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»Blind Dates?« Der Leiter des Kommissariats schaute verwirrt, soweit das sein trauriger Dackelblick zuließ.
»Verabredungen, ohne viel von dem anderen zu wissen, nicht mal den wirklichen Namen.«
Weder einen Geldbeutel noch ein Handy hatten sie gefunden, nicht bei der Leiche und nicht in Sternbergs Wohnung. Dieses Faktum schloss zwar einen Raubmord nicht aus, die Durchführung der Tat dafür umso mehr. Welcher gewöhnliche Räuber würde einen solchen Aufwand betreiben, um an ein Handy und ein bisschen Kohle zu kommen? Die Entwendung aller persönlichen Gegenstände konnte nur einen Grund haben: Der Täter fürchtete sich vor Spuren, die auf ihn hindeuteten.
»Wir haben einen Anschluss ermitteln können, der auf Sternbergs Namen läuft. Der Anschluss ist tot, das Handy muss ausgeschaltet worden sein und mehr als das, vermutlich hat man den Akku entfernt oder das Handy komplett zerstört«, sagte Wullkopf.
»Das Bewegungsprofil vor der Tat?«
»Sind wir noch drüber. Die Telefongesellschaft ist kontaktiert.«
»Gut.«
Ein Bewegungsprofil von Sternberg, seine letzten Wege vor seinem Tod, konnte sehr aufschlussreich sein. Wo war Sternberg losgelaufen? Wann war er am Dom eingetroffen? Welche anderen Handys hatten sich zur gleichen Zeit am selben Ort eingeloggt? Mit etwas Glück kamen sie auf diesem Weg weiter.
Mützes Handy schlug an. Es war die Pforte, ein Anruf für ihn, ein gewisser Kevin Wieland wolle ihn sprechen.
»Stellen Sie durch! – Herr Wieland? Sind Sie zu Hause? Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir kommen vorbei.«
Das Wetter war umgeschlagen. Ein übler Nordwest trieb fette Wolken gegen die Höhen des Thüringer Waldes, es fing kräftig an zu plästern. Die Wischblätter des Mantas taten, was sie konnten. Der Verkehrsbericht warnte vor Neuschnee auf dem Rennsteig. Nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit, meinte Braunkärsch, der aus Ilmenau stammte.
»Im Grunde gibt es nur zwei Monate, die dort oben garantiert schneefrei sind, Juni und Juli. Selbst Ende August hat es schon geschneit.«
Braunkärschs Gesicht trübte sich ein, während er das sagte. Für kein Geld der Welt würde er mehr einen Fuß in die alte Heimat setzen. Nicht, dass er keine glücklichen Erinnerungen an seine Kindheit gehabt hätte, im Gegenteil. Seine Kindheit war ihm als einziger Traum erschienen, ein kleines Paradies voller Geheimnisse und Geborgenheit. Die ungezwungenen Spiele mit seinen Kameraden an den Ufern der Ilm, die nahen Wälder mit ihren Verstecken, die unbegrenzten Freiheiten ihrer kleinen Welt, der Duft des Pflaumenkuchens am Gartentisch seiner Großmutter. Seine größte Freude aber war es gewesen, nach Spuren von Unfällen zu fahnden. An einer gefährlichen Kurve am Ortseingang, nicht weit von seinem Elternhaus, hatte es immer mal wieder ein Auto gegen einen Alleebaum geschleudert. Sofort war er los und hatte im Straßengraben nach Spuren des Unfalls gesucht. Wie groß war seine Freude gewesen, wenn er etwas gefunden hatte, einen abgerissenen Autospiegel, ein zerbrochenes Blinkerglas, einmal sogar einen kompletten Kotflügel. Mithilfe seiner Schätze hatte er versucht, den Unfallhergang zu rekonstruieren.
Seit er sich erinnern konnte, war es sein größter Wunsch gewesen, eine Ausbildung zum Polizisten zu absolvieren und dann in seine Heimatstadt zurückzukehren. Doch wehe, wenn sich Wünsche erfüllen! Die Rückkehr nach Ilmenau sollte zu seinem größten Albtraum werden. Was er dort hatte erleben müssen, ließ ihn nicht mehr los. Am Schlimmsten war diese Stimme, die Stimme der Mutter. Sie verfolgte ihn bis in die Nächte hinein. Oft konnte er darauf nicht weiterschlafen, ja, wollte nicht weiterschlafen, um nicht erneut diesen Traum zu träumen. Dann stand er auf, erschöpft und todmüde, setzte sich an den Tisch und wartete, wartete darauf, dass endlich der Morgen graute. Nein, nie wieder wollte er nach Ilmenau zurück.
