Der Verdrüssliche. Eva Holzmair

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Der Verdrüssliche - Eva Holzmair

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      Dacht ich’s mir. Landok in der Gespanschaft Zips war ein Castel der lusinskyschen Familie unten am carpathischen Gebirge. Dort wurde Alabaster gebrochen. Einer dieser Gesteinsbrocken war ich. Das ist lange her. Es gab keine Automobile, dafür Ochsen- und Pferdefuhrwerke, die nicht von traffic jams am Weiterkommen gehindert wurden, sondern von gebrochenen Deichseln, störrischen Zugtieren oder bis zur Bewusstlosigkeit betrunkenen Fuhrknechten. In einem solchen Karren, vor den zwei träge Ackergäule gespannt waren, die sich vom Kutscher weder durch Fluchen noch durch Peitschenknallen aus dem einmal gewählten müden Trott bringen ließen, kam ich nach mehreren Tagesreisen vom Zipser Komitat zu einem Händler nach Preßburg, der die gesamte Ladung übernahm. Er zeigte auf ein erlesenes Stuckh, befahl einem Gesellen, dasselbe auf einen Leiterwagen umzuladen, und einem Buben, damit zum Meister zu fahren. Schon allein an der Art, wie er das Wort ›Meister‹ aussprach, erkannte ich noch unbehauener Bauernschädel – das erlesene Stuckh war natürlich ich, who else –, dass es sich dabei um einen besonderen Mann handeln musste. Genau das war er, und das weiß ich aus erster Hand, Mister Belisarius Los Angeles Times. Er hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. In seiner Werkstatt.

      Akkurat dorthin brachte mich der rachitische Bube. Über holprige Wege und bucklige Gassen ging es zu einem stattlichen Haus an einem Platz, der sich Grüner Markt nannte. Mit seinen mageren Fäusten hämmerte der Kleine gegen das Tor und wartete, bis ein properes Weibsbild mit üppig unter einem Häubchen hervorquellendem Haar öffnete und ihn hieß, mich in die Werkstatt zu tragen. Belustigt sah sie zu, wie er sich abmühte, mich aus dem Leiterwagen zu heben. Erst als ich dem Jungen aus den Ärmchen zu fallen drohte, half sie, mich in den hinteren Teil des Hauses zu schleppen. In einem großen Raum, wo Gestein in vielerlei Gestalt auf Werkbänken oder auf dem Boden lag, stellten sie mich in einer Ecke ab. Schüchtern hielt ihr der Bub seine geöffnete rechte Hand hin. Sie lachte und meinte, dass wohl mehr sie als er gearbeitet hätte, aber wenn er ihr hülfe, die zwei Schock Eier in die Vorratskammer zu bringen, dann würde er schon etwas kriegen.

      Da war ich nun und beileibe nicht allein. Neugierig beäugten mich meine Zipser Brüder aus Oberungarn, aber auch entferntere Verwandte aus Niederungarn, Galizien, Salzburg, Tirol und der Toskana. Wir sind eine weit verbreitete Sippe. Uns findet man überall dort, wo Meere in isolierten Becken verdunstet oder sulfidische Erzlagerstätten durch Oxidation verwittert sind. Ach, wie töricht! Von der Oxidation habe ich Carl nichts erzählt. Das muss ich unbedingt nachholen. Mit dem Wissen kann er Sarena nicht bloß beeindrucken, sondern geradezu verblüffen. Er braucht das. Stolz sein auf die Kinder, das will ein Vater durchaus, sich unterlegen fühlen, das will er just nit. Freiherr von Szegety konnte höchst unangenehm werden, wenn seine Söhne ihm über den Kopf zu wachsen drohten. Trotzdem musste er sich schließlich fügen.

      Pardon, ich bin schon wieder abgeschweift. Und dabei erzähle ich mit Vorlieb von meiner Ankunft in Preßburg anno 1780. Wo bin ich stehengeblieben?

      - Bei der Verwitterung.

      Danke, Belisarius. Du hörst zu. Erstaunlich. Vielleicht ist das der Beginn einer wunderbaren, allerdings kurzen Freundschaft. Ich habe so viel erlebt, dass deiner Los Angeles Times die Seiten ausgehen würden, wollte sie über mich schreiben. Ich stamme nicht nur aus der Alten Welt, ich selbst bin Jahrmillionen alt.

      - Ich dachte, du wurdest im 18. Jahrhundert geschaffen.

