Emscher Zorn. Mareike Löhnert
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Die Beklemmung legte sich wie ein schwarzes Tuch über ihn. Er schaltete das Licht ein und wartete darauf, dass der Schwindel, der ihn ergriff, vorüber ging.
Das kalte Weiß der Möbel, das Weiß des Bodens und der Wände bohrte sich wie Nadelstiche in seine Augen.
Er sah sich als kleiner Junge durch das sterile Haus wandern, auf der vergeblichen Suche nach etwas Lebendigem.
Das schmerzhafte Sehnen nach einem liebevollen Wort, einem Lachen in diesem riesigen Gebäude kam zurück. Seine Hände glitten fahrig über seinen Körper. Ihm wurde kalt.
Geld, alles hatte sich immer nur um Geld gedreht.
Nelu biss die Zähne fest zusammen, schritt langsam zu dem gläsernen Wohnzimmertisch und setzte sich auf das weiße, überdimensional große Ledersofa. Er kramte hektisch das Tütchen und das Metallrohr aus der Tasche seiner Anzughose, zerkleinerte mit seiner Kreditkarte das Pulver, das er auf den Tisch gestreut hatte und zog eine riesige Line. Er stöhnte auf und legte den Kopf in den Nacken.
So war es schon besser. Er fuhr mit dem Finger über die Glasplatte und verrieb die Reste des Pulvers auf seinem Zahnfleisch.
Er sprang auf und tigerte durch das Haus, in dem er aufgewachsen war und noch immer in manchen Nächten schlief, auch wenn er von anwesenden Personen komplett ignoriert wurde.
Hier sprach schon lange niemand mehr mit ihm. In diesem Haus war er ein Geist, der missbilligend akzeptiert wurde.
Seine Eltern würden noch lange nicht nach Hause kommen. Die Partys, die der Golfklub veranstaltete, endeten nie, bevor der nächste Tag angebrochen war.
Sein Blick fiel auf die gerahmten Fotos auf dem Sideboard.
Er betrachtete den kleinen Jungen in Anzug und Krawatte, mit seinem schönen Gesicht, umgeben von Unmengen teurem Spielzeug. Nelu konnte die Verzweiflung und die Angst in seinen dunkelblauen Augen sehen.
Er zog geräuschvoll die Nase hoch und starrte die Bilder an. Mit einer kraftvollen, schnellen Bewegung fuhr sein Arm über das Sideboard und er riss die Fotos zu Boden. Es knirschte, als er die Bilderrahmen mit seinen Füßen zertrat.
Er hastete durch das klinisch saubere Haus, öffnete den Haushaltsraum und holte den großen Vorschlaghammer heraus.
Der erste Schlag gegen den Wohnzimmerschrank, der unter seinem Schwung in tausend Stücke zerbrach, war wie eine Befreiung.
Immer hatte er Druck verspürt. Er sollte höher, weiter, besser sein, als alle anderen Kinder.
Nelu schlug auf das weiße Klavier im Wohnzimmer ein. Die schwarzweißen Tasten stießen jaulende Klimpertöne aus und flogen in alle Himmelsrichtungen.
Wenn sein Vater wüsste, dass er sich inzwischen sein eigenes Imperium aufgebaut hatte. Er hatte es auf seine Weise geschafft, sich Macht, Ansehen und Geld zu verschaffen und er würde es noch weiter bringen, auch ohne den vorgeschrieben Weg des alten, verstockten Mannes zu gehen.
Nach einer Weile hielt er schnaufend inne und sah sich fasziniert in dem Chaos um, das er angerichtet hatte.
Es fühlte sich gut an, doch er musste seine Kräfte sparen.
Er hatte noch viel Arbeit vor sich und Großes vor.
Diesen Volltrottel Jakob, den er kennengelernt hatte, würde er sich so biegen, dass er ihm von großem Nutzen sein würde.
