Der Verdrüssliche. Eva Holzmair
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Читать онлайн книгу Der Verdrüssliche - Eva Holzmair страница 23
Gitta wirft das Handy auf den Küchentisch. Ein sich quer durch die Kunstszene fickender Galerist muss nicht zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein. Shit: Bernhard. Sie hat vergessen. Bernhard kann doch nicht alleine … nicht einmal einen Schlüssel hat er.
Ich komm, wenn du mich brauchst. Aber gleich am nächsten Tag? Das wäre eine Bankrotterklärung. Außerdem würde Paul sie erneut damit nerven, die Ausstellung abzusagen. Ihre Mutter? Zu kurzfristig. Außerdem würde Mutter nach Paul fragen. Und Gitta will nichts erklären. Nicht jetzt. Sie merkt, wie sie ihre Zähne aufeinanderpresst. Nur nicht verkrampfen! Sie muss eine andere Lösung finden. Michi! Wo ist bloß die eingespeicherte Nummer? Unter M kann Gitta sie nicht finden. Michi hat sie doch erst unlängst angerufen. Gitta schaut in den Gesprächsprotokollen nach, wo zwischen der Endlosreihe der Ivo-Versuche einmal Iggi aufscheint. Natürlich, wie konnte sie das nur vergessen! Iggi. So hat sie Bernhard gerufen, als er Michi noch nicht aussprechen konnte. Schmetterling war Mekasing. Opa Hausladen war Opa Asaden. Und Michi war Iggi. Erleichtert tupft Gitta auf den Eintrag.
- Michi, ein Notfall!
- Gitta! Geht’s dir nicht gut?
- Nein.
- Was nein?
- Ich nehm Tabletten, seh keine Gespenster, zumindest heute nicht, wenn du das meinst, aber sonst hab ich ein Problem. Michi, bitte! Kannst du herkommen und auf Bernhard aufpassen?
- ¿Ist er krank, tu pequeñito?
- Nein. Er kommt um eins aus der Schule, aber da bin ich hoffentlich schon weg und helfe beim Hängen der Bilder.
- Gitta, wie stellst du dir das vor? Ich sitz in einem Büro mit Bossen, die Leistung einfordern. Ich muss performen, from nine to five, am besten noch länger.
- Was soll ich denn tun?
Gittas Stimme kippt ins Weinerliche.
- Wie alt bist du?
- 36. Warum?
- Dann überleg auch mal wie ein erwachsener Mensch.
- Red nicht so mit mir!
- Du forderst es heraus. Apropos, wo ist Paul? Du hast doch gesagt, dass er die nächsten Tage hier ist.
- Er ist aber weg.
- Was heißt weg?
- Er hat mich verlassen.
Das ist ihr so rausgerutscht. Gitta will doch gar nicht über Paul reden, sondern darüber, dass jemand da sein muss, wenn Bernhard heimkommt.
- Und dir geht’s gut, sagst du?
- Ja, schon. Paul braucht bloß Abstand, wird aber wiederkommen, denk ich, nicht gleich, bald, und ich brauche jemanden für Bernhard, weil der um eins kommt, heute. Ist das so schwer zu verstehen?
- Deine Prioritätensetzung ist bestechend. Ich komme gleich nach der Arbeit zu dir.
- Dann ist es zu spät.
- Für Davor versuch ich was zu organisieren. Der Joe kennt jemanden.
- Wer ist Joe?
- Sitzt im Nebenzimmer. ¡Espérate un momentito!
Gitta hört Gemurmel im Hintergrund.
- Sie verlangt acht Euro die Stunde.
- Wer?
- Seine Babysitterin.
- Bernhard ist kein Baby.
- Joes Sohn auch nicht mehr. Halt die Daumen, dass sie Zeit hat.
- Danke, Michi.
Einige Minuten später die beruhigende Nachricht:
- Sie kommt! Wann kann sie sich den Schlüssel holen?
- Am besten gleich.
- Fahrt ihr schon los?
- Nein.
- Wann werden denn die Bilder geholt?
- Ich weiß es nicht. Ich warte schon die ganze Zeit, womöglich bin ich sogar noch selbst da, wenn Bernhard nach Hause kommt. Ivo meldet sich nicht. Und ich kann doch nicht alles alleine machen, kenn nicht einmal den Weg.
- Na, die Adresse der Galerie weißt du doch!
- Ich werde aber in einen Golfclub ausgesiedelt. Gemeinsam mit dem Reinhard Schöller.
Michis Empörung überträgt sich auf Gitta. Was glaubt denn dieser Ungemach? Verspricht eine Personale und hat nun die Stirn, sie mit diesem Nichtskönner in einem Provinzkaff zusammenzuspannen. Golfclub! Eine Frechheit! Gerade, als sie sich in eine wohltuende Wut hineingeredet hat, läutet es an der Tür.
- Hast du gehört? Der Arsch ist nun da.
- Sei nicht zu freundlich. Ich sag der Babysitterin, dass sie sich beeilen soll. Sie heißt übrigens Daniela. Ich komm dann nach der Arbeit zu dir und lös sie ab, falls du noch nicht zurück bist.
- Danke, Michi. Bis dann!
Um nicht aus dem befreienden Furor herauszukommen, schreit Gitta auf dem Weg zur Tür mehrmals – du Arschgesicht! – und reißt sie mit Schwung auf.
- Hab ich Sie erschreckt?
Verdattert schaut Gitta auf ihre Nachbarin, die breitbeinig auf der Matte steht.
- Nein, ich hab bloß jemand anderen erwartet.
Frau Bergers Antwort, dass sie sich das gedacht habe, belustigt Gitta, ebenso der Versuch, an Gitta vorbei in die Wohnung zu linsen. Wo ist das Arschgesicht, wo, Frau Berger, wo? Suchen Sie’s doch! Kalt, kälter, ja, schon besser, hier wird’s wärmer, aber erst wenn Sie sich im Spiegel sehen, ist’s brennofenheiß.
- Ich will Sie nicht aufhalten, will Ihnen nur etwas geben. Ich glaube, es gehört Ihrem Mann.
Frau Berger hält Gitta einen hellen Handschuh unter die Nase.
- Er lag im Lift.
Höflich bedankt sich Gitta. Etwas abrupt schließt sie die Tür und geht nun doch ins Atelier. Sie befingert das weiche Leder. Einer von Pauls Autofahrer-Handschuhen. Gitta legt ihn aufs Fensterbrett, zieht den Arbeitsmantel an und schlendert zur Staffelei. Nachdenklich schaut sie auf Bernhard, Paul und den Verdrüsslichen, dann über den Handschuh hinweg zum Fenster hinaus. Dieser Himmel! Sie muss ihn einfangen. Mit leicht zusammengekniffenen Augen studiert sie die dichte Wolkenbank, die zwischen den beiden gegenüberliegenden Häusern zu sehen ist. Diesmal braucht sie sehr lange, bis sie mit ihrem Entwurf zufrieden ist. Schwer