Emscher Zorn. Mareike Löhnert

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Emscher Zorn - Mareike Löhnert

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Meute vor der Tür, dann griff er in die Tasche seines Sakkos und zog zwei Orangen daraus hervor, die er auf die Holzdielen fallen ließ.

      »Das wirst du bereuen, Bitch«, stieß er zwischen zusammengepressten Lippen hervor. Als er eilig verschwand und mit großen Schritten die Blumenstraße entlanglief, schallte der Applaus und das Johlen von Leylas Nachbarn noch eine ganze Weile durch die engen Häuserschluchten.

      Leyla ahnte nicht, welches Nachspiel ihr Handeln haben würde.

      Kapitel 7 – Jakob

      Den gesamten Montag war Jakob aufgeregt und fieberte dem Treffen mit Nelu entgegen. Ruhelos spazierte er in der Wohnung auf und ab und wusste nichts mit sich anzufangen.

      Jesus auf dem Bild verfolgte ihn mit so erzürnten Blicken, dass Jakob sich sicher war, lodernde Flammen in seinen Augen zu erkennen. »Fick dich«, murmelte er und ging ins Wohnzimmer.

      »Hase, heute Abend mache ich uns etwas Feines zu essen. Was meinst du?« Mutters Augen waren von der vielen Fernglotzerei ganz klein und rot unterlaufen.

      Jakob würgte, als er an dicke Bohnen mit Speck, Schlodderkappes oder andere westfälische Gerichte dachte.

      »Wie siehst du eigentlich aus?« Sie musterte sein Gesicht und die aufgeschürften Knöchel seiner Hände.

      »Hab mich beim Sport verletzt«, erklärte Jakob schnell.

      Wie immer ließ sie sich schnell beruhigen. In ihrer kleinen rosaroten Welt musste alles in Ordnung sein. Die Seifenblase, in der sie lebte, durfte keine Risse bekommen.

      »Ach ja. Bei körperlicher Ertüchtigung kann so was schon mal passieren. Finde ich gut, dass du versuchst, etwas für deine Gesundheit zu tun. Sei nur das nächste Mal ein bisschen vorsichtiger, ja?« Ihr Lächeln wirkte debil. »Und wo warst du Samstagnacht?«, fuhr sie fort und kicherte albern, »bei deiner Liebsten? Hast du die Nacht bei ihr verbracht?« Sie sah ihn erwartungsvoll an.

      »Ja, ich habe jemanden kennengelernt«, erwiderte er knapp, »aber mehr erzähl ich dir nicht, das kannst du vergessen.«

      Immerhin musste er nicht lügen, auch wenn sie sich wohl etwas anderes unter seinen Worten versprach.

      »Oh Hase, wie schön«, sie jubelte, »ich will sie kennenlernen. Bitte tu mir den Gefallen und stell sie mir bald vor. Du hattest schon immer Schwierigkeiten, Kontakt zu anderen zu finden, hattest nie Freunde oder Freundinnen, nicht mal als Kind. Du warst immer so allein, und jetzt hast du endlich ein nettes Mädchen gefunden, das dich versteht. Ich freue mich so.« Euphorisch klatschte sie in die Hände.

      »Alles ist in Ordnung, Mutter«, sagte er müde, »ich geh mal unter die Dusche und ich habe keinen Hunger, bin später noch weg.«

      Sie kicherte und zwinkerte ihm vielsagend zu, dann tappte sie wie in Trance zurück zum Sofa, ließ sich schwerfällig darauf hinabsinken und widmete sich wieder dem Fernseher.

      Endlich saß Jakob mit klopfendem Herzen im überfüllten Bus und lehnte seinen heißen Kopf an die Fensterscheibe. Seine Hände zitterten und eine leichte Übelkeit breitete sich in seinem Magen aus. Es war lächerlich, aber er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal verabredet gewesen war.

      Am von Menschen überfüllten Hansaplatz angekommen, entdeckte er Nelu sofort. Er zog jeden Blick auf sich. Mit undurchdringlicher Miene saß er in seiner maßgeschneiderten Kleidung mittig auf den breiten Steintreppen und musterte mit abschätzendem Blick die Passanten, die einen respektvollen Abstand zu ihm einhielten.

