die Befehlshaber, sondern die einfachen Soldaten – die Nation verkörpernde Bürger. Trotzdem stellte Fuller nicht die Frage, ob in den ideologischen Kriegen – so beschrieb er die Kriege des 20. Jahrhunderts – und insbesondere im Verlauf des Zweiten Weltkrieges die Entscheidungsschlacht die zentrale Stellung wiedererlangte, die sie im 19. Jahrhundert innegehabt hatte, oder ob sie im modernen Krieg endgültig ihre Bedeutung eingebüßt hatte.

      Mit einer unzweideutigen Antwort eröffnet Phillips Payson O’Brien sein Buch How the War Was Won: »Es gab keine Entscheidungsschlachten im Zweiten Weltkrieg.«15 Dieser Krieg, der in zahlreichen Ländern die Mobilisierung der ganzen Bevölkerung und aller ökonomischen Ressourcen verlangte, wurde in einer Weise geführt, dass es in den großen Schlachten – von Stalingrad bis Midway – weder gelang, die Ressourcen des Gegners noch seine Kampftauglichkeit zu zerstören. Es war vielmehr die unnachgiebige Fortführung der Kämpfe, durch die Deutschland und Japan im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wie die Mittelmächte im Ersten Weltkrieg ihre materiellen Mittel einbüßten. Der Unterschied zwischen den Schlachten in den beiden Weltkriegen und denen der vorindustriellen Ära ist, dass die Kämpfe Tag für Tag und selbst nachts und im tiefsten Winter fortgesetzt wurden. Dass die britische Armee am 1. Juli 1916 Verluste von 60 000 Mann erlitt, erweckt die falsche Vorstellung einer zeitlich begrenzten Schlacht. Wichtiger ist es aber, sich an den Verlust der 360 000 Mann zu erinnern, die in den darauffolgenden einhundertvierzig Tagen den Tod fanden. In den beiden Weltkriegen hatten die kriegführenden Staaten alle Hände voll zu tun, um ihre Verluste auszugleichen, während sie zugleich genügend Arbeitskräfte mobilisieren mussten, um die zur Fortführung der Kämpfe notwendige Produktion am Laufen zu halten.

      Der Zweite Weltkrieg war, wie Fuller beobachtete, von tiefen ideologischen Gegensätzen gespeist und wurde von ganzen Nationen geführt statt nur von Armeen, die ihren Monarch*innen Rechenschaft schuldig waren. Es war diese Rhetorik der allgemeinen Mobilmachung, die die Vorstellung einer »Entscheidungsschlacht« am Leben erhielt. »Schlachten sind die entscheidenden Meilensteine der weltlichen Geschichte«16, erklärte Winston Churchill 1940 und machte damit deutlich, welches Gewicht er ihnen beimaß. Noch als junger Mann hatte er 1898 an einem Kavallerieangriff bei Omdurman teilgenommen, der Entscheidungsschlacht, mit der das britische Empire die Mahdistenherrschaft im Sudan beendete. In dem Moment, als sich Großbritannien dem nationalsozialistischen Deutschland »allein entgegenstellte«, nannte Churchill zwei entscheidende Schlachten, die zu schlagen seien: die Schlacht um England und die Atlantikschlacht, die eine in der Luft, die andere auf dem Meer. Beide waren existenziell, weil der Ausgang des Krieges von ihnen abhing. Aber handelte es sich wirklich um Schlachten? Ihre Benennung anhand geografischer Bestimmungen zeigt schon ihre vage räumliche Eingrenzung. Aber auch zeitlich waren sie nicht eng umschrieben. Die erste dauerte vier Monate, die zweite vier Jahre. Übrigens ist bemerkenswert, dass im Deutschen im Zusammenhang mit der Atlantik-»Schlacht« auch genauer von U-Boot-»Krieg« gesprochen wird.

      Es steht außer Frage, dass bestimmte Tage außerordentliche Konsequenzen für den Fortgang des Zweiten Weltkrieges hatten. Die zweite Schlacht von El Alamein dauerte länger als einen Tag und war vielleicht kein Wendepunkt in dem Sinne, wie Churchill ihn verstand, aber sie entsprach doch mehr

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