Emscher Zorn. Mareike Löhnert
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Kapitel 4 – Tim
Tim König stand neben seinen Kollegen, die ein Spalier am Straßenrand gebildet hatten, und schaute mit gequältem Gesichtsausdruck auf die Fußballfans, die an ihnen vorbeiliefen. Bei manchen torkelnden Gestalten konnte man es kaum Laufen nennen.
Er beobachtete, wie einer dieser gelben Irren sich in einem großen Schwall auf seine eigenen Schuhe erbrach, und wandte schnell den Blick ab.
Wieder einmal mussten sie nach einem Fußballspiel für öffentliche Sicherheit sorgen. Die Hundertschaften, die normalerweise für solche Einsätze zuständig waren, waren abgezogen worden, da in der Nachbarstadt heute Nacht eine groß angekündigte Razzia im Rotlichtbezirk stattfinden sollte. Die Hälfte der Kollegen war im Sommerurlaub, sodass man sogar ihn, der normalerweise ausschließlich Bürodienst machte, hinter seinem Schreibtisch hervorgezogen hatte.
Es war heiß, er schwitzte, und seine Haut juckte unter dem Schutzpanzer. Mit Mühe unterdrückte er ein Gähnen und versuchte krampfhaft, seine Augen offen zu halten, die immer wieder zufallen wollten.
Gestern Nacht hatte er bis zum Morgengrauen gezockt und war endlich bei dem besten Computerspiel der Welt »Warriors of Darkness« im fünften Level angekommen.
Beim Zocken machte ihm so schnell niemand etwas vor, und er brauchte Zeit dafür, egal, ob Markowski ihn nach seinem letzten Krankenschein wieder schief von der Seite angesehen hatte. Jetzt war er schließlich hier, stand wie ein Dominostein in einer Reihe mit den anderen und betete innerlich, dass bloß keiner dieser Fußballidioten austicken würde.
Königs Blick schweifte misstrauisch über die Menschenmenge. Noch war alles ruhig. Wenn dieses Herumgestehe bloß nicht so langweilig wäre.
Hatte er heute Mittag, bevor er zum Dienst ging, eigentlich Jutta, die Katze, die ihm Corinna bei ihrem fluchtartigen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung hinterlassen hatte, gefüttert? König überlegte konzentriert. Doch, beschloss er, er war sich ganz sicher, eine Dose dieses übel riechenden Katzenfraßes geöffnet und in ihre Schüssel gefüllt zu haben. »Rebhuhn mit Erbsen«, hatte auf der Dose gestanden. So etwas Feines bekam er selber nicht zu essen. Sofort begann sein Magen zu knurren. Verstohlen blickte er auf seine Uhr. Es war nach sechs Uhr abends. Wenn nichts Weltbewegendes mehr geschehen würde, wäre vielleicht pünktlich um halb neun Feierabend.
König zuckte zusammen, als plötzlich der schrille Pfiff einer Trillerpfeife direkt neben ihm ertönte.
»Zugriff. Deeskalation. Rechte Seite. Steinmauer«, brüllte eine Stimme. Sein Blick fuhr automatisch nach rechts.
An der Mauer, die den urigen Biergarten umschloss, hatte sich eine Menschenansammlung gebildet, stellte er überrascht fest.
Einige der Leute wichen gerade erschrocken zurück und gaben den Blick frei auf zwei Typen, die in einer Lache Blut am Boden lagen.
»Bist du eingeschlafen, oder was?«, raunzte dieser Schleimer Dressler ihn von der Seite an, »leg einen Zahn zu und schieb deinen Body da rüber. Die Mauer war dein Part der Überwachung. Haste ja toll hingekriegt.«
König schluckte und lief trabend hinter Dressler durch die Menge auf die Mauer zu.
»Gehen Sie aus dem Weg. Polizei!«
Er versuchte, nicht zu würgen, als er durch die Menge trat. Es war viel Blut geflossen. Der ganze Boden schimmerte in einem bräunlichen Dunkelrot. Einer der beteiligten Kerle, dessen Gesicht ähnlich aussah wie das Katzenfutter von Jutta, rappelte sich gerade schwankend vom Boden auf und wurde dabei von seinen beiden Kumpels gestützt, von denen einer heftig aus seiner schief stehenden Nase blutete.
