Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler страница 19

Автор:
Серия:
Издательство:
Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler

Скачать книгу

style="font-size:15px;">      Er verstummte, und wieder sah er mich an. Ich spürte plötzlich, wie ich zu zittern begann. Es war, als hätte er etwas in mir erkannt, was ich selbst nicht wahrhaben wollte, eine Gabe vielleicht, eine Art Wesensverwandtschaft zwischen ihm und mir. Ich fühlte mich zugleich abgestoßen und angezogen, wollte gehen und doch bleiben.

      Weder Professor Zetterlund noch Kristin schien etwas von meiner Verwirrung zu merken. Der Professor fand alles, was der alte Musikant sagte, „sehr interesssant“; und während die Leute sich zerstreuten, bekam der Fremde seinen Kaffee mit bullar, einer Art schwedischem Schmalzgebäck, nickte mir noch ein paarmal zu und lächelte schweigend.

      Ich war froh, als er schließlich ging – froh und traurig zugleich. Wir sahen ihm nach, wie er zur Straßenecke ging. Dort nahm er seinen Rucksack auf und wanderte in Richtung Landstraße, und sein weißes Haar leuchtete in der Sonne.

      13

      Die folgenden Tage und Nächte verliefen ohne Zwischenfall. Nichts Ungewöhnliches geschah; alles war friedlich. Nachts hörte man kein Geräusch als das Rauschen und Raunen der Bäume ums Haus oder das Sausen des Windes im Kamin, der vom Meer kam. Manchmal schrie auch ein Käuzchen aus dem Wald.

      Trotzdem schlief ich kaum, war ständig auf der Hut, immer in Angst vor etwas, das nicht kam. Keine Frau weinte, kein Kind wimmerte.

      „Da siehst du, daß es nichts zu fürchten gibt!“ sagte Kristin, und ich hätte ihr so gern geglaubt. Sie sagte auch: „Du zuckst bei jedem Geräusch zusammen und siehst aus, als wärst du reif fürs Sanatorium, Frankie. Was du brauchst, ist Abwechslung.“

      So fuhren wir am Samstag wirklich mit Magnus und Sten nach Uppsala. Es wurde ein schöner, unbeschwerter Tag. Wir kauften auf dem kleinen Bauernmarkt Obst ein, gingen in Ofvandahls Konditorei, in der es berühmtes Gebäck gibt, sahen uns den alten Stadtkern und das moderne Einkaufszentrum an und bummelten an den ehrwürdigen Universitätsgebäuden vorbei. Auch das rote Schloß hoch oben auf der Anhöhe besichtigten wir, sahen uns die berühmte Domkirche an, wie es sich gehört, und legten uns dann im alten Linnégarten ins Gras unter die Bäume.

      Abends gingen wir noch in eine Studentenkneipe in der Nähe des Domes. Obwohl wir nur „Leichtbier“ tranken – richtiges Bier bekommt man als Jugendlicher in Schweden nicht ausgeschenkt –, waren wir ausgesprochen lustig, als wir uns auf den Weg zum Bahnhof machten, wo der Bus nach Lilletorp abfahren sollte.

      Sten zog sein Hemd und seine Schuhe aus, und wir konnten ihn nur mit Mühe davon abhalten, noch im Fluß Fyris zu baden.

      „Das ist ein sauberes Flüßlein!“ sagte er immer wieder. „Ich brauche eine Auffrischung!“

      „Du kannst dir zu Hause duschen“, erwiderte Magnus geduldig. „Hier ist das Baden verboten, Sten. Wenn du so was machst, setzen sie dir ins Gefängnis.“

      „Bei Wasser und Brot!“ sagte Kristin und kicherte so, daß sie sich auf den Randstein setzen mußte. „Außerdem versäumen wir den letzten Bus, wenn wir uns nicht beeilen. Willst du vielleicht nach Lilletorp zurückwandern?“

      „Ich brauche nicht wandern, wenn ich aufs Gefängnis sitze“, sagte Sten sehr logisch und nickte mehrmals mit dem Kopf.

      Wir zogen und schubsten ihn weiter und kamen gerade noch rechtzeitig zum Bahnhof, als der Busfahrer den Motor anließ. Eilig stiegen wir ein. Kaum hatten wir Uppsala hinter uns gelassen, da schlief Sten schon wie ein Stein – „wie sich’s für seinen Namen gehört“, sagte Kristin.