      Richtig, als Kunstwerk stamme ich aus dieser Zeit, indes der Stein, aus dem ich gehauen wurde, zählt einige Lenze mehr. Schon im Gilgamesch-Epos ist von ihm die Rede. Von seinem Glanz, seiner außergewöhnlichen Schönheit. Neben dem Speckstein ist Alabaster das älteste Bildhauermaterial der Menschheit, der Gyps der Götter. Skulpturen allerersten Ranges sind daraus gefertigt. Wir sind exzeptionell. Bloß etwas heikel. Im Freyen verlieren wir an Aussehen. Genau wie ihr, allerdings dauert dieser Prozess bei uns etwas länger.

      Lasst mich nun aber zurückkehren zum Meister, zur Werkstatt. Obzwar abgelegt in einer Ecke, ward ich beileibe nicht allein.

      - Das hast du schon gesagt.

      Richtig. Ich muss nur den Faden dort wieder aufnehmen, wo ich ihn fallengelassen habe. Von meinem dunklen Winkel aus suchte ich das Gespräch mit den meinigen. Lach nicht so hämisch, Belisarius! Ich weiß, was sich gehört. Ich stellte mich vor, wählte zu Beginn allerdings das falsche Gegenüber, die blasierte Base aus Csővar, die sich weiß Gott was einbildete, dass der Felsen, aus dem sie gebrochen ward, ein altes Schloss trug. Ich bitte euch! Auch bei uns in Landok gab es herrschaftliche Anwesen. Deshalb halte ich mich noch lange nicht für etwas Besonderes. Was?

      - Hat die Base gelogen?

      Nein. In Csővar war tatsächlich ein Schloss direkt über dem Steinbruch, aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, so fürnehm zu tun und mir die kalte Schulter zu zeigen. Wer war sie schon? Ein weißer Steinbrocken. Sonst nichts. Meine edlen Vettern aus der Toskana hätten weitaus mehr Grund gehabt, hochnäsig zu sein, waren sie doch von ausnehmend schöner Färbung. Zu meiner Überraschung erwiesen sie sich als äußerst mitteilsame Gesellen.

      - Wie du.

      Du sagst es, Belisarius. Wie ich. Sie waren zudem mit welschem Temperament ausgestattet. Ihre Zoten. Dio mio! Nichts für euch. Da sei die political correctness vor. Mit den Toskanern war die Unterhaltung nicht nur höchst vergnüglich, sondern auch aufschlussreich. So berichteten sie, dass sie als Nachbildungen antiker Statuetten auf die Burg ziehen würden, wo Albert von Sachsen-Teschen residierte. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass er in Bälde zum Generalgouverneur der Österreichischen Niederlande ernannt werden und fortgehen sollte. Er ward wohlgelitten. Als er und seine durchlauchtigste Gemahlin in Preßburg einzogen, wurden sie von Abordnungen aus allen Landesteilen begrüßt. War das eine Pracht! Das edle Zaumzeug der Pferde, die pelzverbrämten Umhänge …

      - Die reich verzierten Kutschen, die Fahnen, bla, bla, bla.

      Was, das habe ich schon erzählt?

      - Ja, und es interessiert uns auch nicht.

      Aber wenn ihr nichts hören wollt, warum entriere ich überhaupt ein Gespräch?

      - Das fragen wir uns schon die ganze Zeit.

      So, so.

      …

      Banausen, undankbare Bande! Nehmt euch ein Beispiel an Carl. Er unterbricht mich nie, lauscht vielmehr konzentriert, möchte, dass ich ihm etwas beibringe, ihr hingegen, aber was kann man von kleisterdurchtränktem Zeitungspapier schon erwarten. Verstopfte Ohren, verklebte Sicht!

      …

      - Na komm schon, erzähl.

      - Ja, bitte.

      - Sonst platzt du noch aus deinen Falten.

      - Das können wir nicht verantworten.

      Nun gut, ich kontinuiere, aber glaubt bloß nicht, dass ich die Ironie in euren Bitten um Fortsetzung überhört habe. Vielleicht bleibt doch etwas hängen und ihr könnt es weitergeben, bevor ihr endgültig entsorgt werdet. Ihr überlebt euch rasch. Ich nicht.

      - Der Punkt geht an dich.

      Vortrefflich, Mister Belisarius. Ihro Gnaden lernen pfeilschnell.

      Die Werkstatt. Die rege Unterhaltung, nicht bloß über Albert von Sachsen-Teschen, den Schwiegersohn Maria Theresias. Aber der Name der allerhöchsten Frau dürfe in des Meisters Gegenwart keinesfalls erwähnt werden, bloß nicht, warnten mich die Vettern aus dem Welschland. Das hätte einen seiner gefürchteten Tobsuchtsanfälle zur Folge. Maria Theresia, die Kaiserin, ja

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