FriesenFlut. Nané Lénard
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„Ja, ja, du oller Meckerheini“, zischte Oma Pusch, ohne dass der Fischer es hören konnte. Dann drückte sie ihm einen Zehneuroschein in die Hand.
„Das sind ja mindestens 20 Mann, die da anstehen“, wunderte sich Rita. „So was hatten wir noch nie.“
Oma Pusch machte ein nachdenkliches Gesicht. „Das liegt alles an der Klimaerwärmung, weißt du. Bei über 40 Grad hältst du es im Inland ja auch nicht aus. Darum flüchten jetzt alle entweder in die Berge oder an die Nordsee. Ans Mittelmeer will überhaupt niemand mehr. Wer möchte sich schon grillen lassen! Du hast es doch vorhin gesehen. Der ganze Strand war bunt von Touristen. Ich mag es ja, wenn viel los ist, aber das ist mir ehrlich gesagt schon einen Schlag zu viel. Wo soll das noch hinführen?“
„Ich hoffe, Hinnerk beeilt sich, sonst sitze ich hier bald auf dem Trockenen. Nur drei Brötchen sind noch da“, seufzte Rita. „Wie sieht es denn mit den Rollmöpsen aus?“
„Keine Bange, alles andere ist reichlich da, auch der Honig“, beruhigte Oma Pusch ihre Freundin.
Doch mit einem Mal lief jemand auf die Warteschlange zu, gestikulierte wie wild und die Leute liefen in Richtung Strand. Nur zwei Hartgesottene blieben am Tresen stehen. Der Rest hatte sich verflüchtigt.
„Oha“, stöhnte Oma Pusch. „Was ist das denn jetzt? Wo sind die alle hin?“
„Wir hörten was von Polizei“, erklärte die Kundin, die mit ihrem Mann auf zwei Rollmopsbrötchen wartete.
„Echt? Hoffentlich kein Badeunfall“, sagte Oma
Pusch scheinheilig. „Mit vollem Magen sollte man ja nicht ins Wasser, und jetzt zur Mittagszeit hält sich vielleicht nicht jeder dran.“
„Das ist gut möglich“, erwiderte die Frau, „aber dass die da alle gleich hinrennen müssen.“
Oma Pusch zuckte mit den Schultern und reichte dem Ehepaar zwei Teller. Sie wollten direkt am Kiosk speisen. Darum war nur ein ganz leises Gespräch mit Rita möglich.
„Unser Plan ist aufgegangen“, freute sich Oma Pusch, „und wir sind fein raus. Wenn Hinnerk wieder hier ist, soll er die Stellung halten. Ist ja nix mehr los. Höchste Zeit für uns, schnell zum Strand runterzudüsen. Wo ist das Zelt? Wir könnten uns von der Drachenwiese her anschleichen. Ich hab ja den Boden rausgeschnitten. Wenn wir uns klein machen und langsam auf
Knien ranrobben, sieht niemand, dass das Zelt wie von Geisterhand immer mehr in Richtung Fundort wandert. Möglicherweise gelingt es uns, meinen Kommissarneffen Eike zu belauschen oder Enno zuzuhören, wenn er aus dem rechtsmedizinischen Nähkästchen plaudert.“
Hinnerk stutzte, als er zurückkehrte. „Huch, wo sind die denn alle hin?“
„Die Polizei ist am Strand“, erklärte Oma Pusch und hatte damit die beste Garantie, dass Hinnerk lieber im Kiosk bleiben würde. „Was hältst du davon, wenn Rita und ich schnell mal spionieren gehen? Anschließend beratschlagen wir zu dritt, was zu tun ist. Einverstanden?“
„Ja, ja, geht ihr ruhig, ich bleibe lieber hier. Mir ist so heiß. Der Weg zum Bäcker hat mich richtig geschafft“, ächzte Hinnerk zur Untermalung.
„Okay, bis gleich“, erwiderte Oma Pusch.
Mit dem Zelt in der Hand liefen die beiden Frauen an Hinnerk vorbei.
„Was wollt ihr denn damit?“, fragte er.
„Keine Zeit, erklären wir dir später“, rief Rita ihm zu.
