Emscher Zorn. Mareike Löhnert
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Emscher Zorn - Mareike Löhnert страница 8
»Natürlich habe ich dein Geld für seine Therapie verwendet. Es ging ihm ja auch schon wieder besser. Aber was soll ich sagen, die Ärzte meinten, ein Rückfall könne immer wieder vorkommen, genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet.«
Er stöhnte theatralisch auf.
»Jetzt geht das Ganze wieder von vorne los. Ich werde neues Geld in seine Behandlung stecken müssen. Was?« Er zögerte.
»Ich komme nur, wenn du mir versprichst, mir nie wieder zu unterstellen, dass ich nur auf dein Geld scharf bin. Ich habe auch Gefühle. Margarete, he Engelchen, hör auf zu weinen.« Er wartete einen Moment.
»Ich komme vorbei, dann können wir in Ruhe reden. Bin schon unterwegs.« Er machte albernde Kussgeräusche in den Hörer und steckte das Handy weg.
Jakob starrte ihn entgeistert an. Nelu zuckte entschuldigend mit den Achseln.
»Dumme alte Pute«, erklärte er trocken und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Also, Jakob«, er wirkte abgelenkt, »ich hab was Geschäftliches zu tun. War nett, dich kennenzulernen.«
Jakob spürte eine Leere in seinem Inneren, die wehtat.
Nelu überlegte einen Augenblick.
»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte er dann.
Jakob nickte stumm. Nelu wies ihn mit einer Handbewegung an, ihm zu folgen.
Sie bogen in eine Seitenstraße ein und gingen auf einen alten, verrosteten VW zu. Nelu deutete mit der Hand auf das Fenster des Wagens, das wegen der Hitze einen winzigen Spalt geöffnet war.
»Gut. So ist es am einfachsten«, murmelte er zufrieden.
Er schaute sich kurz nach allen Seiten um, langte dann in seine Schultertasche und zog eine platte, biegsame Eisenstange hervor, die vorne an der Spitze einen kleinen Haken hatte. Mit einem geübten Griff fuhr er mit der Stange durch den Fensterspalt und hebelte professionell in Sekundenschnelle von innen die Tür auf. Er schwang sich auf den Fahrersitz, riss mit einem Ruck unter dem Lenkrad die Kabel aus der Armatur, rieb sie aneinander und startete den Wagen.
»Worauf wartest du? Steig endlich ein«, rief er ungeduldig nach draußen, »geht’s ein bisschen schneller oder bist du eingeschlafen?«
Jakob riss sich zusammen und setzte sich zu ihm in den Wagen.
»Du klaust so einfach ein Auto?«, stammelte er unbeholfen.
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich Rumäne bin. So was lernt man bei uns schon als Kleinkind.« Nelu lächelte versonnen.
»Wo müssen wir denn hin?«
Jakob erklärte stockend, wo er wohnte.
»Wir treffen uns morgen Abend um acht Uhr auf dem Hansaplatz. Sei pünktlich«, befahl Nelu.
Jakob nickte wie eine Marionette, deren Fäden ein anderer zog.
Als sie die Innenstadt hinter sich ließen und Richtung Norden fuhren, er den Fahrtwind durch das Fenster auf seinem Gesicht spürte und sich langsam entspannte, begann ein Gefühl von Freiheit sein Herz zu kitzeln, und das Lachen, das tief aus seiner Brust hervorquoll, war hemmungslos und laut.
Kapitel 6 – Leyla
Leyla Öztürk lehnte in der offenen Tür des kleinen Gemüseladens ihres Vaters und blinzelte in die Sonne. Aus den geöffneten Fenstern ihrer Nachbarn schallte ein wirrer Mix aus Musik durch die Blumenstraße. Türkische Klänge vermischten sich mit deutschem Schlager, aus dem Haus gegenüber dröhnte harter Punkrock. Lelya lächelte. Sie mochte dieses Viertel. Jeder ließ den anderen leben, so wie er war. Zwei Studenten fuhren lachend mit den Fahrrädern an ihr vorbei und winkten ihr zu. In den Getränkehaltern an ihren Rädern steckten Bierflaschen. Auf der anderen Straßenseite malten zwei schmutzige, dünne Kinder mit leidenschaftlicher Energie Kreidezeichnungen auf den Bordstein. Vor der Trinkhalle hatten sich die üblichen Kunden zu einem Schwätzchen verabredet.
