Das Geheimnis der Fischerin vom Bodensee. Erich Schütz
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Читать онлайн книгу Das Geheimnis der Fischerin vom Bodensee - Erich Schütz страница 3
Max hantiert an den Müllcontainern Ellegasts im hintersten Winkel des Parkplatzes. Die Hallen der Fischverarbeitungsfirma Ellegast liegen 50 Meter vor ihm. Er sieht sie kaum im Dunkeln, hört aber die Motoren der Kühlanlagen. Der Parkplatz ist verweist. Kein Mensch in Sicht. In Ruhe fingert Max einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und macht sich ans Werk. Ein Marderschloss zu knacken, ist für ihn kein Hexenwerk. Als Halbwüchsige haben sie öfter die Marderschlösser an den Motorbooten im Überlinger Osthafen geknackt, um mit ihnen nachts über den See zu preschen.
In Ruhe sucht er einen passenden Schlüssel aus, er will in den Müllcontainer Ellegasts sehen, vielleicht findet er dort die Verpackungen der Felchen, die der Fischhändler heute Morgen in das Seerestaurant geliefert hat. Max will wissen, woher diese Felchen tatsächlich stammen. Aus dem Bodensee jedenfalls nicht. Felchen werden für die Bodensee-Gasthäuser aus Italien, Polen oder gar aus Sibirien eingekauft, seit Neuestem auch aus Lettland und jetzt auch noch aus Weißrussland. Was zählt, ist allein der Preis. Mitbieten können allerdings nur Zuchtanlagen in Seen, die in den nördlichen Breiten liegen. Das Felchen braucht frisches und kühles Wasser. Bisher schien der im Herzen der Alpen gelegene Bodensee seine ideale Heimat.
Plötzlich schreckt ihn ein klirrendes Geräusch auf, als wäre eine große Glasscheibe zu Bruch gegangen. Gleichzeitig erhellen grelle Scheinwerfer das Firmengelände und den Parkplatz. Verdammt, er hat noch nicht den passenden Schlüssel gefunden. Unsicher schielt er hinter den Müllcontainern hervor. Er sieht drei Gestalten hintereinander, ganz eng im Schatten der Flutlichter schnell an der Hauswand der Fischfabrik entlangwischen. Sie bewegen sich hastig in Richtung der hinteren Zufahrt des Firmengeländes, wo kein Licht hinstrahlt und er seinen alten Renault abgestellt hat.
Gleichzeitig klirrt erneut Glas, noch lauter, und Max sieht, wie plötzlich Flammen aus geborstenen Fenstern des Gebäudes im Erdgeschoss schlagen. Unsicher schaut er sich um. Zeit zu verschwinden, denkt er und huscht im weiten Bogen um das Firmengelände, sich ebenfalls möglichst im Dunkeln haltend, den drei schwarzen Gestalten in den Hinterhof hinterher.
Haben die drei das Feuer in der Fischverarbeitungsfirma gelegt? Angestrengt starrt Max in das Dunkel. Wo sind sie hin? Hinter sich sieht er das Feuer immer höhere Flammen schlagen. Soll er zurückgehen? Muss er Erste Hilfe leisten? Aber wie soll er Ellegast anschließend erklären, was er auf dem Firmengelände gesucht hat? Menschen waren offensichtlich nicht in der Fischverarbeitungshalle, beruhigt er sich, schließlich hat er kein Licht gesehen. Aber er rätselt, woher die drei Gestalten plötzlich kamen und wohin sie jetzt verschwunden sind?
Max entschließt sich abzuhauen, nichts wie weg. Er rennt, ebenso wie die drei Gestalten, im Schatten der grellen Strahler Richtung Hinterausgang des Firmengeländes. Eine Schranke versperrt die Ausfahrt zu dem angrenzenden Wald. Auf dem Waldweg, der direkt zu Ellegasts Firma führt, hat er sein Auto stehen gelassen.
Plötzlich sieht er die drei wieder. Auch sie rennen den gleichen Waldweg hinunter in die Richtung, wo Max’ Auto steht. Max überlegt nicht lange und setzt den dreien nach.
Die zuerst kleinen Flammen entwickeln sich zu einem mächtigen Brand. Max schaut noch einmal zurück und wundert sich, wie die drei solch ein Feuerwerk entstehen lassen konnten. Doch, wo sind sie geblieben? – Egal, er muss jetzt weg.
Kaum an seinem Auto angekommen, setzt er sich hinein und startet den Motor. Bevor die Feuerwehr und die Polizei kommen, muss ich über alle Berge sein, denkt er. Ohne die Schweinwerfer seines Autos aufzudrehen, wendet er auf dem schmalen Feldweg im Dunkeln seinen Wagen und will zur Straße fahren. Im Wald ist es noch dunkler als auf dem Firmengelände, er ahnt mehr den Weg, als dass er ihn tatsächlich sehen kann. Stockdunkel, Nieselregen und Nebel, er muss also sehr langsam fahren.
