Limoncellolügen. Gudrun Grägel

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Limoncellolügen - Gudrun Grägel

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      »Essen musst du mit Adriano besprechen. Küche ist sein Kompetenzbereich. Obwohl, eigentlich macht Valdo das selbstständig. Aber der fällt ja aus«, resümiert Greta und geht Papier und Stift holen.

      Selbstständig. Ein Wort, das ich liebe. Adriano wird schon sagen, wenn ihm was nicht passt.

      Okay. Brotauswahl – könnte besser sein, aber da gibt’s Verträge, lass ich lieber so, wie’s ist. Die Marmeladen in den kleinen Portionsplastikbehältern gehen gar nicht, die Fertigprodukte in dem seltsamen Spender sind auch nicht der Hit. Mal schauen – ein paar Früchte, und die sind ratzfatz selber gemacht. Könnte eine Aufgabe für Gretas Schwiegermama sein, und wenn sie persönlich keine Lust hat, kennt sie bestimmt Frauen, die sich ein paar Euro dazuverdienen wollen. Marmelade aus der Region, so was kommt an bei den Gästen. Genauso regionaler Honig. Muss ich eruieren. Kuchen übernehm ich selber, auf jeden Fall nicht mehr die matschige Pampe von heute Morgen. Säfte find ich auch grenzwertig, dünne Brühe, aber gut, ich weiß, das ist ne Preisfrage … Und für den Brand vom Vorabend gibt’s Acqua minerale, frizzante und naturale. Was mir fehlt, Preis hin oder her, ist Prosecco, gratis natürlich … Hebt eindeutig die Stimmung der Gäste, ist im Einkauf erschwinglich und bringt einen Hauch von Luxus. Auf die paar Gäste, die randvolle Gläser nach draußen tragen, kommt’s nicht an … Werd ich Adriano fragen, muss ja nicht der Teuerste sein.

      Apropos Prosecco. Greta bringt Papier und Stift und findet die Idee mit Prosecco auch gut – und zwar für uns, nicht für’s Büfett! Ich schreib mir ein paar Stichpunkte auf, Greta holt die Gläser, ich meine Zigaretten. Greta raucht nicht, ich schon, gelegentlich, so wie jetzt …

      Ich lehn mich zurück und verschränke die Arme hinterm Kopf. »Du hast es echt schön hier«, sag ich zu Greta. »See, Pool, Sonne … eigentlich Dauerurlaub.«

      »Hast du ne Ahnung«, seufzt Greta, »von wegen Urlaub und Hauptgewinn.«

      Dann verstummt sie. Und meine Tiefenentspannung verschwindet im Nirwana.

      Ich setz mich auf. »Was ist los? Raus mir der Sprache! Hast du Probleme? Hast du deshalb geheult, letztes Mal am Telefon?«

      »Ach, Doro«, jammert Greta. »Es läuft gerade alles schief in meinem Leben. Ich hätte nicht nach Italien ziehen sollen. Hier will mich keiner. Schon gar nicht Adrianos Familie.« Greta schaut mich an, als würde ein Widerspruch meinerseits alles ins rechte Licht rücken.

      »Wie kommst du darauf?«, tu ich ihr den Gefallen und frag nach. Ein bisschen konkreter muss sie schon werden.

      Sie schnieft. »Du hast es doch mitbekommen, heute früh am Pool. Als wäre ich schuld an dem ganzen Desaster.«

      »Ach komm, dein Schwiegervater war gestresst. Und das versteh ich sogar. Ich mein, der Tote und die Folgen, die daraus entstehen könnten. Die Angst, dass die Gäste was mitbekommen, dass ihm womöglich irgendeine Fahrlässigkeit angehängt wird …«

      »Das ist es nicht. Adrianos Eltern waren entsetzt, als ihr Sohn eine Deutsche geheiratet hat. Ich kann mich anstrengen, wie ich will, sie sind nie zufrieden. Immer heißt es: Isabella hat das so gemacht, Isabella wollte das nicht so haben … Isabella, Isabella … bla, bla, bla«, stößt Greta bitter hervor.

      Ist mir lieber, wenn sie wütend ist, als wenn sie heult.

      »Isabella ist Adrianos Exfrau?«, kombiniere ich messerscharf.

