WattenAngst. Andreas Schmidt

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WattenAngst - Andreas Schmidt

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wenn wir zusammen sind, achten wir beide darauf, unsere Freiheit zu behalten.“ Das selbstgefällige Lächeln in seinem Gesicht war wie ausgelöscht.

      „Wie muss ich mir das vorstellen?“

      „Wir lassen uns unsere Freiräume und legen uns nicht in Ketten. Manchmal haben wir ein paar Tage lang gar keinen Kontakt, an anderen Tagen hängen wir aufeinander wie ein frisch verliebtes Paar.“ Jetzt rang er sich wieder ein Lächeln ab, doch es wirkte aufgesetzt.

      „Sie haben eine eigene Wohnung, nehme ich an?“

      „Aber sicher. Und die werde ich auch behalten. Mir ist ein Rückzugsort sehr wichtig.“

      „Ich verstehe.“ Wiebke machte sich Notizen. Etwas an Sven Gerissen gefiel ihr nicht, doch sie konnte nicht beschreiben, was ihr an ihm missfiel. Unwillkürlich dachte Wiebke an ihre Beziehung zu Eike. Ihr Freund machte auch keinen Hehl daraus, dass er ein eigenständiger Mensch bleiben wollte. Und momentan nutzte er das, was Gerissen eben als Rückzugsmöglichkeit bezeichnet hatte, für sich. Wiebke fragte sich, warum Eike, sobald er mit seiner Band auf Tour war, zu einem ganz anderen Menschen wurde. Sie ertappte sich bei der Frage, wie lange sie es noch an seiner Seite aushielt.

      Sie verdrängte die düsteren Gedanken und konzentrierte sich auf den Fall. „Wann haben Sie Ihre Freundin zuletzt gesehen?“

      „Vorgestern Abend“, kam Sven Gerissens Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Wir waren eine Kleinigkeit essen und haben geredet. Kerstin war müde und wollte früh zu Bett gehen.“

      „Nach dem Besuch im Restaurant trennten sich Ihre Wege also wieder?“

      „Ja. Wir sind noch gemeinsam zum Parkplatz gelaufen, haben Händchen gehalten und geredet, haben uns zum Abschied geküsst und sind dann – jeder für sich – nach Hause gefahren.“ Als Wiebke schwieg, setzte er angriffslustig nach: „Ist das so ungewöhnlich?“

      „Nein, natürlich nicht.“ Wiebke lächelte. „Gab es Pläne für einen Urlaub, vielleicht gemeinsam, oder planten Sie, Deutschland dauerhaft zu verlassen?“

      „Was?“

      Wiebke wiederholte die Frage geduldig.

      „Ach was.“ Gerissen winkte ab. „Auswandern ist etwas für Spinner. Wir sind glücklich hier in Husum. Und unser nächster Urlaub ist zwischen Weihnachten und Neujahr angedacht. Wir wollten ein paar Tage nach Hamburg. Musical, Reeperbahn und die Elfie besuchen. Seit Corona bin ich sehr vorsichtig bei der langfristigen Reiseplanung.“

      „Ich verstehe.“

      Sven Gerissen betrachtete Wiebke, als würde er an ihren Worten zweifeln. Doch er verkniff sich eine Bemerkung.

      „Selbstmordgedanken sind ebenfalls kein Thema?“

      „Auch nicht.“ Jetzt lachte der Autoverkäufer, doch es war ein überhebliches Lachen. „Hören Sie, Frau Ulbricht – Sie kommen hierher und stellen mir eigenartige Fragen. Ich dachte, Sie kommen mit guten Nachrichten zu mir.“

      Statt einer Antwort zückte Wiebke ihr Smartphone. Sie zeigte ihm die Kleidung am Hünengrab. „Sind das die Laufsachen Ihrer Freundin?“

      Gerissens Miene erstarrte. „Ja“, sagte er tonlos. „Sie steht auf Pink und auf Adidas. Wo ist das?“

      „Sicher kennen Sie die alte Grabstätte am Parkplatz von Mühlenau an den Mildstedter Tannen?“

      „Aber sicher. Ich bin oft mit dem Rad dort unterwegs.“

      Wiebke kannte die Gegend. Dort gab es eine BMX-Strecke, die oft und gern von ambitionierten Bikern genutzt wurde.

