Verschwundene Reiche. Norman Davies

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Verschwundene Reiche - Norman Davies

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II. (reg. 592–595), Theuderich II. (reg. 595–613), Sigebert (reg. 613), Chlothar II. (reg. 613–629), Dagobert (reg. 629–639), Chlodwig II. (reg. 639–655) und Chlothar III. (reg. 655–673).

      Einige Abschnitte der Merowinger-Herrschaft liegen weitgehend im Dunkeln, doch ein Chronist, der als Fredegar, Fredegarius oder Pseude-Fredegarius (gest. um 660) bekannt ist, wirft einen Lichtblick auf das dritte Viertel des 7. Jahrhunderts. Er lebte in einem Kloster, möglicherweise in Chalons oder Luxueil, und versuchte zunächst einige bereits bestehende Chroniken »zu verbessern«. Ab 624 erstellte er in 18-jähriger Arbeit einen ausführlichen Kommentar über die Ereignisse der Zeit, der deutlich zeigt, dass in allen Schichten der fränkisch-burgundischen Gesellschaft die Blutrache gepflegt wurde. Ein Satz von Attila ist in diesem Zusammenhang sehr treffend: »Quid viro forti suavis quam vindicta manu querere?« (»Was könnte einen starken Mann mehr erfreuen, als eine Blutfehde zu pflegen?«). Fredegar erwähnt einen Vorfall, an dem der byzantinische Kaiser beteiligt war und der anschaulich belegt, wie wenig ein menschliches Leben wert war. Nachdem zwei burgundische Gesandte bei einer Prügelei in dem von Byzanz beherrschten Karthago getötet worden waren, bot Kaiser Maurikios eine Wiedergutmachung in Gestalt von zwölf Männern an, mit denen die Burgunder »tun könnten, was sie wollten«.46 Mit besonders heftigen Schmähungen bedenkt Fredegar die westgotische Fürstin Brunechildis, die aus Hispania an den burgundischen Hof kam und dort angeblich Gewalt und Hass schürte: »Tanta mala et effusione sanguinem a Brunechildis in Francia factae sunt.47

      Fredegars Darstellung endet mit der Geschichte des Flaochad, genere Franco (gebürtiger Franke) und Majordomus, der sich an einem burgundischen Adeligen namens Willebad rächen wollte. Mit ihren Anhängern im Gefolge trafen die beiden vor den Mauern von Augustodunum aufeinander:

      Berthar, ein transjuranischer Franke, … griff Willebad als Erster an. Und der Burgunder Manaulf, der vor Wut mit den Zähnen knirschte … trat mit seinen Männern nach vorn, um zu kämpfen. Er war einst mit Berthar befreundet gewesen und sagte nun »Komm unter mein Schild, und ich werde dich schützen« … und er hob sein Schild, um ihm Deckung zu bieten. Doch [Manaulf] stieß mit seiner Lanze nach seiner Brust … Als Chaubedo, Berthars Sohn, sah, dass sein Vater in Gefahr schwebte, stieß er Manaulf zu Boden, durchbohrte ihn mit seinem Speer und tötete alle, die seinen Vater verwundet hatten. Und mit Gottes Hilfe rettete der Junge dadurch Berthar vor dem Tode. Wer von den Herzögen seine Männer lieber nicht auf die Seite Willebads Seite gestellt hatte, plünderte nun seine Zelte … Die Männer, die sich nicht am Kampf beteiligt hatten, schafften große Mengen Goldes und Silber sowie Pferde und andere Gegenstände fort.48

      Ein Historiker bemerkte dazu: »Das Erstaunliche an der frühmittelalterlichen Gesellschaft ist nicht der Krieg, sondern der Frieden.«49

      Zu Fredegars Zeiten wurden die Merowinger zu reinen Marionetten der Hausmeier und Grafen in den königlichen Palästen. Zudem verlagerte sich das politische Machtzentrum in das fränkische Austrasien (das Ostfrankenreich). Dagobert, der über Neustrien herrschte (das »neue Land im Westen«), wurde in einem französischen Kinderlied verspottet: »Le Bon Roi Dagobert/A mis sa Culotte à l’envers« (»Der gute König Dagobert/trug seine Hose verkehrt herum.«)50 Er machte Paris zu seiner Hauptstadt. Eine entscheidende Schlacht bei Tertry in der Picardie im Jahr 687 verfestigte die Unterordnung Burgunds unter Austrasien.

