Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler

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Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler

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öffnete. Ein schauerliches Knarren erklang, das jeden Tontechniker eines Gruselfilms in Entzücken versetzt hätte.

      „Hast du das gehört?“ fragte Kristin überflüssigerweise.

      „Ja“, sagte ich. „Ich bin schließlich nicht taub.“

      „Ich meine, es könnte doch sein, daß jemand heute nacht diesen Schrank geöffnet hat. Dann hast du das Knarren gehört und gemeint, es wäre ein Schluchzen.“

      „Es hat ganz anders geklungen!“ sagte ich aufgebracht. „Seit wann klingt das Knarren einer Schranktür ähnlich wie das Schluchzen einer Frau?“

      „Oder vielleicht war es das, was du für Kindergeschrei gehalten hast“, meinte Kristin hartnäckig. „Du, dieses Zimmer müßte doch so ungefähr unter dem unseren liegen, oder?“

      Sie erwärmte sich richtig für den Gedanken. „Also paß mal auf, Frankie, du gehst jetzt schnell mal nach oben, und wenn du in unserem Zimmer bist, stampfst du mit dem Fuß auf den Boden. Dann mache ich die Schranktür auf und zu. Du mußt genau aufpassen, ob du ähnliche Geräusche hörst wie in der vergangenen Nacht.“

      Ich hielt den Versuch für sinnlos, aber Kristin war so begeistert von ihrer Idee, daß ich ihr den Gefallen tun wollte. Also ging ich aus dem unbewohnten Zimmer hinaus, den Flur entlang, an der Tür des Arbeitszimmers vorbei in die Halle, die Treppe hinauf und in unser Zimmer. Dort gab ich das verabredete Zeichen und lauschte.

      Sofort erklang ein schwaches, fernes Knarren; nein, eigentlich klang es mehr wie das Ächzen eines morschen Baumes im Wind. Ich dachte, daß ich das Geräusch vielleicht schon einmal gehört hatte; doch bestimmt nicht in der vergangenen Nacht.

      Kristin wartete im Seitenflur auf mich. „Was ist?“ fragte sie gespannt.

      „Nichts“, sagte ich. „Es klang wie ein Ächzen. Vielleicht hab ich’s schon mal gehört, aber vergangene Nacht nicht.“

      „Bist du sicher?“

      „Ganz sicher. Was war im Schrank?“

      „Nur ein paar alte Kleider, die nach Mottenpulver riechen. Wahrscheinlich hängen sie schon seit zwanzig Jahren da. Meinem Vater gehören sie jedenfalls nicht.“

      Auch der Raum neben dem Zimmer mit dem ächzenden Schrank war unbewohnt. Er stand leer bis auf zwei alte Stühle und einen schiefen Tisch.

      „Nichts“, sagte Kristin enttäuscht. „Aber vielleicht sollten wir mal die Wände abklopfen, was meinst du? Womöglich gibt’s hier ein Priesterversteck.“

      Tatsächlich war das ganze Zimmer mit Holz getäfelt, während im anderen Raum, den wir uns vorher angesehen haten, nur alte Tapeten an den Wänden waren. Trotzdem hatte ich keine Hoffnung, daß wir hier des Rätsels Lösung finden würden.

      Kristin gab ihre Klopfversuche auch bald auf. Sie sagte: „Ohne einen richtigen Anhaltspunkt geht das nicht. Wenn nur irgendwo wenigstens eine mickrige Verzierung wäre! In Verzierungen sind immer irgendwelche Knöpfe versteckt, auf die man bloß zu drükken braucht, damit sich die Geheimtüren automatisch öffnen. Das kann man in jedem Abenteuerroman lesen.“

      Da die Wandvertäfelung im Pfarrhaus völlig glatt und ohne jeden Zierat war, konnten wir nicht nachprüfen, ob solche Romane mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Falls es hier tatsächlich eine Geheimtür zu einem Wandversteck gab, mußte sie schon höchst geschickt getarnt sein, denn mit bloßem Auge bemerkten wir nirgends auch nur die geringste Besonderheit oder Abweichung.

