Hannover sehen und sterben. Thorsten Sueße

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Hannover sehen und sterben - Thorsten Sueße

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Christian soziale Brennpunktthemen zur Sprache brachte, verwies Philipp auf „Hannover sehen und lieben“. Die tatsächliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben sei ihm ein aktuelles Anliegen.

      Mehrfach am Abend erschien Paul im Wohnzimmer. Er war groß, schlank, trug seine kurzen braunen Haare mit einem Seitenscheitel. Er hielt sich im Hintergrund, lehnte an der Wand oder am Türrahmen.

      Der sieht Ramona sehr ähnlich. Ein Mama-Kind.

      Philipp hatte den Eindruck, dass der junge Mann die Gäste seiner Eltern sehr genau beobachtete. Insgesamt war er ein schweigsamer Typ.

      „Vor zehn Jahren konnten wir uns auf der Feier zwar lang und breit miteinander unterhalten, aber sonst ist nichts passiert“, lenkte Bodo die Runde auf den eigentlichen Grund ihres heutigen Treffens. „Ich möchte, dass wir bei der 30-Jahr-Feier einen attraktiveren Ort finden, wo das Ganze stattfindet. Und insbesondere geht es mir darum, dass wir ein interessantes Programm auf die Beine stellen.“

      „Beim Thema Programm bin ich etwas skeptisch“, äußerte Volker. „Bei der Feier hat die Kommunikation untereinander Vorrang. Wir müssen uns nicht als Veranstalter mit einer Show profilieren.“

      Philipp dagegen begrüßte Bodos Vorschlag. Am Ende stimmten auch Christian und Volker zu.

      Ramona war die Einzige in der Runde, die Alkohol trank. Mehrere Glas Weißwein an diesem Abend, wie Philipp registrierte.

      Die letzte Stunde war sie von dem Sessel Philipp gegenüber nicht mehr aufgestanden. Sie schaute ihn immer wieder lächelnd an, strich dabei ihre Haare zur Seite.

      Philipp ließ sich vom Gespräch ablenken, konzentrierte sich mehr und mehr auf das, was Ramona tat. Ihre Finger streichelten scheinbar zufällig ihren rechten Oberschenkel. Als sie ihre Halskette richtete, berührte sie dabei kurz ihre Brüste.

      Diese Körpersignale, nahm nur er sie wahr? Galten sie tatsächlich ihm?

      Er blickte in die Runde. Seine ehemaligen Kumpel waren in ihr Gespräch vertieft. Bodo und die anderen bekamen offenbar nicht mit, was sich da anbahnte.

      Mehrfach beugte Ramona den Oberkörper in seine Richtung.

      Sie bietet mir ihre Brüste an, oder was?

      Er lächelte zurück, nahm eine Sitzposition mit geöffneten Beinen ein und begann reflexartig seine Nasenspitze zu reiben.

      Wie passt das zu der Bilderbuch-Ehe mit der braven Ehefrau?

      Hinten im Essbereich stand Paul. Er goss sich Apfelsaft ins Glas und stellte es auf dem Esstisch ab. Er wirkte geistesabwesend.

      Manchmal macht der den Eindruck, als wär er ein bisschen plemplem. Philipp war irritiert. Wieso streicht der immer wieder durchs Wohnzimmer? Für seine Eltern scheint das ja nichts Ungewöhnliches zu sein.

      „Sag mal, Philipp, hörst du überhaupt zu?“ Das war Bodo.

      Ertappt!

      Philipp klinkte sich wieder ins Gespräch ein. Wie Ramona, die wie auf Kommando einen lustigen Spruch raushaute – und schlagartig die Ausstrahlung erotischer Signale einstellte.

      Was läuft hier eigentlich?

      Hatte sich Philipp eben alles nur eingebildet? War Ramonas Verhalten die Folge ihres Alkoholkonsums?

      Die Gruppe legte fest, die 30-Jahr-Feier auf den kommenden September zu legen.

      Der Abend endete mit der Verabredung eines Folgetermins in genau einem Monat. Alle waren damit einverstanden, sich wieder bei Bodo und Ramona in Isernhagen-Süd zu treffen.