Erfurt tat ihm gut, die Geräusche der Stadt, das quirlige Leben, all das beruhigte ihn. Nie hätte er sich das früher vorstellen können. Wenn spätabends das Rattern der nahen Straßenbahn an sein Ohr drang, empfand er das als süßen Trost und er schlief leichter, wenn es gelang, sogar bis zum nächsten Morgen.
Braunkärsch betrachtete melancholisch den schmalen Silberring an seiner linken Hand. Um wie viel mehr hatte er Erfurt genossen, als Sylvia noch bei ihm gewesen war. Sie hatte den Schmerz seiner Verwundungen gelindert und ihm dann eine neue Wunde zugefügt. Drei Jahre war das jetzt her. Warum ihn Sylvia verlassen hatte, verstand er bis heute nicht. Es hatte keinen Streit gegeben, keine heftigen Diskussionen, nichts. Eines Tages hatte sie die Koffer gepackt und war davon. Ein kleiner Zettel auf dem Tisch mit einem kurzen Abschiedsgruß, das war alles gewesen. Auch diese Wunde wollte nicht heilen.
Bindersleben war erreicht. Einer der seltenen Flieger kämpfte sich zum Wolkengrau hinauf, aus dem ein heftiger Guss niederging. Kurz nach dem Ortsschild bog Mütze links ab. Im Pegasusweg 32 waren die Vorhänge zugezogen, dahinter schimmerte Licht. Mit hochgezogenen Mantelkrägen eilten die Kommissare zur Eingangstür und drückten die Klingel. Ein junger durchtrainierter Mann in Jogginganzug und Sportschlappen öffnete auf das Klingeln so rasch, als hätte er hinter der Tür gewartet. Seine braunen Haare trug er an den Scheiteln ausrasiert, der Schopf hing ihm tief über die Stirn, wie es jetzt bei jungen Leuten Mode war.
»Herr Wieland?«
»Jawohl, Kevin Wieland.«
Die Kommissare traten ein, Kevin Wieland schloss die Haustür schnell wieder, denn ein heftiger Regenschauer jagte ihnen hinterher. Zusammen gingen sie in die Wohnküche.
»Meine Frau Lisa.«
Am Küchentisch saß eine schlanke Frau mit blonder Kurzhaarfrisur.
»Ich geh nach oben«, sagte sie.
»Nein, nein, bleib doch ruhig, Schatz, wenn es die Herren nicht stört«, erwiderte ihr Mann.
Mütze und Braunkärsch hatten keine Einwände und setzten sich dazu.
»Meine Nachbarin hat mir einen Zettel an die Tür geklebt, dass die Polizei bei uns gewesen ist. Waren Sie das? Wir haben meine Schwiegereltern in Arnstadt besucht und sind eben erst nach Hause gekommen. Was ist denn passiert?«
»Herr Wieland, kannten Sie Herrn Sternberg?«
»Sternberg? Moment, Sie meinen Adam Sternberg? Na klar, kenne ich Adam! Aber wieso kannten? Was ist mit Adam?«
»Er ist tot.«
Lisa Wieland schlug sich auf den Mund, dennoch entfuhr ihr ein unterdrückter Schrei. Entsetzt starrte sie Mütze an und auch ihr Mann war sprachlos.
»Tot? Warum denn tot?«, fragte er stotternd.
»Wir müssen davon ausgehen, dass er getötet worden ist«, sagte Mütze.
»Um Himmels willen, wer war das? Wer hat Adam umgebracht?«
»Woher kannten Sie Herrn Sternberg?«
»Adam ist ein guter Freund, wir sind Kollegen, arbeiten zusammen bei der Stadt als Gärtner.«
»Wann haben Sie Adam Sternberg das letzte Mal gesehen?«
»Am Donnerstag. Karfreitag hatten wir beide frei, da musste nur der Notdienst ran. Wir sind beide oben am Petersberg eingesetzt worden, letzte Arbeiten an den Tulpenbeeten, Sie wissen schon, die Gartenschau. Alles etwas hektisch im Moment.«
»Ist Ihnen