Limoncellolügen. Gudrun Grägel
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Читать онлайн книгу Limoncellolügen - Gudrun Grägel страница 14
Ich steh auf. »Ich peil mal die Lage«, sag ich und geh zur Gästeterrasse rüber. Greta ist inzwischen aufgetaucht und hat den Service übernommen.
»Buon giorno, signori. Tutto bene?«, frag ich scheinheilig.
»Grazie mille, signorina. Und selbst?«, kommt es mit charmantem Lächeln retour.
Das können sie, die Italiener. Fühlt man sich immer gleich viel schöner!
»An so einem herrlichen Tag muss es einem ja gut gehen«, schmalz ich mit einer ausladenden Handbewegung auf gleicher Ebene mit.
Wir plänkeln ein bisschen hin und her.
»Il conto, per favore«, ruft der eine Greta zu.
Aha, das Gespräch scheint beendet, die beiden waren bei den anderen Gästen wesentlich redefreudiger, denk ich und setz mich wieder zu Valdo.
»Keine Ahnung, was die hier wollen, die labern bloß belanglos herum«, informiere ich ihn. »Die reden so ähnlich wie Niveo, find ich.«
Valdo schaut mich alarmiert an. »Vom Süden?«
»Keine Ahnung, da darfst du mich nicht fragen. Bei dem Dialekt versteh ich wesentlich weniger als normal. Niveo strengt sich immer an, wenn er mit mir redet und er kann ja auch recht gut Deutsch.«
»Hmm …« Valdo reibt sich nachdenklich das Kinn.
Ich beug mich vor. »Meinst du … Mafia?«, flüstere ich ungläubig. Sensationslüstern, würde Vinc sagen. Ich grinse heimlich und mein Herz schlägt ein, zwei Takte schneller. Ausnahmsweise nicht wegen Vinc, eher wegen der Gedanken an die Mafia …
»Wer weiß. Fangen die jetzt hier auch schon an, verdammt!«, presst Valdo zwischen den Zähnen hervor, anstatt mich zu beruhigen. Er springt auf.
Ich habe Angst, dass er Ärger macht, aber er dreht ab und verschwindet in der Küche.
Die beiden Mafiosi, wie ich sie für mich nenne, verlassen die Bühne. Aus der Küche hör ich Valdo. Ich geh hinein.
»Die belästigen die Gäste«, schimpft er. »Sind aus dem Süden, wie du«, schmeißt er grade Niveo provozierend an den Kopf.
»Aha! Und alle Süditaliener sind von der Mafia, oder was? Und Sizilianer sowieso. Mach dich nicht lächerlich«, weist Niveo den Vorwurf scharf zurück. Er ist auf einmal total bleich, schielt durch den Vorhang, aber die Typen sind längst weg.
Fast witzig, denk ich, wenn die beiden nicht so … ernst dreinschauen würden. Bayern – Norddeutsche, Nord- und Süditaliener … überall das Gleiche. Wie soll Greta als Deutsche hier Fuß fassen? Megaschwer.
»Fino a presto.« Niveo verschwindet ohne ein weiteres Wort zu dem Thema.
»Ja, bis später«, ruf ich ihm hinterher.
»Bisschen empfindlich, der Gute.«Ich zwinkere Valdo zu, um die Stimmung aufzulockern.
»Werd jetzt mit meiner Frau reden, wegen der Marmeladen«, murmelt der und geht.
