Limoncellolügen. Gudrun Grägel

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Limoncellolügen - Gudrun Grägel

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verwendet, aber niemals Spaghetti.

      »Ja, ja, alla tedesci, ich weiß«, mein ich augenzwinkernd. »Wisst ihr, mein Paps würde sich eher die Hand abhacken, bevor er dazu Spaghetti servieren würde. Einmal hat ein Gast gewagt, sich beim italienischen Büfett über die dazu gereichten Rigatoni zu beschweren. Ihr hättet sehen sollen, wie Paps’ Miene zum Eisblock mutierte. Seine Zornader an der Stirn hat pulsiert und ich kenn ihn. Das war Mount Ritter kurz vor dem Ausbruch.« Bei der Erinnerung daran muss ich so lachen, dass ich alle damit anstecke. Die Gäste schauen schon neugierig rüber.

      »Apropos«, sag ich, wieder auf dem Boden der Tatsachen, »wieso bieten wir nicht mal nen original italienischen Abend? Ich denke, die meisten Gäste würden das lieben!« Die Begeisterung geht mit mir durch.

      »Mal langsam, Mädchen«, stoppt Vittorio meinen Enthusiasmus. »Wir haben genug Arbeit, das wirst du schon noch merken. Da brauchen wir keine Extratouren. Außerdem sind wir original genug.«

      Hab ich’s mir wieder versaut? Nee, glaub nicht, Vittorio lächelt mich milde an, wie ein Kind halt, das man in die Schranken weisen muss. Tja, das Los meines Alters, dazu eine Prise Genderproblematik eines italienischen Machos. Werd mich wohl ziemlich ins Zeug legen müssen, um den Alten von meinen Qualitäten zu überzeugen. Haha, packt mich da gerade der Ehrgeiz?

      Die Küchenuhr rasselt.

      »Scusa, ich muss den Kuchen aus dem Backrohr holen«, entschuldige ich mich, schieb die letzte Gabel Tagliatelle in den Mund und spring in die Küche.

      Niveo folgt mir mit den leer gegessenen Tellern, begleitet von Mia.

      »Pfirsiche an Soße Doro«, serviert er zwei Minuten später. »Müsst ihr probieren, schmeckt klasse.« Er schaut todernst.

      Aha. Ich grinse. Er auch.

      Meine Dessertsoße ruft allgemeine Begeisterung hervor.

      »Wie wär’s jetzt mit einem Gläschen Ihres berühmten Limoncellos?«, frag ich Vittorio.

      Ein geschmeicheltes Lächeln entkommt ihm.

      »Mia, hol die Flasche und Gläser, per favore!«, schickt er seine Tochter los.

      »Salute«. Ich schnuppere am Glas. Superzitronig. Der Limoncello fließt kalt, süß und sehr fruchtig die Kehle runter.

      »Hmmh, echt lecker! Schmeckt viel besser als der, den ich in der Küche gefunden habe«, lobe ich begeistert und mein das auch so.

      »Familienrezept.« Vittorio ist sichtlich stolz.

      Na also, geht doch, denk ich zufrieden.

      Ein schöner Abend, aber langsam werde ich müde und will meine Ruhe.

      »Buona notte«, wünsch ich in die Runde und steh auf.

      Adriano geht rüber zu den Gästen, die anderen bleiben noch sitzen.

      Okay, war ein langer Tag. Hab mir eine Flasche Mineralwasser mit hochgenommen, die klemm ich mir unter den Arm und geh raus auf den Balkon. Aschenbecher steht auf dem kleinen weißen Plastiktisch, der Stuhl aus demselben Material war auch schon mal weißer, wie mir heute Nachmittag aufgefallen ist. Aber das schluckt jetzt die Nacht. Ich drück Vinc’ Kontakt. Da alle andern noch unten sind, gehe ich davon aus, ungestört telefonieren zu können. Kontrollblick zu den angrenzenden Zimmern, ist alles dunkel. Trotzdem rede ich sehr leise, als ich Vinc von den Ereignissen des Tages erzähle. Hauptthema ist der Unfall. Logisch. Beschäftigt mich sehr.

      »Weißt du, die haben den Mann abtransportiert, Hauptsache, keiner kriegt was mit«, sag ich traurig.

