Limoncellolügen. Gudrun Grägel

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Limoncellolügen - Gudrun Grägel

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wähle das Zehnfingerprogramm und stürme aus dem Zimmer, Treppen runter, durch den Garten Richtung Pool. Einige Liegen auf der Wiese sind belegt, Schirme spenden Schatten, selige Ruhe. Genauso im Poolbereich. Gut, dann werd ich nicht angequatscht. Weil – blöde Fragen stellen darf nämlich nur ich!

      An der Unfallstelle geh ich in die Hocke und rastere das Umfeld ab. Hmm, nichts. Absolut nichts, über das man stolpern könnte, nichts ist schmierig.

      »Hast du was verloren?«

      Ich bin mit den Gedanken bei Julian Weigel und nehme das Kind mit der piepsigen Stimme eher unbewusst wahr.

      »Äh …«, ist alles, was mir einfällt. Was die Kleine aber nicht stört, sie hockt sich neben mich und lässt die Füße ins Wasser baumeln. Die Mutter blinzelt träge rüber, ein Auge auf ihr Engelchen, das sicher noch nicht schwimmen kann.

      »Wie heißt du?«, fragt das Engelchen und wackelt mit den Zehen im Wasser.

      »Doro. Und du?«

      »Ich bin Frida. Da drüben ist meine Mama.« Sie zeigt mit dem ausgestreckten Finger und bestätigt damit meine Vermutung.

      »Papa holt ein Bier«, informiert sie mich dann noch.

      Ich unterdrücke mühsam ein Grinsen.

      »Ich hab Schwimmflügel. Gehst du mit mir ins Wasser?«, beendet Frida die Vorstellungsrunde.

      »Nee du, ich muss in die Küche, damit du heute Abend etwas in dein Bäuchlein kriegst«, sag ich und klopf ihr lachend auf dasselbige.

      Interessiert schaut sie mich an. »Kann ich mitkommen?«

      Oje, hab, glaub ich, nen Fan gewonnen. Paps sammelt die mondänen Damen der High Society und ich kleine Knirpse am Pool!

      »Nee, Schätzchen, in der Küche ist’s viel zu gefährlich, weißt du. Die heißen Töpfe, Messer und lauter solche Dinge. Du gehst planschen, ich geh kochen, okay? Aber pass auf, dass du nicht ausrutschst. Wenn der Boden nass ist, wird’s glatt.« Womit ich wieder beim Thema bin.

      »Ich laufe immer hier am Rand, der ist nicht glatt«, ruft Frau Naseweis, steht auf und hüpft davon.

      Eben. Sag ich doch. Und der Tote war ein sportlicher junger Mann, nur auf der Durchreise für ein paar Tage, unterwegs mit dem Rennrad und unbestimmtem Ziel. Im Hinterkopf schwimmt – nicht greifbar – eine Erinnerung … irgendetwas. Ich seufze. Zeit, in die Küche zu gehen.

      Niveo ist noch nicht da. Egal. Ich fang schon mal an. Soßen vorbereiten, köcheln lassen. Salat putzen. Tomaten aus dem Kühlschrank nehmen. Weißbrot checken. Zunächst die Soßen für den ersten Gang. Tomatensoße und Ragout Bolognese. Mit Spaghetti. Nicht sehr einfallsreich, aber die Speisepläne stehen, da werd ich nichts machen können. Wär vielleicht auch übertrieben. Aber am Salatbüfett lässt sich definitiv was ändern. Niveo hat mir heute früh eine kleine Einführung gegeben. Zutaten fürs Salatbüfett kommen direkt aus dem Kühlraum, das geht gar nicht. Tomaten müssen auf jeden Fall vorher raus. Und die Auswahl ist mir zu knapp. Mais, Bohnen, Rote Bete notier ich für mich. Alternativ zu den Pastagerichten noch Nudelsuppe mit Gemüsestreifen. Okay, das geht schnell. Bin fast fertig mit den Soßen, als Niveo hektisch in die Küche stürmt und sich überschwänglich entschuldigt. Rache ist süß, denk ich, und verdonnere ihn zum Kartoffelschälen und Gemüseschneiden. Beilagen für den zweiten Gang. Salzkartoffel und gegartes Gemüse. Zu Saltimbocca alla Romana oder Lachsfilet gegrillt. Pilze putzen fürs vegetarische Omelett. Wir sind schnell fertig.