Dann waren die zwei Hobby-Ermittlerinnen schon außer Sicht.
Spionage im Zelt
Oma Pusch und Rita hatten beschlossen, sich der Sache von Westen aus zu nähern. Auf der Drachenwiese war im Gegensatz zum Strand weniger los. Während sie auf dem Deich entlangliefen, hatten sie von oben eine gute Sicht auf den Fundort. Doch auch hier standen bereits einige Gaffer, denen sie ausweichen mussten. Unten, wo der Torso vergraben lag, hatte sich eine Traube von Menschen rund um die Absperrung gebildet. Das war Mist, denn es behinderte ihre geplante Aktion. Sie mussten unbedingt auf Hörweite an das Geschehen herankommen und wussten noch nicht wie.
Oma Pusch zog ihr Smartphone heraus und stellte die Kamera ein.
„Was machst du denn da?“, wunderte sich Rita. „Wir wollten doch möglichst schnell da hin.“
„Nur Geduld, meine Liebe“, antwortete Oma Pusch. „Ich will nicht fotografieren, sondern mit dem Zoom nachgucken, wer alles schon da ist.“
„Den Leichenwagen deines Sohnes Nils habe ich vorhin aus den Augenwinkeln gesehen“, informierte Rita ihre Freundin.
„Kein Wunder“, lachte Oma Pusch, „dem hab ich ja auch eine WhatsApp-Nachricht geschickt. Nicht, dass die anderen Geier vor ihm da sind und er keine Geschäfte macht. Er braucht das Geld. Du weißt doch, dass er seit Kurzem eine Perle hat. Endlich!“
„Kennt sie seinen Beruf?“, hakte Rita nach.
„Ja, aber das hat sie nicht abgeschreckt, eher meine Wenigkeit, weil ich kürzlich mal zufällig und aus Versehen bei ihm reingestürmt bin, weil ich dachte, dass es ihm schlecht ging. War aber echt nicht meine Absicht, in so eine delikate Situation . . .“
„Ja, ich erinnere mich an die Geschichte“, fiel Rita wieder ein. „Wenn sie trotzdem noch da ist, könnte das nun doch noch was werden mit den Enkeln. Desinfiziert Nils sich eigentlich hinterher?“
„Nach dem Sex?“, fragte Oma Pusch perplex. Sie war in Gedanken noch in Nils’ Schlafzimmer.
„Nein, nach der Arbeit, Lotti, was sonst?“
„Keine Ahnung, wahrscheinlich ja. Was interessiert mich das denn? Warte, ich erkenne Eike da am Strand und in Uniform den Martin Hinrichsen. Mein Schwager Enno ist auch schon da mit seiner Arzttasche. Er steht aber bei den Gaffern an der Absperrung. Keine Ahnung, warum. Ach, guck, da ist auch die Nele von der Spurensicherung. Wo wohl ihr Chef Bodo Siebenstein rumschwirrt? Den kann ich nirgends entdecken. Aber Nils und Rico sind mit einem schwarzen Leichensack da, glaube ich. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch irgendwas mitkriegen wollen.“
Gesagt, getan. In Windeseile rannten die Seniorinnen über die Wiese. Man sollte nicht meinen, wie fit sie noch waren. Das Radfahren, die Ermittlungen und der Kiosk hielten sie auf Trab. Da blieb einfach keine Zeit zum Älterwerden. Vorsichtig näherten sie sich über das Gras hinweg und stülpten sich dann das Zelt über. Jetzt ging es nur noch im Zeitlupentempo und auf Knien weiter.
„Mensch, wie kommen wir denn da nur ganz dicht ran?“, überlegte Rita flüsternd. „Sehen tun wir ja sowieso kaum was, aber hören wäre toll.“
„Ich hab eine Idee“, wisperte Oma Pusch zurück und lugte durch das kleine Dreieck an der Vorderseite, das nur mit einem Fliegengitter bespannt war. Als sie sich nahe genug an die Menschenmenge herangerobbt hatten, verstellte sie ihre Stimme. „Achtung, Achtung! Aus dem Weg! Bitte Platz machen für die Spurensicherung! Sie behindern sonst die Bodenuntersuchungen.“