      »Doro, Schatz, klar ist das tragisch, aber so was passiert eben. Und dass die Polizei Rücksicht auf den Hotelbetrieb nimmt, finde ich nicht verkehrt.«

      Ich seufze. »Das weiß ich ja, aber trotzdem, ich war vorhin noch kurz unten am Pool … Iieh, was ist das?«, ruf ich erschrocken und wedle abwehrend mit den Händen. Beinahe wär mir das Handy runtergefallen.

      »Was ist los?«, fragt Vinc, klingt aber nicht sonderlich besorgt.

      »Hallo! Ich werde hier von einer Armada Schwalben oder so angegriffen und du lachst?«, schimpf ich empört.

      »Bestimmt ein paar Fledermäuslein«, spottet Vinc. »Die waren letztes Jahr doch auch da, mein kleiner Schisser, erinnerst du dich?«

      »Echt? Fledermäuse? Meinst du?« Stimmt, ich erinnere mich … Weiß auch nicht, weswegen ich Gänsehaut kriege. Alte Gruselgeschichten aus der Kindheit wahrscheinlich. Wie sich Fledermäuse wie Kaugummi in den Haaren verfangen …

      »Und wegen des Unfalls«, Vinc’ Stimme schiebt sich wieder in den Vordergrund, »Doro, du hörst das Gras wachsen. Lass es gut sein und wirbel keinen Staub auf, wo keiner ist.«

      »Wird Zeit, dass du kommst, mein Held und Beschützer«, witzle ich liebevoll. »Ich freu mich auf dich. Bussi.«

      »Bussi, bleib brav, bis übermorgen.« Ich hör sein leises Lachen, bevor er auflegt. Ein angenehmes Kribbeln breitet sich in mir aus.

      Kapitel 4

      Segreti – Geheimnisse

      Martedi (Dienstag) – 28. August

      In aller Früh tauchen die Eltern von Julian Weigel auf. Rote, verquollene Augen, traurig, fassungslos. Julians Freundin steht stumm dabei. Sie wollen ihren Sohn, ihren Verlobten nach Hause holen. Abschied nehmen, an dem Ort, an dem er gestorben ist. Die drei werden von einem Sergente begleitet. Einige Gäste sitzen bereits beim Frühstück und schauen neugierig zu dem traurigen Grüppchen, das gerade durch den Garten Richtung Pool zieht, dahin, wo das Unglück geschehen ist.

      Bis auf ein paar bunte Handtücher auf einigen Liegen ist der Poolbereich verlassen.

      Ein kleines Mädchen steht auf der Terrasse und schaut zu der Gruppe rüber.

      Unter uns gedrückte Stimmung, keine Scherze in der Küche, das gebietet der Respekt vor dem Toten. Auch wenn wir ihn kaum gekannt haben. Die tiefe Trauer der Eltern und der jungen Frau schlägt uns aufs Gemüt. Adriano und Greta gehen rüber zum Pool, Niveo, Mia und ich übernehmen den Frühstücksbetrieb. Die eine oder andere Frage an Mia, die bedient. Ein bedauerlicher Trauerfall, sagt sie freundlich, aber in einem abschließenden Tonfall, der jegliche Nachfrage verbietet. Außerdem überlagert das Bedürfnis nach ungetrübtem Urlaub die Sensationslust, und so plätschert das Gemurmel im Speisesaal bald in gewohnten Bahnen. Die erweiterte Brotauswahl, der selbst gebackene Kuchen und vor allem der Gratisprosecco rufen allgemeine Begeisterung hervor. Hab ich’s nicht gewusst? Ich zwinkere Niveo zu, als eine ältere Dame ein gut gefülltes Glas Prosecco in der einen Hand, in der anderen Kaffeetasse samt Unterteller Richtung Terrasse jongliert, wo sie dann eine Zigarette aus dem hundertwasserbunten Etui zieht und auf ihrem Smartphone surft, während ihr Mann mit Kaffee und Bildzeitung folgt. Urlaubsidylle.

      Neben Spiegelei-, Rührei- und Schinkenbruzzeln, werf ich einen Blick auf das Abendmenü. Valdo Carlotti hat angeboten, sich um die Bevorratung und Einkaufsliste zu kümmern, was mir sehr gut passt, auch mit Blick auf Vinc, der morgen kommt, da schadet Unterstützung in der Küche nicht.

      »Oh Mann!« Greta kommt mit gerötetem Gesicht in die Küche. »Mir hat’s grade schier das Herz zerrissen. So was wünsch ich meinem

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