      Christian und Volker hatten den Bungalow als Erste verlassen. Bodo stand im Hauseingang und sah ihnen hinterher.

      Als sich Philipp die Jacke im Flur anzog, um sich ebenfalls zu verabschieden, trat Ramona dicht an ihn heran: „Würdest du mir den Gefallen tun, als erfahrener Autor einige Seiten von Pauls erster Mystery-Geschichte zu lesen? Und ihm eine Rückmeldung geben, welches Potenzial darin steckt? Bisher gibt es seine Romane nur bei Amazon als E-Book, und sie haben wenig Zulauf.“

      Ging es Ramona nur darum, ihn zu umgarnen, damit er sich leichter dazu breitschlagen ließ, die Geschichtchen ihres Sohnes zu lesen?

      So wenig geistreich wie motiviert antwortete er: „Tut mir leid, ich besitze keinen E-Book-Reader.“

      „Kein Problem, ich leih dir meinen“, war Ramonas Reaktion, die gar nicht abwartete, ob Philipp weitere Einwände hatte, sondern kurz abtauchte und gleich darauf mit einem Kindle in der Hand zurückkehrte.

      Bodo hatte sich inzwischen zu Philipp und Ramona umgedreht.

      „Philipp hat bestimmt was Besseres zu tun, als diesen Mystery-Kram zu lesen“, brummte er.

      Das hast du gut erkannt, alter Junge. Bodo scheint auch nicht viel von den Schreibkünsten seines Sohnes zu halten.

      Ramona ließ sich durch Bodos Einwand nicht von ihrem Vorhaben abhalten: „Wär echt nett von dir …“

      Als sie von der Seite an Philipp herantrat, um ihm den E-Book-Reader zu zeigen, berührten sich kurz ihre Oberschenkel.

      Das ist kein Zufall. Sie will was, und dieser Mystery-­Quatsch ist nur ein Vorwand.

      „Klar, mach ich gern. Ich lese da mal rein“, hörte sich Philipp sagen und wusste noch immer nicht, auf welchen Deal mit Ramona er sich einließ.

      *

      Für Paul war der Abend die Hölle.

      Seine Befürchtungen im Vorfeld hatten sich mehr als bewahrheitet. Es zog ihn ins Wohnzimmer, um rechtzeitig zu erkennen, welche Gefahren auf die Familie zukamen. Manchmal hielt er es nicht mehr aus, und er musste sich in seine Einliegerwohnung zurückziehen.

      Von dem hageren Kerl, Volker, wusste er, dass er früher mit Mutter befreundet gewesen war. Heute hatte er sich auf lächerliche Art herausgeputzt, um ihr zu gefallen. Mit einer Perücke, was Paul als äußerst peinlich empfand. Darüber hinaus hatte Volker nichts unternommen, um an Ramona heranzukommen.

      Ganz anders Philipp, der arrogante Autor, der Pauls­

      Mutter angestarrt und sein Interesse an ihr durch eine entsprechende Körpersprache ausgedrückt hatte. Es waren diese Blicke und Gesten, die Paul schon von Ulrich Ammoneit kannte. Daher wusste Paul genau, auf welche Kleinigkeiten er achten musste. In den vergangenen Jahren hatte er ein ausgeprägtes Gespür dafür entwickelt. Ein Gespür, das war ihm klar, welches die Menschen in seiner Umgebung in dieser Intensität nicht hatten. Nach Pauls Einschätzung bekam auch sein Vater nicht mit, welche Signale bestimmte Typen von Männern immer wieder an Ramona sendeten. Und das war gut so. Mutter war in dieser Hinsicht schwach, und Vater würde es nicht ertragen, wenn er mitbekam, dass seine Frau mit einem anderen Mann schlief. Der Zusammenhalt der Familie war das Wichtigste. Paul zweifelte keine Sekunde daran, dass seine Mutter Vater liebte.

      Jetzt machte sich dieser Schriftsteller bei ihnen breit. Paul kannte seine Mutter und ihre Reaktion auf Männer wie Philipp. Er wusste, wie es enden würde. Und es würde vielleicht über Wochen und Monate immer wieder passieren. Die letzten derartigen Ausrutscher lagen einige Zeit zurück. Paul hatte es

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