Plötzlich spürt er einen kräftigen Schlag gegen das Heck seines alten Kasten-Renaults Rapid. Himmel, gerade ist ihm in Überlingen ein alter Herr ins Heck des Autos gekracht, jetzt schon wieder.
Ohne lange zu überlegen, steigt er aus und geht aufgebracht zu dem Hintermann, da brüllt ihm dieser mit heruntergelassener Scheibe aus seinem alten roten Golf heraus schon entgegen: »Verschwinde, du Sekel, was fährst du ohne Licht durch den stockfinsteren Wald?«
»Und du Sekel! Habt ihr das Feuer gelegt?«, schießt Max erbost seine Verdächtigung zurück. Als Antwort ertönt das erste Martinshorn in der Ferne.
»Verschwinde jetzt, wir waren es nicht, und wenn die Bullen uns erwischen, bist du genauso dran, vielleicht hast du das Feuer ja gelegt!«, blafft die unbekannte Stimme aus der dunklen Karre hinter Max’ Auto.
»Ich glaub, du spinnst«, ist Max schnell auf Hundert und geht mit Wut im Bauch auf die Fahrertür zu. »Du fährst mir in den Arsch und drohst mir noch dazu mit der Polizei?« Energisch versucht er, die Fahrertür aufzureißen. Weitere Martinshörner ertönen, sie kommen schnell näher. Schon zucken die Blaulichtblitze durch die Baumstämme bis in den Wald. Max rüttelt an dem Türgriff des Autos, aber der Fahrer hat schnell den Verriegelungsknopf gedrückt.
»Glaub uns, wir bezahlen dir deine Beule, aber jetzt lasst uns hier verschwinden«, hört Max plötzlich eine junge Frauenstimme aus dem Inneren des Wagens. Er bückt sich hinunter, kann aber in dem dunklen Auto nicht viel erkennen. »Warum sollten wir ein Haus anzünden, nur weil darin tote Fische verarbeitet werden, das ist doch Quatsch.«
»Fahr jetzt, bevor die Bullen die Straße da vorne sperren, dann sitzen wir alle fest«, mischt sich der Fahrer des Golfs energisch ein.
»Bitte!«, wird die Frauenstimme aus dem Off energischer, »fahr jetzt weg da vorne!« Gleichzeitig erhellen Scheinwerfer die Waldszenerie. Ein großer Löschwagen der Feuerwehr ist in den Waldweg eingebogen und hält direkt auf die beiden Autos, die mitten auf dem Weg stehen, zu. Das Martinshorn übertönt jedes weitere Wort, der Feuerwehrwagen gibt zusätzlich zu seinem Blaulicht mit Fernlicht Zeichen, den Weg frei zu machen.
»Scheiße!«, brüllt Max, läuft nach vorne zu seinem Auto und springt hinein. So schnell und so weit er kann fährt er auf dem unbefestigten Waldweg auf die rechte Seite. Der Fahrer des Löschfahrzeugs hält unbeirrt auf ihn zu. Max fährt noch weiter rechts ran, schlägt noch stärker ein, er muss fast in den Graben fahren, um Platz zu schaffen, sonst schrammt ihn der Feuerwehrwagen. Der kennt nichts, wird Max bewusst und spürt, wie sein Auto bereits in den Graben abrutscht.
Der Löschwagen schießt, ohne abzubremsen, mit hohem Tempo und ohne Rücksicht an ihm vorbei. Offensichtlich will er das Feuer in den Fabrikhallen der Fischfabrik von der Rückseite her bekämpfen.
Kaum ist der große Feuerwehrwagen durch, gibt Max sofort wieder Gas, er will schnellstmöglich aus dem Graben zurück auf die sichere Fahrbahn, doch die Räder drehen durch. Komm schon, denkt er, nimmt etwas Gas weg und lässt die Kupplung schmieren. Ganz langsam, sagt er zu seiner alten Karre und wohl auch zu sich, nur nicht durchdrehen. Er gibt fast kein Gas mehr, damit die Räder Halt finden. Plötzlich wird es hell neben ihm, da sieht er die Karre der drei dunklen Gestalten, die ihm eben noch in sein Heck gefahren sind, auf fast gleicher Höhe neben sich.
Doch so schnell gibt er sich nicht geschlagen, er will die drei nicht so einfach entkommen lassen. Also drückt er geistesgegenwärtig das Gaspedal ganz durch. Die 58 PS seines 20 Jahre alten Kastenwagens heulen auf, und der Renault macht tatsächlich einen Satz genau vor die Schnauze des Wagens der drei Gestalten. So stimmt die Rangfolge wieder, denkt Max und will sich die drei jetzt nochmals ernsthaft vorknöpfen, da aber biegt der nächste Einsatzwagen mit Blaulicht schon in den Feldweg ein.