Limoncellolügen. Gudrun Grägel
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Читать онлайн книгу Limoncellolügen - Gudrun Grägel страница 6
»Das ist kein Vorwurf«, schieb ich schnell nach. »Ich will nur wissen, was genau passiert ist.«
Ich knie neben Adriano und versuche, mir ein Bild von dem Desaster zu machen. Ich mein, ein Toter im Pool, das ist schon eine Nummer.
»Ich habe Adriano mit dem Handy gerufen. Da war kein Puls mehr, die Augen … da war nichts mehr.« Er schluckt.
Extrem! Ist doch völlig normal, dass man fertig ist, wenn man nichts ahnend in aller Früh statt dem Poolreiniger eine Leiche im Schwimmbecken findet.
»Okay, aber …«
Der alte Rinaldi schiebt sich vor. »Basta, signorina!«, bellt er. »Was soll die Fragerei? Der Arzt kommt und die Polizei, die übernehmen das hier. Und Sie geht das nichts an!«
Mann, was war das denn? Ich schau ihn entgeistert an. Kann ich doch nichts dafür, dass es hier einen Toten gibt!
Greta baut sich vor ihrem Schwiegervater auf. Sie holt tief Luft und explodiert dann förmlich, auf jeden Fall wird sie ziemlich laut.
»Wir müssen wissen, was passiert ist. Die Polizei wird sowieso nachforschen. Also warum soll Doro nichts fragen? Und außerdem hab ich auch eine Frage.« Jetzt nimmt sie Niveo ins Visier. »Du hast gestern Nachmittag mit diesem Mann gestritten. Um was ging es da?«
»Wir haben nicht gestritten! Wir haben uns über den rücksichtslosen Autofahrer aufgeregt, der diesen Mann da«, Niveo zeigt auf den Toten, »von der Straße gedrängt hat. Hat ganz schön was abbekommen bei dem Sturz«, sagt Niveo und deutet auf die Schürfwunden am linken Arm und am linken Oberschenkel. Ich habe ihm abgeraten, Anzeige zu erstatten. Er hat keine Autonummer, und was soll das bringen?«
Ach so, deshalb sieht der so lädiert aus, denk ich und seh das Bild vor mir jetzt mit anderen Augen.
»Der Typ wollte heute …«
»Der Typ heißt Julian Weigel, verdammt, er hat einen Namen!«, ruft Greta, und Hysterie schwingt in ihrer Stimme mit.
»Genug jetzt! Haltet den Mund! Alle beide«, brüllt Gretas Schwiegervater.
»Du«, er erdolcht Greta fast mit dem Zeigefinger, und seine Augen schießen böse Blitze, »du hast meinen Sohn geheiratet, du gehörst zur Familie, ob du oder wir das wollen oder nicht. Also halt den Mund. Wir alle leben vom Hotel und können keinen Ärger gebrauchen. Wir haben Gäste und die zahlen für erholsame Tage, verstanden?«
Greta wird abwechselnd rot und blass und verstummt. Das war eine verbale Watschn in Reinform – die allerdings Gretas Hysterie im Keim erstickt. Ich steh auf und leg ihr solidarisch die Hand auf den Arm.
Wir schweigen und warten. Aus der Ferne nähern sich Sirenen. Also doch. Wir tauschen einen resignierten Blick. Dann verstummt das Geheul und zwei Minuten später fährt ein Krankenwagen vors Hotel, gefolgt von den Carabinieri.
»Sehr vernünftig, hätte ich eindeutig dagegen gewettet«, flüstere ich Greta ins Ohr.
»Hier lebt jeder vom Tourismus«, sagt sie, als würde das alles erklären. Tut’s ja eigentlich auch, wie Rinaldi eben eindrucksvoll demonstriert hat.