      „Wer tut so etwas?“ Die Selbstsicherheit war aus Sven Gerissens Stimme gewichen. „Wurde sie … hat man sich an ihr …“ Er brachte die Worte nicht über die Lippen und senkte den Blick. Er rang mit den Händen, die bisher ruhig auf der gläsernen Schreibtischplatte gelegen hatten.

      „Das ist nicht bekannt“, antwortete Wiebke. „Gab es eigentlich Streit in letzter Zeit?“

      „Worauf wollen Sie hinaus?“

      „Ich stelle Fragen, um eine Lösung zu finden.“

      „Dumme Fragen – natürlich gab es immer wieder mal einen Streit, nichts Dramatisches. Und nichts, was so eine … so eine Aktion rechtfertigen würde.“

      „Wie steht es mit ehemaligen Liebhabern Ihrer Freundin, hat sie mit Ihnen über Ex-Freunde gesprochen?“

      „Leider, ja.“ Er nickte und hielt Wiebkes fragendem Blick stand. „Kerstin ist eine Seele von Mensch. Sie ist harmoniebedürftig und viel zu lieb für diese Welt.“

      „Ich fürchte, ich verstehe das nicht.“

      „Nun, sie hat sich von all ihren Freunden friedlich getrennt. Noch immer steht sie mit den Männern in sporadischem Kontakt. Sehr zu meinem Missfallen, wie Sie sich vorstellen können.“

      Wiebke bemerkte, wie gewählt er sich ausdrückte. Und sie verstand, was Gerissen meinte. Sie selber hätte sicherlich auch Probleme damit, wenn Eike sich ab und zu mit seinen Ex-Freundinnen traf. Und als Sänger einer Rockband gab es viele verflossene Herzensdamen, die ihm sicherlich noch hinterhertrauerten.

      „Haben Sie Namen für mich?“, sprach Wiebke in das Schweigen hinein.

      „Für wen halten Sie mich?“ Sven Gerissen schien ernsthaft gekränkt zu sein. „Ich spioniere doch nicht in Kerstins Handy, um zu sehen, mit wem sie telefoniert oder Textnachrichten schreibt, wenn ich nicht dabei bin.“

      „Sind Sie nicht eifersüchtig?“

      „Natürlich bin ich das.“ Er lachte humorlos auf. „Jeder Mann ist eifersüchtig auf die Ex-Freunde seiner Frau, das ist doch normal.“

      „Ist es das?“

      „Aber sicher. Doch ich kann Kerstin nicht daran hindern. Wie gesagt, wir führen beide unsere eigenen Leben. Und im Grunde genommen sind wir uns keine Rechenschaft schuldig.“

      „Seltsam.“

      Gerissen starrte sie feindselig an. „Was ist daran seltsam?“

      „Dass so etwas funktioniert.“ Wiebke räusperte sich. Es war ihr unangenehm, dass sie ihre persönliche Meinung kundgetan hatte. „Ich habe laut gedacht“, sagte sie schnell. „Für mich ist es unvorstellbar, dass ich mir in einer festen Beziehung Freiheiten nehme, die dazu führen, dass ich mich mit Ex-Freunden treffe. Das wäre für mich kein Beziehungsmodell.“

      „Jedem das Seine.“

      „Sicher.“ Wiebke klappte ihr Notizbuch zu und erhob sich. Sie nahm eine Visitenkarte aus der Jackentasche und legte sie vor Gerissen auf den Schreibtisch. Er studierte die Inschrift neben dem Polizei-Logo. „Hauptkommissarin“, las er laut vor und zog anerkennend die Lippen nach oben.

      „Könnten Sie mir eine Liste mit Kontakten aus dem direkten Umfeld Ihrer Freundin zukommen lassen? Freunde, Familie … und Ex-Freunde, sofern bekannt.“

      „Ich werde es versuchen.“ Mit zerknirschter Miene

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