      »Müssen wir für die Nachspeise noch was vorbereiten?«, überleg ich laut.

      Niveo schüttelt den Kopf. »Alles fertig«, sagt er und zeigt zum Kühlschrank. »Tiramisu hab ich gestern gemacht, ohne Ei.«

      »Und zum Eis?« Eis gibt’s immer, hab ich mir sagen lassen.

      »Sahne, wer will.« Niveo schaut mich fragend an.

      »Wir legen ein paar Früchte dazu«, schlag ich vor und mach mich auf die Suche. Na bitte! Wunderbar reife Pfirsiche. Ich stell die Schüssel vor Niveo hin.

      »Muss das sein?«, motzt der prompt.

      »Ja«, sag ich gnadenlos und frohlocke innerlich, weil Niveo mit finsterer Miene zu schälen und schnippeln anfängt, meine Rolle als Chefin aber akzeptiert. Und das als italienischer Macho, schieb ich ihn ohne Skrupel in meine Vorurteilsschublade für südländische Männer. Ich rühre eine leichte Soße aus karamellisiertem Puderzucker, Orangensaft, Stärke, Vanillemark, einer Zimtstange, einer Prise Muskatblüte, Ingwer und einem kräftigen Schuss Limoncello an. Davon halte ich Niveo ein Löffelchen voll zum Probieren vor die Nase. Er schnuppert, lässt sich dann die Kostprobe in den Mund schieben. Er testet ausgiebig, ohne eine Miene zu verziehen.

      »Gut«, sagt er und schnippelt weiter.

      Die Soße schmeckt mehr als gut, das weiß ich. Braucht halt noch ein bisschen, mein kleiner Italiener.

      »Das Ganze dann in den Kühlraum, okay? Und vergiss nicht, etwas Zitronensaft über die Schnitze zu träufeln, damit sie nicht braun werden«, geb ich freundlich noch ne Anweisung.

      Niveo nickt grantig.

      Halb sechs. »Ich verzieh mich ein halbes Stündchen auf’s Zimmer«, verkünde ich und hänge die weiße Schürze an den Haken an der Tür. Vielleicht erreiche ich Vinc, hoffe ich, und reiß schwungvoll die Tür auf.

      »Attenzione!«, bellt es mir scharf entgegen.

      Ups! Fast hätte ich den Gipsarm des Alten gerammt.

      »Valdo!« Niveos Miene hellt sich sichtbar auf.

      »Salve, Niveo.« Der Alte nickt zu Niveo rüber, ohne mich aus den Augen zu lassen.

      Okay, Ruhepause gestrichen. Valdo Carlotti, der capo della cucina, inspiziert sein Revier. Jetzt mein Revier. Zwei italienische Machos, fass ich zusammen, und stell mich der Herausforderung.

      »Hallo, Signor Carlotti«, begrüße ich den Alten und strecke ihm die Hand entgegen. »Ich bin Doro Ritter, Ihre Vertretung.« Jetzt ist er am Zug.

      »Salve, signorina Doro. Ritter. Der berühmte papà, habe ich schon gehört«, kommt es stimmgewaltig auf Deutsch mit charmantem italienischem Akzent. So wie’s die Deutschen lieben. Italien, aber bitte auf Deutsch.

      Was war das? Ein schelmisches Blitzen in den Augen? Bin mir nicht sicher. Valdo zieht sich einen Stuhl aus der Ecke und lässt sich nieder. Was wird das? Will der hier einziehen?

      »Äh …«, mehr fällt mir nicht ein. Nicht mein Tag heute. Hmm …

      »Wollen Sie uns helfen?«, frag ich scheinheilig.

      Der Alte hebt leicht seinen linken Arm mit dem Gips in die Höhe und schüttelt den Kopf. »Darf nix machen, sagt der Dottore.«

      »Leisten Sie uns ein bisschen Gesellschaft?« Carlotti ist zäh, lässt sich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.

      Valdos Stirn umwölkt sich.

      Niveo steht mit verschränkten Armen da, beobachtet uns, unverschämt zufrieden, möcht ich mal sagen. Ich muss lachen. Ich mein, was soll’s. Dem Alten ist wahrscheinlich langweilig oder seine Frau hat ihn rausgeschmissen,

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