Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler

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Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler

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sah mich an. Von der Seite wirkte sein Gesicht im Mondlicht sehr jung und sanft. Sein blondes Haar glänzte wie ein Strahlenkranz.

      „Ja“, sagte er, „das glaube ich schon. Aber nicht auf einmal, weißt du. Man muß es anders probieren – Schritt für Schritt. Auf ein Berg kommst du ja auch nicht mit ein einziges Hops – wie sagt man da? – hinauf.“

      „Mit einem einzigen Sprung“, erklärte ich nachdenklich. „Nein, da hast du recht; das geht nicht.“

      Hinter uns sang Kristin sehr laut und falsch: „Es geht ein Bi-Ba-Butzemann um unser Haus herum…“

      Die friedliche, märchenhafte Stimmung war zerstört. In der Ferne tauchte das Pfarrhaus zwischen den Bäumen auf; die Laterne brannte über der Vortreppe, und ein Torflügel stand offen.

      Mir war, als wartete es auf uns, doch es war kein gutes Gefühl. Unwillkürlich faßte ich Magnus’ Hand fester. Er sagte: „Wir hätten dir nicht das alles erzählen dürfen – daß es ein Spukhaus ist und so.“

      „Vielleicht hätte ich es auch von allein gemerkt“, erwiderte ich.

      Er blieb einen Augenblick stehen und sah mich im Mondlicht an. „Hast du etwas gemerkt?“

      Neben uns kreischte es. Kristin lief wie ein Irrwisch durchs Gebüsch, und Sten folgte ihr, schnaufend und brummend wie ein Troll. Ich erwiderte Magnus’ Blick. Er war so offen, so aufrichtig, daß ich nicht lügen mochte.

      „Ja“, sagte ich. „Ich hab etwas gemerkt, aber frage mich jetzt bitte nicht weiter. Ich werde es dir noch erzählen – sicher schon bald. Es ist alles so verworren… Ich finde mich selbst nicht zurecht.“

      Er schwieg eine Weile und nickte. „Wir sollten uns einmal einsam treffen“, sagte er dann. „Da können wir besser reden.“

      Das wollte ich auch – sehr gern sogar. Kristin war meine Freundin, und ich mochte Sten; doch jetzt wurde mir bewußt, wie gern ich einmal mit Magnus allein gewesen wäre. Allerdings hatte ich so meine Zweifel, wie ich das bewerkstelligen sollte. Wir hatten bisher alles gemeinsam getan, seit wir in Schweden waren, Kristin und ich. Vielleicht hätte sie mich nicht verstanden, wenn ich plötzlich versucht hätte, sie auszuschließen.

      „Das würde ich gern tun“, sagte ich zögernd. „Aber Kristin…“

      Sten und Kristin kamen angelaufen und rannten uns fast um. Wir kamen nicht mehr dazu, die Sache zu besprechen oder gar etwas auszumachen. Fast ein wenig verlegen verabschiedeten wir uns voneinander. Dann traten Kristin und ich durchs Tor in den Garten des Pfarrhauses, und Magnus und Sten gingen über den Waldpfad nach Lilletorp zurück.

      Ich sah mich sehnsüchtig nach ihnen um. Wie gern wäre ich mit ihnen gegangen! Auch Magnus wandte noch einmal den Kopf und hob die Hand.

      Ich winkte zurück. Es ging mir durch den Sinn, daß ich glücklich war, ihn kennengelernt zu haben. Alles könnte so schön sein, dachte ich, es könnten wunderbare, einmalige Ferien sein, wenn nicht dieses Haus wäre…

      Und ich sah auf das Pfarrhaus und empfand für einen Augenblick etwas wie Haß, so, als wäre es ein lebendes Wesen, ein Feind.

      14

      In dieser Nacht schlief ich endlich wieder besser. Vielleicht war es das ungewohnte Leichtbier, das mir festeren Schlaf und angenehmere Träume bescherte. Trotzdem erschrak ich, als Kristins Vater uns am nächsten Morgen beim Frühstück eröffnete, er müsse für vier Tage verreisen.

      „Eine Tagung in Kopenhagen“, sagte er. „Ich hoffe, es macht euch nichts aus, so lange hier allein zu sein.“ Und er fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Aber wie ich merke, habt ihr ja schon Freunde gefunden und amüsiert euch gut.“

      Vier Tage allein im Pfarrhaus – nur Kristin und ich! Mir war plötzlich richtig elend. Ich ließ meine Kaffeetasse sinken und steckte die Hände in die Hosentaschen, um ihr Zittern zu verbergen.