      Anfang des 8. Jahrhunderts wurde von Bischof Savarich von Auxerre eine separatistische burgundische Bewegung ins Leben gerufen, deren Aktivitäten aber gerade zu jenem Ergebnis führten, das sie hatte vermeiden wollen. Karl Martell (688–741), der Begründer nicht nur der Dynastie der Karolinger, sondern maßgeblich auch des karolingischen Reiches, fiel über Burgund her, um es gefügig zu machen. Nachdem er aus der historischen Schlacht gegen die Sarazenen bei Tours im Jahr 732 als Sieger hervorgegangen war, vertrieb er diese auch aus ihren Festungen in der Provence und im Languedoc. Die Erstürmung der von den Sarazenen gehaltenen Stadt Arles im Jahr 736 bildete einen der Höhepunkte dieses Feldzugs:

      Nachdem sie ihre Truppen bei Saragossa zusammengezogen hatten, waren die Muslime im Jahr 735 in das fränkische Gebiet eingefallen, hatten den Rhein überquert und Arles erobert und geplündert. Von dort stießen sie in das Herz der Provence vor, was zur Einnahme von Avignon führte. … Muslimische Soldaten plünderten Lyon, Burgund und Piemont. Abermals eilte Karl Martell zu Hilfe und eroberte auf zwei Feldzügen in den Jahren 736 und 739 den Großteil der verlorenen Gebiete zurück. … Er setzte den bedrohlichen Vorstößen der Muslime über die Pyrenäen [ein für alle Mal] ein Ende.51

      Er zerstörte aber auch die Hoffnung, dass das Regnum Burgundiae in naher Zukunft wieder auferstehen könnte.

      Im Jahrhundert nach Karl Martell blühte das Frankenreich zunächst auf, geriet dann in Schwierigkeiten und zerfiel schließlich. Karl der Große hielt sich die meiste Zeit entweder im Norden, in Aachen, auf oder war mit Konflikten an der Peripherie seines Reiches beschäftigt, mit Kriegen gegen die Mauren, die Slawen und die Awaren, und mischte sich kaum in die Angelegenheiten Burgunds ein. Doch 773 versammelte er im burgundischen Genf eine große Armee für seinen lombardischen Krieg. Ermutigt durch Unterstützungsbekundungen des Papstes, zog er mit seinen Truppen in zwei großen Marschkolonnen über die Alpen, wobei eine den Pass des Mont Cenis und die andere den Großen Sankt Bernhard überquerte. Nachdem er Pavia, die Hauptstadt der Lombardei, nach langer Belagerung niedergeworfen hatte, kroch er als Büßer auf den Knien die Stufen des Petersdoms hinauf. Später schuf er in Rom den ersten Kirchenstaat.52

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      In der karolingischen Geschichte spielte die Zahl drei eine wichtige Rolle; dreimal gab es eine dreifache Reichsteilung. Man kann sich leicht merken, dass jeder der Enkel von Karl dem Großen ein Drittel erhielt und dass Lothars »Mittelreich« aus drei Teilen bestand. Doch der dritte Schritt wird häufig vergessen. Fünfzig Jahre nach dem Vertrag von Verdun wurde das ehemalige Regnum Burgundiae, das jetzt das Mittelstück des Mittelreiches bildete, abermals in drei Teile geteilt. (Die Eselsbrücke dafür lautet »3 × 3 × 3«.) Diese letzte Teilung erfolgte in drei Stadien – in den Jahren 843, 879 und 888 [Verträge von Ribemont, d. Red.] – und brachte drei neue Reiche hervor: das Herzogtum Burgund im Nordwesten, das Königreich Niederburgund im Süden und das Königreich Hochburgund im Nordosten.

      Die erste Aufspaltung des Reiches von Karl dem Großen im Jahr 834 war daher nur der erste Schritt in einem längeren Prozess. Lothar erhielt zwar den größten Teil des burgundischen Reiches, einschließlich Lyon, aber ungefähr ein Achtel wurde dem Westfrankenreich zugeschlagen. Die Ausgliederung dieses strategisch bedeutsamen Teils, der aus dem oberen Tal des Flusses Saône bestand und auch Guntrams Hauptstadt Chalon umfasste, war eine der wenigen Bestimmungen des Vertrages von Verdun, die sich als dauerhaft erwies,

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