      Ich saß neben Magnus am Fenster. Diesmal wurde ich vom Fahren nicht reisekrank, sondern nur schläfrig. Ich legte den Kopf an seine Schulter und schloß die Augen. Nach einer Weile spürte ich, wie er den Arm um mich legte und sacht meine Haare streichelte.

      Mir war so friedlich zumute wie schon seit langem nicht mehr. Ich hätte ewig so fahren mögen, durch ganz Schweden, nach Norwegen hinauf und zurück nach Dänemark – überallhin, nur nicht nach Lilletorp. Schließlich schlief ich ein und träumte, daß jemand mich küßte. Es war ein schöner Traum.

      Ich erwachte erst wieder, als der Bus hielt. Magnus schüttelte mich sanft und flüsterte: „Wir müssen hinaussteigen, Frankie!“

      Kristin ging weniger behutsam vor. Sie versuchte Sten hochzuzerren und schrie ihm ins Ohr, er solle endlich aufwachen. Als er nicht sofort gehorchte, zwickte sie ihn fest in die Nase, worauf er erschrocken auffuhr, sich wild umsah und etwas auf schwedisch sagte.

      „Nein“, erwiderte Kristin, „du bist nicht in der Schule, aber schlafen darfst du trotzdem nicht!“

      Draußen wurden wir alle schnell wieder munter. Die Luft war kühl; man merkte, daß der kurze schwedische Sommer schon vorüber war. Irgendwo schrie klagend ein Käuzchen.

      Kristin sagte: „Ihr müßt uns aber noch nach Hause begleiten. Allein gehen wir jetzt nicht mehr durch den Wald.“

      „Wir fahren euch mit den Mopeds hin“, versprach Sten.

      Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das macht zuviel Krach. Wir würden ganz Lilletorp aus dem Schlaf reißen. Außerdem bist du ein bißchen angesäuselt.“

      Er wollte wissen, was das wäre, angesäuselt. „Beschwipst“, sagte ich, doch auch das verstand er nicht.

      „Lätt berusad“, übersetzte Kristin.

      Sten wies diese Anschuldigung empört zurück. Er erklärte, von ein paar Flaschen Leichtbier könne nicht mal ein Baby beschwipst sein, das wäre einfach unmöglich.

      „Du wolltest aber unbedingt im Fluß baden“, hielt ihm Kristin vor.

      Sie kabbelten sich noch eine Weile herum, während wir Lilletorp hinter uns ließen. Magnus und ich ging schweigend, Hand in Hand. Der Mond stand rund und leuchtend über dem Wald und ließ die Wiesen und Felder wie Teiche glitzern.

      „Vackert“, murmelte Magnus andächtig; und ich brauchte ihn nicht erst zu fragen, um zu wissen, daß das schön bedeutete.

      Als wir in den Wald kamen, lag das Mondlicht in breiten Bahnen über dem Pfad, den Wurzeln, dem Moos und dem Blaubeergestrüpp. Im Licht und Dunkel huschten und flatterten allerlei Tiere; doch jetzt hatte ich keine Angst mehr vor diesem nächtlichen Leben – nichts Unheimliches war daran. Das waren Käuzchen, Fledermäuse und Eulen auf der Jagd, Mäuse auf Futtersuche, Nachtfalter, die durch die Zweige taumelten, Wiesel auf Beutejagd.

      „Hast du Furcht?“ fragte Magnus wie ein Echo auf meine Gedanken.

      „Nein“, sagte ich, „davor nicht – nicht mehr.“

      Sein Daumen streichelte meinen Handrücken. Hinter uns kicherten Kristin und Sten wie Kobolde, und Magnus fragte mich, ob ich Tolkiens Buch Der kleine Hobbit gelesen hätte.

      „Eine schöner Geschichte“, sagte er. „Ich erinnere sie immer, wenn ich im Wald bin.“

      Ich dachte daran, wie mutig der eigentlich so ängstliche kleine Hobbit gegen Spinnen, Ungeheuer und dunkle Fabelwesen gekämpft hatte. Auch an die Moral dieser Geschichte dachte ich – daß man tapferer werden kann, je mehr Mut die Umstände von einem fordern. War ich während dieser Ferien tapferer geworden? Bis jetzt sicher nicht; bis jetzt hatte ich nur immer wie ein Kaninchen reagiert, das von einer Schlange

Скачать книгу