Heidejagd. Angela L. Forster

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Heidejagd - Angela L. Forster

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Lopausee. Ja, ganz genau, Frau Kommissarin.“

      „Hendrik Schubert war Biologielehrer und Vertrauenslehrer. Wie war er so zu den Schülern? Eher streng oder eher locker? Gab es Schwierigkeiten, hatte er Streit mit einem Schüler? Wir hörten, die Schüler sprachen ihn mit dem Vornamen an.“

      „Hendrik war bei jedem Schüler beliebt. Und bei uns ist es üblich, dass die Schüler ihre Lehrer beim Vornamen ansprechen. Es sind junge Erwachsene, und ein Du ist vertraulicher und einfacher auszusprechen.“

      „Und bei den Schülerinnen war er ebenfalls beliebt?“

      „Natürlich auch bei den Schülerinnen. Was soll das heißen?“

      „Herr Schubert war sechsunddreißig Jahre alt und durchaus als attraktiv anzusehen.“ Inka blickte auf eine Bilderfront an der linken Wandseite, die Lehrerporträts zeigte.

      „Sie meinen, ob er … Nein, das muss ich verneinen.“ Willibald Busch folgte Inkas Blick. „Hendrik hätte nie und nimmer … Nein. Obwohl, ja, es gab die ein oder andere Schülerin aus der zwölften Klasse … Hendrik erzählte darüber im Lehrerzimmer. Marlene ist achtzehn geworden und die einzige Tochter einer Arztfamilie, verwöhnt und durchaus eine hübsche junge Frau. Sie war, Schüler würden sagen, rattenscharf auf Hendrik. Sie ist ihm nach der Schule hinterher, hat ihn ein paar Wochen gestalkt. Als dies nicht aufhörte, habe ich sie in die Parallelklasse versetzt, in der Anja, Frau Matthiesen, den Biologieunterricht gibt. Ab da war Schluss und auch, als sie merkte, dass Hendrik ihre Verführungskünste ignorierte.“

      „So einfach, Schluss? Weiter nichts?“

      „Weiter nichts. Hendrik hätte es erzählt. Wie ich sagte, wir gehen sehr offen mit allen Problemen um.“

      „Gab es unter den Kollegen Reibereien? Neid?“

      „Nein, bei uns herrscht ein harmonisches Lehrerkollegium. Ich hätte es bemerkt, hätte es Unstimmigkeiten oder sogar Streit gegeben.“

      „Seit wann unterrichtete Herr Schubert an Ihrer Schule?“

      „Drei Jahre. Er kam zusammen mit seiner Frau.“

      Susanne Schubert war eine zweiunddreißigjährige Brünette. Kurze Ponyfransen umrundeten ihr schmales Gesicht. Ihr dezentes Make-up belief sich auf Wimperntusche und einen roséfarbenen Lippenstift. Sie trug Bluejeans und einen kakifarbenen dicken Wollpullover mit V-Ausschnitt, unter dem ein dunkelblauer Blusenkragen hervorstach. Sie war nicht größer als Inka mit ihren ein Meter zweiundsechzig, auch wenn sie in ihren hochhackigen Pumps so wirkte oder wirken wollte.

      „Das ist ja grauenhaft. Wie schrecklich.“ Susanne Schubert drückte die Fingerspitzen der rechten Hand vor den Mund. In ihre Augen traten Tränen. „Wer, ich meine, wer kann das getan haben?“, fragte sie und nestelte nach einem Taschentuch aus ihrer Hosentasche.

      „Wir haben gehofft, dass Sie uns darüber etwas sagen könnten. Hatte Ihr Mann Streit mit einem Kollegen, Freund, Nachbarn oder …?“

      „Nein, nicht dass ich wüsste. Außer mit unserem Direktor.“

      „Worum ging es bei dem Streit?“

      „Eigentlich um eine Lappalie. Hendrik wollte mehr Stunden für seinen Unterricht, um seinen Schülern die Heide und die Natur noch näher zu bringen. Busch hat es abgelehnt. Der Topf für die Finanzierung wäre leer. Sie haben darüber gestritten. Immer wieder. Hendrik meinte, er könne ja die Eltern der Schüler um eine Spende bitten. Aber Busch setzte dagegen. Der letzte Spendenaufruf wegen des neuen Bodenbelags der Turnhalle sei gerade zwei Monate her und er könne nicht schon wieder die Hand ins Portemonnaie der Eltern stecken.“ Susanne Schubert schnäuzte ins Taschentuch und lehnte den Rücken stützend gegen die Flurwand.