Die beiden Carabinieri lassen dem Arzt und den Sanitätern den Vortritt. Sie stellen sich zwei Meter abseits, unterhalten sich leise, zeigen hierhin und dorthin. Der Arzt steht auf und wendet sich an die Polizisten. Sie schauen zu dem Toten, reden. Einer der Beamten kommt zu uns rüber, spricht mit Gretas Schwiegereltern. Und mit Niveo. Der hat den Toten schließlich gefunden.
Sie sprechen schnell, aber ich versteh das meiste. Jedenfalls erzählt Niveo von dem Unfall am Vortag, welcher die meisten der Schürfwunden am Körper erklärt.
Der Carabiniere nickt. »Der Arzt stellt den Totenschein aus. Unfall. Vermutlich wollte der Mann ins Wasser springen, ist ausgerutscht und hat sich dabei den Kopf am Beckenrand gestoßen.« Er zeigt auf die Wunde am Hinterkopf des Toten.
»Vielleicht wurde er bewusstlos und ist deshalb ertrunken.« Der Beamte zuckt mit den Schultern.
»Trotzdem müssen wir die Unfallstelle untersuchen. Die Kollegen von der Spurensicherung werden gleich da sein.« Der Carabiniere schaut auf die Uhr.
»Tut mir leid, ist ärgerlich für euch, aber wir beeilen uns. Wenn die Kollegen nichts Besonderes entdecken, kannst du deine Gäste nach dem Frühstück wieder an den Pool lassen«, sagt er zu Vittorio Rinaldi, Gretas Schwiegervater.
»Danke, Mario.« Ein Handschlag unter Männern.
Aha, man kennt sich.
Mario Forti, seines Zeichens Capitano der Carabienieri, nickt den Sanitätern zu.
Die holen die Trage, legen den Toten darauf, verhüllen ihn mit einer Rettungsdecke und ziehen mit ihm ab. Ohne Leichenwagen … Wohl ebenfalls wegen der Touristen.
»Wir brauchen noch die Personalien des Toten. Die Angehörigen müssen verständigt werden. Darum kümmern wir uns.«
Vittorio nickt. Erleichtert. Dann im Militärton zu Greta: »Druck die Unterlagen für Mario aus.«
Kurzer Blickwechsel mit mir, dann huscht sie Richtung Rezeption davon.
Fünf Minuten später hält Mario Forti die Daten des Toten in den Händen, zwei Leute von der Spurensicherung fotografieren den Unfallort, untersuchen den Boden, eine Aktion von maximal zehn Minuten. Ist ja nur eine Formsache.
»Gehört das dem Mann?«, fragt Forti und zeigt auf ein Kleiderbündel auf einem der Liegestühle an der Stirnseite des Pools.
Vittorio schaut kurz rüber. »Ich denke schon«, sagt er.
»Dann packt das ein«, weist Mario Forti seine Männer an.
»Si, capitano«, meldet der Kollege.
»Du musst bei Gelegenheit noch das Protokoll unterschreiben und dein Koch auch, ich gebe dir Bescheid«, wendet sich der Capitano an Vittorio und hebt abschließend die Hände. »Dann werde ich mich auf den Weg machen. Wir melden uns.«
»Grazie, Mario.«
Nochmals ein fester Händedruck. Mario nickt Francesca zu, wir anderen sind unwichtig.
»Wie spät ist es?«, flüstere ich Greta ins Ohr. Laut zu reden, scheint irgendwie unpassend.
»Halb Sieben.«
Okay. The show must go on.
»Niveo, höchste Zeit fürs Frühstück«, reiß ich meinen Assistenten in Normallautstärke aus der surrealen Stimmung.
Aufbruchsignal für alle.
»Adriano, du machst hier alles sauber«, bestimmt Vittorio Rinaldi und verschwindet mit seiner Frau Richtung Rezeption.
Keine Frage, wer hier der Chef ist. Ist mir letztes Jahr gar nicht so aufgefallen.
Adriano bleibt hier, wir anderen eilen zum Haus.
Die Tische im Speisesaal sind schon am Vorabend eingedeckt worden, Greta und Mia servieren, Niveo und ich übernehmen den