      Jakob eilte auf ihn zu. Nelu wirkte angespannt und nervös. Seine Kiefermuskeln zuckten.

      »Nicht gut drauf heute?«, fragte Jakob leise und sah ihn von der Seite an.

      »Nicht der Rede wert. Nur eine kleine Schlampe, die mich ein bisschen auf die Palme bringt. Keine Sorge, sie wird schon bekommen, was sie verdient.« Endlich lächelte er.

      Eine Weile hockten sie nur da und beobachteten die Leute, die an ihnen vorübereilten.

      Die Menschen in der Fußgängerzone wirkten wie Drogenabhängige, wie sie mit verklärtem Blick von einem Geschäft ins nächste taumelten, die Arme fest um ihre vollen Einkaufstüten geschlungen. Wie immer war die Innenstadt überlaufen. Das Ballungszentrum Ruhrgebiet. Zu viele Menschen, auf zu wenig Platz.

      »Die tun mir leid, diese mickrigen, kleinen Gestalten«, Nelu fuhr sich mit der Hand durch sein glänzendes Haar, »malochen den ganzen Tag von früh bis spät, verbraten dann ihren kümmerlichen Lohn, um sich unnütze Konsumgegenstände zu kaufen, und versuchen sich einzureden, dass sie das glücklich macht. Abends Fernsehprogramm und wenn’s gut läuft ein kleiner Fick mit der Alten.« Er spuckte angewidert auf die Straße. »Das kann doch nicht alles sein. Das Leben ist doch viel zu kurz, oder?«

      Er sah Jakob an, der zustimmend nickte.

      »Aber nicht mit mir«, stieß Nelu grimmig hervor, »ich werde irgendwann am Strand sitzen, mit einem Drink in der Hand auf das Meer schauen und es mir gut gehen lassen. Warst du schon mal in Italien?«

      Jakob druckste herum und sah zu Boden.

      »Mallorca«, flüsterte er kaum hörbar.

      »Was ist los? Ist doch auch geil. Aber in Italien gibt es das beste Essen der Welt, und die Italiener sind ein echt entspanntes Volk. Was hast du?«

      »Kein cooler Urlaub gewesen damals«, Jakob räusperte sich.

      Nelu musterte ihn, sagte aber nichts. Die Gesprächspausen waren nicht unangenehm.

      Ein etwa 14-jähriges, blasses Mädchen drückte sich seit einiger Zeit neben ihnen herum. Sie rutschte, die Finger um die Treppenstufen gekrallt, als wolle sie sich daran festhalten, näher an Nelu heran.

      »Was?«, fuhr Nelu sie plötzlich an, »was zum Teufel ist los, Luisa?« Seine Augen wurden zu engen Schlitzen, als er ihr wütend ins Gesicht starrte.

      Das Mädchen schreckte zurück. Sie zitterte so stark, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen.

      »Vadym, ich will heute nicht schon wieder zu Paul gehen«, flüsterte sie mit piepsender Stimme.

      Sie schien all ihren Mut gesammelt zu haben, um diese Worte auszusprechen. Dem Mädchen begannen Tränen über das Gesicht zu laufen.

      Nelu blickte sie kalt an und zeigte keine Regung.

      »Natürlich gehst du«, zischte er gefährlich leise.

      »Ich will nicht«, schluchzte sie, »Paul ist gemein zu mir. Er tut mir immer entsetzlich weh. Günther ist viel netter. Kann ich nicht zu Günther gehen?«

      »Wenn du nicht zu Paul gehst, siehst du mich nicht wieder. Er hat extra nach dir gefragt.«

      Sie riss ihre Augen auf und starrte ihn entsetzt an.

      »Wenn du nicht gehst, dann werde ich deine Schwester kennenlernen und mich nur noch ihr widmen«, fuhr Nelu ruhig fort.

      »Natalie ist acht«, kreischte Luisa, und ihre Stimme überschlug sich, »die kann dir noch keinen Gefallen tun.«

      Nelu lächelte.

      »Aber

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