Okay, Mimose Nummer zwei, denke ich und finde die italienische Männerwelt noch kurioser als die deutsche. Zumindest Vinc ist ein unkompliziertes Exemplar, den bringt nicht so leicht etwas aus der Ruhe. Außer ich vielleicht manchmal …
Eigentlich wollte ich Vorbereitungen für den Abend treffen, aber die Aufregungen am Morgen sind mir auf den Magen geschlagen. Mach ich lieber jetzt meine Pause. Dann kann ich Niveo später ein bisschen auf den Zahn fühlen. Na ja, oder auch nicht …
Auf dem Zimmer ist es angenehm kühl, die Krone des großen Olivenbaums wächst bereits bis über den zweiten Stock hinaus und ist Gold wert. Natürlicher Schatten und Blickschutz. Einziger Nachteil des Zimmers ist das Bad, genauer das Badfenster. Kann man zwar kippen, aber nicht ganz öffnen, was sich im Zuge der Anbauänderungen so ergeben hat. Zwischen Alt- und Neubau ist ein blinder Gang entstanden, der vom neuen Flur mit einer Tür abgetrennt wurde und jetzt als Besenkammer dient. Und auf diesen blinden Gang geht mein Badfenster raus. Ornamentglas, aber kein Rollo oder Vorhang. Egal, Fenster gekippt, die Badtür offen, da brauch ich kein Licht – der Gang wird zwar nur selten genutzt und ich bin nicht besonders verklemmt, aber das Gefühl, im Gegenlicht quasi unbemerkt beobachtet werden zu können, ist nicht sehr prickelnd. Noch dazu, wenn ich auf der Toilette sitze – so wie jetzt. Und Fall X eintritt, so wie jetzt!
Ich hör Stimmen. Die nähern sich mehr oder weniger direkt meinem Fenster. Na super, Liveprogramm auf dem Klo! Aber ich habe keine Wahl. Wenn ich jetzt aufstehe, dann sieht man das von außen. Unangenehme Situation. Was soll’s, bleib ich halt sitzen, wahrscheinlich nur ne heimliche Raucherpause der Zimmermädchen. Mal hören, was sie so tuscheln … Ein paar Insiderinfos schaden nie, und so viel ist sicher: Außer Vinc wird das nie jemand erfahren!
Oh, oh, ein Pärchen. Meine Antennen sind voll auf Empfang. Die beiden reden leise, aber nicht leise genug für meine interessierten Ohren. Sind das nicht … Mia und Niveo. Bin mir ziemlich sicher. Niveos Dialekt schützt zumindest seine Daten vor meinem Lauschangriff. Bedauerlicherweise. Weil – Mias Hälfte macht mich neugierig. Sie redet schnell, ich kann sie kaum verstehen. Niveo versucht sie zu beruhigen, flüstert nicht mehr. Klar, selbst wenn er weiß, dass das mein Zimmer ist, vor dem er steht, denkt er ja, dass ich noch in der Küche beschäftigt bin.
»Das ist nicht mehr so einfach«, jammert Mia. »Ich bin schwanger.«
Stille. Verhaltenes Weinen von Mia. Ich trau mich kaum zu atmen. Ist ja ein Ding! Schwanger? Von Hugo? Logisch. Klar, von wem sonst. Sie ist ja mit ihm verlobt. Aber … warum ist sie dann mit Niveo hier? Ist er ein so guter Freund, dass sie sich an ihn wendet, weil sie Angst vor ihrer Familie hat? Okay, hab ja selber gesagt, dass es manchmal leichter fällt außerhalb der Familie … Hab dabei allerdings an mich als verständnisvolle Zuhörerin gedacht, nicht an diesen smarten Süditaliener.
Egal, was die Lösung ist, Niveo sagt nicht viel dazu, nur, dass er ihr auch etwas Wichtiges erzählen muss. So versteh ich es zumindest.
Jemand sperrt die Tür auf.
»Versteck dich«, zischt Mia hektisch.
Wo? Im Wäscheschrank? Ich spür ganz deutlich, wie ein Lachanfall in mir hochkriecht. Ich glaub’s echt nicht! Doro’s private sitcom.
»Was brauchst du, Paola?«, ruft Mia dem Zimmermädchen zu. »Ich kann’s dir mit rausbringen, bin eh hier fertig.«
»Grazie, ich wollte nur die beiden Gießkannen holen. Ich lasse die Tür offen, in Ordnung?«
»Grazie, Paola.«
»Du kannst rauskommen«, gibt Mia nach einer kleinen Weile grünes Licht.
»Mia, cara, ich muss mit dir reden. Dringend!«
Cara? Liebste?
»Heute Abend. Jetzt müssen wir zurück. Greta braucht mich.«
»Mia! Ich brauche dich auch. Und ich muss dir etwas sagen.«
Niveo betont jedes Wort, um die Wichtigkeit seines Anliegens zu unterstreichen, und tut mir damit einen Gefallen, weil ich ihn so besser verstehen kann.