      Greta nickt und starrt auf ihre Hände. »Und sie sieht auch noch megagut aus«, seufzt sie und lacht unglücklich.

      »Gibt’s Grund zur Eifersucht?«, frag ich, weil’s ja nicht das erste Mal wäre, dass alte Liebe wieder aufflammt.

      Greta schüttelt den Kopf. »Nein, das nicht, aber sie schneit alle paar Wochen hier rein und bringt alles durcheinander. Da kann man nichts machen, sie ist die Mutter von Laura und Davide.«

      »Wieso sind die Kinder eigentlich nicht bei ihr?«

      »Die wären ihr nur im Weg. Als Model ist sie viel unterwegs. Und Adriano würde das niemals zulassen.«

      Model – wie die Freundinnen von Paps. Muss ein Virus sein. Ich schüttle den bösen Gedanken ab.

      »Aber er lässt zu, dass du unglücklich bist«, stelle ich schonungslos fest.

      »Er sitzt halt zwischen den Stühlen«, sucht Greta nach einer Entschuldigung.

      Aber das lasse ich nicht gelten.

      »Hallo! Dein Mann soll sich gefälligst auf deinen Stuhl setzen!«

      Meine Empörung muntert Greta auf. Sie nimmt ihr Glas und prostet mir zu. »Salute, Doro. Schön, dass du da bist.«

      »Salute. Ja, ich freu mich auch«, sag ich und mein es auch so.

      »Tut einfach gut, mit einer Freundin zu reden. Doppelt schön, weil wir uns nach der Schule ewig nicht gesehen haben … erst wieder im letzten Jahr … Und du bist trotzdem gekommen.«

      Tja, Greta spricht aus, was ich mir auch schon gedacht habe.

      »Wir waren nie die typischen Mädels, mit Händchenhalten, Tagebuch und Kicherpartys.«

      »Stimmt«, lacht Greta, »wir haben uns lieber mit Kopfhörern im Zimmer verbarrikadiert und gelesen. Oder mit der Gitarre in den Englischen Garten verdrückt.«

      »Ich hab oft Paps in der Küche geholfen. Hat mir Spaß gemacht.«

      »Ja, und alle haben für den tollen Sascha Ritter geschwärmt und wollten dich als Freundin. Da war ich immer ein bisschen eifersüchtig.«

      »Auf wen? Auf Paps oder auf mich?«

      Wir lachen beide. Ich vor allem, weil ich Paps vor mir sehe, wie er geschmeichelt Autogramme verteilt.

      »Felli war total in deinen Vater verknallt.« Greta kichert.

      »Ich glaub, das ist sie heute noch.« Ich kichere auch – eben doch Mädelsgequatsche, denk ich – und lästere fröhlich weiter. »Sie taucht immer mal wieder im ›Macis‹ auf, und so, wie sie ihm hinterherschmachtet … Ohne Worte!«

      »Wieso eigentlich ›Macis‹? War’s früher nicht ›Saschas‹? Seid ihr umgezogen oder so?«

      »Nee …« Jetzt bin ich in der Zwickmühle. Klar, früher hieß Papas Gourmettempel »Saschas«. Und der Grund, warum das nicht mehr so ist … Paps würde mir den Kopf abreißen. Andererseits find ich es blöd, Greta die offizielle Version von Modernisierung bla, bla, bla zu servieren. Ich geb mir nen Ruck. Was soll’s, Greta lebt hier in Italien.

      »Macis, die Muskatblüte. Paps ist ein absoluter Muskatfan, die Idee hat ihm schon lange gefallen, aber eine bewährte Marke umzubenennen, macht man nicht einfach so, und …«, ich zögere kurz, »okay, es war so: Paps hat eine Bemerkung von nem Gast aufgeschnappt. Der hat beim Rausgehen übersehen, dass der Chef und seine Tochter an der Speisekarte am Eingang zugange waren, und hat böse über den Namen abgelästert. Sachen wie: ›Saschas‹ klinge nach Bordell auf der Reeperbahn oder der Besitzer sei schlicht und einfach ein selbstverliebter Egomane. Er solle sein Lokal besser ›Narziss‹ nennen …«

      »Na, immerhin kennt der sich in der griechischen Mythologie aus«, spottet Greta.

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