»Kann mir bitte jemand sagen, was hier los war?«, fragte er resigniert in die Runde, nahm den Schutzhelm ab und strich sich müde sein verschwitztes, braunes Haar aus der Stirn.
»Da war so ein Verrückter«, keuchte der Unverletzte der drei Männer, »der ist von hinten auf Thomas drauf gesprungen, wie ein wild gewordenes Tier, ohne Vorwarnung und ohne was zu sagen. Hat auf ihn draufgeschlagen, einfach so. So was hab ich noch nicht erlebt. Ich hasse dieses Dortmunder Gesocks.« Er schüttelte schockiert den Kopf, atmete schwer, als wäre er selbst zusammengeschlagen worden.
König sah ihn schweigend an.
Eine blonde junge Frau trat hervor. »Er hat recht. Ich habe das Ganze beobachtet. Es ging ganz schnell. Die drei standen da, und der«, sie wies mit der Hand auf das zusammengesunkene Stück Mensch in der Blutlache, »der kam angerannt, sprang den einen an, würgte ihn und trat mit dem Fuß nach dem anderen. Als er den einen Mann zu Boden gebracht hatte, kam er in eine Art Blutrausch und schlug auf ihn ein, als würde es um sein Leben gehen.«
»Und dann habt ihr zurückgeschlagen, oder was? Immer schön rauf auf den Dortmunder.«
»Na ja«, meinte der mit der zertrümmerten Nase, »der Typ schien plötzlich wie weggetreten zu sein und glotzte wie hypnotisiert in die Menge, während er vorher nur damit beschäftigt war, Thomas halbtot zu schlagen. Ich habe die Chance ergriffen, ihm eine Flasche über den Hinterkopf gezogen und ihn außer Gefecht gesetzt. Der Typ«, seine Stimme zitterte, »er ist doch nicht tot?«
König trat vorsichtig mit der Schuhspitze in die Rippen des auf dem Boden liegenden Mannes. Ein Stöhnen erklang von unten.
»Nö. Ist er nicht«, erklärte König. »Hat sonst noch jemand was zu sagen, um den Sachverhalt zu klären?« Er sah sich fragend im Publikum um.
Markowski drängte plötzlich seinen haarigen, stämmigen Körper zwischen ihn und die Menge und stieß ihn grob zur Seite.
»So, König. Jetzt lass mal gut sein. Du bist diese Art von Arbeit doch gar nicht gewohnt. Ich übernehme.« Sein Stiernacken glänzte wie immer rot leuchtend, genauso wie sein Gesicht. Er zückte sein Notizbuch und begann mit seinen Befragungen.
Der Rettungswagen kam. Ein Sanitäter warf einen flüchtigen Blick auf die zwei ansprechbaren Verletzten, dann kniete er sich in die Lache Blut auf dem Boden, schob mit den behandschuhten Fingern das Augenlid des bewusstlosen Mannes nach oben und beleuchtete mit einer Lampe seine Pupille. Der Bewusstlose zuckte plötzlich, richtete sich auf, hob seine Hand und krallte die Finger in das schulterlange, gelockte Haar des Sanitäters.
»Fick dich«, schrie er ihn mit geschlossenen Augen an und spuckte dem Mann ins Gesicht, dann sank er zurück auf die Straße.
»Der Mann ist ok«, stellte der Sanitäter fest, räusperte sich und wischte sich den Rotz aus dem Gesicht, »die Wunde ist nicht tief. Ich werde sie desinfizieren, aber nehmen Sie ihn in Polizeigewahrsam. Der Junge muss sich dringend ausnüchtern. Falls Sie morgen eine ungewöhnliche Veränderung seiner Pupillen wahrnehmen, bringen Sie ihn ins Krankenhaus.«
Die Sanitäter verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Dressler, Markowski und König sahen den blinkenden Lichtern des Rettungswagens hinterher. Dann wandten sie ihren Blick der zusammengekrümmten Gestalt auf dem Boden zu.
»Wir müssen ihn mitnehmen«, stellte Markowski fest.
Sie sahen auf den jungen Mann mit den raspelkurzen Haaren und dem schwarzen T-Shirt hinunter.
»Wenn