Nelu öffnete mit dem Zahlencode den Safe im Schlafzimmer seiner Eltern und ließ wahllos ein paar Scheine in seine Tasche gleiten. Er stieg über zerbrochenes Glas und die zertrümmerte Einrichtung und verschwand mit einem verklärten Lächeln im Gesicht so lautlos in der Nacht, wie er gekommen war.
Kapitel 11 – Leyla
Leyla umklammerte das Messer so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie hackte auf die Melonenstücke ein, die vor ihr auf dem Tisch lagen, um später eingemacht und verkauft zu werden. Eine Spezialität des kleinen Gemüseladens ihres Vaters. Leyla lachte verbittert auf. Ihr Vater, der Pläne mit ihr hatte. Pläne, mit denen sie ganz und gar nicht einverstanden war. Sie stach weiter auf das wehrlose Obst ein. Das gelbe Fruchtfleisch spritzte in alle Richtungen. Sie würde das später sauber machen müssen. Ihr Vater würde einen Herzinfarkt bekommen, wenn er die Sauerei entdeckte.
Sehnsüchtig sah sie durch das Schaufenster hinaus auf die zugeparkte Blumenstraße. Die schiefen Häuser schienen sich gegenseitig stützen zu wollen, um nicht umzufallen.
Vor dem Fenster erschien dieser Typ von gegenüber. Das Baseballcap konnte sein kreidebleiches, eingefallenes Gesicht und die schwarzen Ringe unter seinen Augen nicht verbergen. Er traf sich mit dem anderen, mit dem, der immer diese Gesichtszuckungen hatte. Geldscheine und Plastiktütchen wechselten ihren Besitzer.
Leyla rückte ihr Kopftuch zurecht und wandte den Blick ab.
Ein Sonnenstrahl hatte sich seinen Weg durch die Fensterfront gesucht, das Messer in ihrer Hand blitzte im Licht auf. Zärtlich strichen ihre Finger über die Klinge.
Messer hatte sie schon immer geliebt.
Sie fuhr zusammen, als sie ein ungewohntes Geräusch vernahm.
Vor dem Schaufenster standen zwei dunkel gekleidete Männer mit Sonnenbrillen.
Leyla kannte jeden dieser irren Typen, die hier ein – und ausgingen, diese Personen waren ihr fremd.
Einer der beiden schüttelte eine Spraydose, der andere klopfte mit dem Fingernagel seines Zeigefingers an die Scheibe und glotzte zu ihr hinein.
»Wenn ihr reinkommt, stoße ich euch das Messer mitten ins Herz, ohne mit der Wimper zu zucken«, zischte Leyla in die Stille des leeren Ladens und riss ihre schwarzen Augen auf. Das Ticken der großen Uhr, die an der Wand hing, schien lauter zu werden.
Einer der Männer begann mit schwungvollen Bewegungen große Buchstaben von außen an die Scheibe zu sprühen.
Leyla knallte das Messer auf den Tisch, stürmte zur Eingangstür des Ladens und riss sie auf.
»Seid ihr nicht ganz richtig im Kopf? Was macht ihr da? Das ist Beschädigung fremden Eigentums«, brüllte sie die Männer an.
Die alte Erna aus dem Haus gegenüber, die wie immer aus dem Fenster schaute und das absurde Treiben auf der Straße beobachtete, lachte laut und klatschte ihr Beifall.
»Richtig so, Mädchen«, rief sie applaudierend, »zeig ihnen, wo es langgeht.«
Der Mann, der an das Fenster geklopft hatte, richtete hinter der Sonnenbrille langsam den Blick auf sie.
Lelya spürte, wie sich ihr Magen zusammenschnürte.
»Wir haben eine Botschaft zu überbringen.«
»Wovon redest du? Was für eine verdammte Botschaft?« Sie hasste sich dafür, dass ihre Stimme zitterte.
»Du hast dich mit dem Falschen angelegt, Süße. Hast den Falschen aus deinem mickrigen Laden geschmissen und mit einer Anzeige gedroht.«
Leylas