      „Das bringt nichts“, entschied Kristin. „Komm, Frankie, jetzt gehen wir in den Keller!“

      Ich hatte überhaupt keine Lust, mir auch noch den Keller anzusehen. Viel lieber wäre ich aus dem Haus gegangen, in den Wald oder nach Lilletorp, irgendwohin. Doch Kristin war wild entschlossen, weiterzusuchen; ich kannte diesen Gesichtsausdruck nur zu gut an ihr.

      „Und hinterher sehen wir uns auch noch den Dachboden an“, sagte sie.

      Diesmal widersprach ich energisch. „Unsinn!“ erwiderte ich. „Was willst du denn da oben? Die Geräusche, die ich gehört habe, kamen eindeutig von unten.“

      „Man kann nicht immer beurteilen, ob Geräusche von oben oder von unten kommen“, sagte Kristin. „Bei uns zu Hause weiß man auch nie, ob die Leute über uns oder unter uns sich streiten, oder ob der Nachbar rechts oder links sein Badewasser einläßt – vor allem nachts nicht.“

      Ich gab keine Antwort, obwohl ich keinen Augenblick daran zweifelte, daß die Geräusche wirklich von unten gekommen waren. Gemeinsam gingen wir den Flur zurück; und als wir vor der Hintertür standen, kamen wir plötzlich darauf, daß wir keine Ahnung hatten, wo der Zugang zum Keller war.

      „Vielleicht hat das Haus gar keinen Keller“, sagte Kristin. „Nicht alle alten Häuser sind unterkellert.“

      Spontan sagte ich: „Es muß einen Keller geben!“ Und ich wunderte mich selbst, mit welcher Sicherheit ich das behauptete.

      Kristin sah mich erstaunt an. „Woher weißt du das? Hat mein Vater den Keller mal erwähnt?“

      „Nein“, sagte ich. „Ich weiß es auch gar nicht. Es… Es war nur so ein Gefühl.“

      Wir suchten fast zehn Minuten lang, bis wir den Zugang zum Keller fanden. Es war eine schmale, unauffällige Tür im Abstellraum, nicht weit von der Küche. Sie war nur mit einem einfachen hölzernen Schnappriegel verschlossen.

      Kristin hob den Riegel und öffnete die Tür. Dahinter führte eine Treppe in die Dunkelheit.

      „Wo ist der Lichtschalter?“ fragte sie und tastete über die Mauer. „Scheint keiner da zu sein. So was – ein Keller ohne elektrisches Licht!“

      Wir sahen uns an. „Wir müssen eine Kerze holen“, sagte Kristin schließlich.

      Ich starrte auf die dunklen Stufen. Ein Gefühl tiefen Unbehagens erfüllte mich, so, als sei ich diese Treppe schon einmal hinuntergegangen und als wäre mir hier etwas Schlimmes widerfahren.

      Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück. Ich hörte Kristin sagen: „Warte hier auf mich, Frankie. Ich gehe in die Küche. Da habe ich Kerzen auf einem Regal gesehen.“

      „Ich komme mit“, erwiderte ich rasch, denn alles in mir sträubte sich, allein bei der Kellertreppe zurückzubleiben. Der Gang in die Küche erschien mir wie ein Aufschub, eine Gnadenfrist.

      Doch schon wenige Minuten später waren wir wieder an der Treppe, mit einer Kerze in einem altmodischen Leuchter und einem Päckchen Streichhölzer. Ich hätte Kristin am liebsten gebeten, diese sinnlose Suche aufzugeben oder wenigstens allein in den Keller zu gehen und mich mit all dem zu verschonen, doch ich sagte kein Wort. Wenn sie mich schon für abergläubisch und überängstlich hielt, für feige sollte sie mich nicht auch noch halten.

      Mit zusammengebissenen Zähnen stieg ich hinter ihr die Stufen hinunter. Der Kerzenschein huschte flackernd über die rohen Ziegelwände. Ein dumpfer Geruch lag in der Luft, der mich an eine Gruft erinnerte.

      „Hier stinkt’s!“ sagte Kristin.

      Meine Füße waren wie Blei. Ich spürte ganz deutlich, daß sie sich weigern wollten,

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