Leyla kniff ihre großen, schwarzen Augen zusammen. Den jungen, schlanken Mann, der in seinem eleganten Anzug auf ihren Laden zu schlenderte, hatte sie hier noch nie gesehen. Mit einem herablassenden Lächeln auf seinem schönen Gesicht kam er auf sie zu.
Er strahlte Kälte aus. Leyla kreuzte die Arme vor der Brust und unterdrückte ein Schaudern. Seine dunkelblauen Augen bohrten sich in ihre, als er sich ohne ein Wort zu sagen, an ihr vorbei schob und den Laden betrat.
Leyla folgte ihm misstrauisch, stellte sich hinter die Ladentheke und beobachtete ihn. Verächtlich sah er sich in dem, mit Regalen zugestellten, dunklen Verkaufsraum um. Ein Lichtstrahl fiel durch das Fenster auf die ramponierten Dielen des alten Holzfußbodens und ließ tanzende Staubflocken sichtbar werden. Der fremde Mann passte nicht hierher. Er wirkte in seiner schicken Kleidung und dem perfekt sitzenden, nach hinten gegeelten Haar, zwischen den staubigen Einmachgläsern und den Körben mit Obst, Gemüse und Kräutern wie eine Karikatur. Er nahm einen Apfel in die die Hand und roch daran. Mit einem abfälligen Gesichtsausdruck ließ er ihn von oben zurück in den Korb fallen.
Lelya konnte sich nicht länger zurückhalten. »He, ein bisschen vorsichtiger mit unserer Ware, ja? Die Früchte gehen kaputt, wenn sie so geworfen werden.«
Langsam drehte er sich zu ihr um. Leyla schluckte schwer. Der Mann fixierte sie einen Moment mit kaltem Blick, dann wanderte er weiter durch den Laden und verschwand hinter den Regalen. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Die Stille im Raum war bedrückend. Der Mann tauchte wieder auf und wandte sich der Tür zu.
»Moment mal, Freundchen.« Lelya blickte auf die große Beule in der Sakkotasche des Mannes. »Was hast du da? Hast du was geklaut, oder was?«
»Süße, das würde ich nie tun. Nicht bei einem so bezaubernden Mädchen, wie du es bist. Hab ich auch gar nicht nötig.« Seine melodische Stimme klang angenehm. Sein Gesicht sah hinreißend aus.
Leyla ließ sich nicht täuschen.
Mit schnellen Schritten ging sie zornig auf den Mann zu, bis sie dicht vor ihm stand. Sein Atem roch nach Alkohol.
»Zeig mir, was du in der Tasche hast, sonst rufe ich die Polizei, du Lackaffe«, zischte sie ihn leise an.
Für einen winzigen Moment wirkte der Mann verunsichert, dann verzog sich sein Gesicht vor Abscheu. »Du dumme Schlampe. Das kannst du doch nicht ernst meinen. Weißt du eigentlich, wen du vor dir hast?«
»Das interessiert mich nicht«, sie griff an ihm vorbei und stieß die Tür auf, »gib die Ware zurück und dann hau ab. Du hast hier Hausverbot.« Ihre Stimme wurde lauter.
»Leyla, gibt es Ärger? Brauchst du Hilfe?« Der psychisch kranke Kurt, der dreimal am Tag mit seinen drei kläffenden Pekinesen sein Haus verließ und einen Spaziergang durch das Hafenviertel machte, steckte seinen riesigen, kahlen Kopf durch die Tür.
»Tasche auf«, brüllte Leyla außer sich vor Zorn.
Es ging hier nicht um etwas Obst, es ging um ihre Ehre. Die Stammkunden der Trinkhalle versammelten sich vor dem Eingang des Gemüseladens.
»Tu, was sie sagt!«, schrie Horst, mit dem aufgeschwemmten Gesicht von draußen,