      „Herr Busch erzählte, Ihr Mann würde bei seinem Vater auf dem Campingplatz Mühlenkamp wohnen.“

      „Ja, das ist richtig. Er ist zu seinen Eltern in das Mobilheim gezogen, vorübergehend, bis er eine Wohnung findet, finden wollte.“

      „Warum haben Sie sich getrennt?“

      „Hendrik …“ Susanne zog ein weiteres Papiertaschentuch aus der Hosentasche und schnäuzte sich die Nase. „Hendrik hatte nur seine Arbeit im Kopf. Er war mit Leib und Seele Biologielehrer. Aber nicht nur das, nach der Schule war er in der Heide mit Flora und Fauna beschäftigt. Unsere Ehe … ich saß ständig alleine zu Hause. Mit der Zeit haben wir uns voneinander entfernt. Irgendwann lebten wir nur noch als Bruder und Schwester zusammen. Wir haben uns respektiert, vertraut, aber … Na ja, es fehlte das Zusammensein, die gemeinsame Zeit, die Zärtlichkeit und die Leidenschaft, wenn Sie verstehen. Er hat mich nicht mehr als Frau gesehen, eher als Partner einer Wohngemeinschaft. So konnte es nicht weitergehen. Das haben wir beide eingesehen und die Scheidung eingereicht“, ergänzte sie.

      „Frau Schubert, war der Grund Ihrer Trennung nicht eher eine andere Frau?“

      „Nein! Natürlich nicht! Hendrik hätte mich nie betrogen.“

      „Kennen Sie Anna Weiler?“

      „Nein. Wer soll das sein?“

      „Frau Weiler ist die Inhaberin der Windparkfirma Kobarski & Weiler aus Schwindebeck.“

      „Nein. Noch nie gehört. Mich interessieren diese Türme nicht.“

      „Aber Ihren Mann als Biologielehrer, und, wie Sie selbst sagen, als Naturfreund hätten diese Anlagen interessiert. Es ist doch möglich, dass er auf seinen Naturexkursionen durch die Heide Frau Weiler begegnet ist.“

      „Alles ist möglich. Nur können wir ihn nicht mehr fragen“, antwortete Susanne scharfzüngig.

      „Warum hat Ihr Mann sich keine eigene Wohnung gesucht?“

      „Woher soll ich das wissen? Mir hat er nichts mehr von seinen Zukunftsplänen erzählt. Ich weiß nur, dass die Hilde, Walters Frau, Hendriks Mutter, in Bayern bei ihrer Schwester zu Besuch ist. Hendrik meinte, sie käme in zwei oder drei Wochen zurück und dann würde er aus dem Mobilheim wieder ausziehen. Er hätte noch viel vor in seinem Leben. Was es ist, hat er mir nicht verraten. Nur, dass es für mich sowieso nichts wäre.“

      „Wollte Ihr Mann ebenfalls in ein Mobilheim ziehen? Das Haus aufgeben und ohne Schulden leben? Meinte er diese Veränderung, die nichts für Sie gewesen wäre?“

      „Nein, Hendrik würde nie in so eine kleine Bude ziehen, dazu ist er zu freiheitsliebend. Er braucht Platz und die Weite um sich herum. Enge, wie in einem Mobilheim, würde ihn erdrücken.“

      „Ihr Schwiegervater wohnt auf einem Campingplatz. Vielleicht wollte Ihr Mann sich einschränken, um in der Nähe seiner Eltern zu leben.“

      „Niemals. Haben Sie nicht zugehört? Hendrik war kein Campingtyp. Und seine Eltern hatten keine andere Wahl. Walter war als Schlosser selbstständig und hat kaum für seine Rente einbezahlt. Hilde war Hausfrau. Es ging ihnen gut. Doch jetzt ist nichts übrig geblieben. Das, was er an Rente hat, reicht zum Überleben, aber nicht für eine normale Miete. Für ihr Angespartes haben sie das Mobilheim gekauft.“

      „Haben Sie und Ihr Mann Kinder?“

      „Nein, wir wollten noch zwei Jahre warten, bis das Haus abbezahlt ist, und uns dann entscheiden, aber …“ Susanne schluckte.

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