      Ich merkte, wie Kristin mir einen Seitenblick zuwarf. Sie sagte: „Ja, schon; aber kann Märta nicht im Haus schlafen, während du weg bist?“

      „Ich habe sie bereits gefragt“, erwiderte ihr Vater. „Leider hat sie abgelehnt. Offenbar ist sie ein bißchen abergläubisch und nimmt die Spukgeschichten ernst, die man sich in der Gegend über das Pfarrhaus erzählt. Mir persönlich wäre es natürlich auch lieber gewesen, wenn ich wüßte, daß ihr nachts nicht allein seid. Aber tagsüber ist Märta ja hier. Nachts verriegelt ihr die Türen und Fenster gut, dann kann nichts passieren. In dieser Gegend ist noch nie etwas vorgekommen; eingebrochen wird hier nicht.“

      Die Türen und Fenster verriegeln! dachte ich bitter. Wenn es nur das wäre! Doch ich sagte nichts. Was hätte ich schon sagen können? Professor Zetterlund hätte mir ja doch nicht geglaubt. Doch was hatte seine Anwesenheit im Grunde genommen bisher geändert? Er schien nie etwas zu hören, und ich wäre wohl auch kaum auf den Gedanken gekommen, nachts an seine Tür zu klopfen und mich um Hilfe an ihn zu wenden.

      Wieder beobachtete mich Kristin von der Seite. Ihr Vater sagte: „Ich hatte eigentlich gar nicht vor, zu dieser Tagung zu fahren, aber ein Kollege ist krank geworden. Ich habe versprochen, an seiner Stelle einen Vortrag zu halten. Es widerstrebt mir wirklich, euch allein zu lassen; aber ihr seid schließlich fast erwachsen und könnt gut auf euch selbst achten.“

      Für gewöhnlich war ich sehr erfreut, wenn ich für erwachsen galt, doch in diesem Augenblick behagte es mir nicht. Professor Zetterlund stand auf und ging aus dem Eßzimmer, um seinen Vortrag vorzubereiten. Ich saß neben Kristin am Tisch, mit einem Gefühl, als hätte mir jemand mit einem Sandsack auf den Kopf geschlagen.

      Am nächsten Tag fuhr Kristins Vater mit dem Wagen nach Stockholm. Von dort aus wollte er nach Kopenhagen fliegen. Ich hatte mich inzwischen wieder etwas beruhigt, da auch diese Nacht friedlich und ohne Zwischenfall vergangen war.

      Wir standen am Tor und sahen dem Professor nach, wie er in seinem blauen Volvo losfuhr. Neben ihm saß Märta mit Hut und Sonntagskostüm. Sie wollte Einkäufe in Stockholm machen und erst nachmittags mit Zug und Bus zurückkommen.

      „Wenn du möchtest, können wir ja Sten oder Magnus fragen, ob sie bei uns im Haus übernachten wollen“, meinte Kristin tröstend, als der Wagen zwischen den Bäumen verschwand.

      Ich schüttelte den Kopf. „Das würde in Lilletorp nur ein wildes Getratsche geben. Schließlich kann keiner von den beiden hier übernachten, ohne seinen Eltern Bescheid zu sagen – und dann hieße es bald im ganzen Dorf, daß wir Angst vor dem Spuk haben.“

      Kristin stöhnte. „Mach doch nicht immer aus allem ein Problem!“ sagte sie.

      Wir gingen ins Haus zurück. Es war ein schöner, warmer Tag; Märta hatte das Frühstück für uns auf der Terrasse gedeckt – nur für Kristin und mich, denn der Professor wollte erst auf dem Flughafen einen Imbiß zu sich nehmen. Ein Schmetterling flatterte über den Rasen, die Vögel sangen in den Bäumen, und Kristin meinte, daß sie nicht überrascht wäre, wenn plötzlich ein Elch seinen Kopf über den Zaun strecken würde.

      Natürlich wollte sie mich aufmuntern. Ich versuchte zu lächeln. „Meinetwegen schauen ein Dutzend Elche und zehn Bären über den Zaun“, erwiderte ich. „So was kann mich nicht mehr schrecken.“

      Kristin sah mich halb

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