Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler
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Читать онлайн книгу Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler страница 16
Mein Blick blieb auf dem Kreuz haften; mein Herz tat ein paar wilde Schläge. Ich konnte es nicht glauben, was ich da im flackernden Schein der Kerze sah: Es war jene Tür, durch die die Frau mit dem Kind verschwunden war – die Tür aus meinem Traum.
11
„Aber Frankie!“ sagte Kristin. „Das kann doch nicht sein! Du hast die Kellertür nie zuvor gesehen und konntest deshalb auch nicht wissen, wie sie aussieht. Wir sind ja vorher noch nie dort unten gewesen; wir wußten nicht einmal genau, ob es hier einen Keller gibt!“
Sie stockte und sah mich an. „Du hast es gewußt“, sagte sie dann.
Wir saßen im Garten des Pfarrhauses im Gras unter einem Baum, die Vögel sangen, die Blätter rauschten sacht im Wind, doch mir war schrecklich elend. Ich zitterte am ganzen Körper.
„Gewußt nicht“, sagte ich schwach. „Es war… es war mehr eine Ahnung, Kristin.“
Sie stöhnte. „Aber das gibt es doch alles gar nicht! Erst glaubst du, daß es im Pfarrhaus echte Gespenster gibt, und dann hast du auch noch Vorahnungen oder Traumgesichte oder wie man das nennt!“
„Ich weiß, es klingt verrückt“, erwiderte ich mit verzweifelter Stimme. „Aber ich kann’s nicht ändern. Ich wollte, es wäre nicht so! Ich habe diese Tür ganz deutlich im Traum gesehen, mit den gleichen Eisenbeschlägen und dem Kreuz darauf. Es war die Tür, durch die die Frau verschwunden ist – die Frau mit dem Kind.“
„Und vorher hast du sie im Traum auf den Stufen sitzen sehen? War das die Kellertreppe? Hast du die Treppe auch wiedererkannt?“
Kristins Stimme war voller Zweifel; natürlich glaubte sie mir nicht. Wie hätte sie mir auch glauben sollen!
„Sie saß auf einer Treppenstufe, ja. Aber es war so finster da – auch im Traum. Genauso finster wie in Wirklichkeit. Nur… wir hatten vorher eine Kerze dabei. Im Traum war kein Licht. Ich habe nur ihren Schatten gesehen – einen dunklen Umriß.“
Kristin sagte: „Herrje, Frankie, das macht mich ganz verrückt! Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Ich bin richtig durchgedreht.“ Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar.
„Was meinst du, wie mir zumute ist?“ erwiderte ich bitter. „Ich möchte am liebsten weglaufen und mich irgendwo verstecken!“
Ich verbarg mein Gesicht in beiden Händen und schloß die Augen. Ja, ich wollte weglaufen, am liebsten vor mir selbst, wenn das nur möglich gewesen wäre. Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht. Mein Kopf war ein einziges Knäuel von Gedanken, Befürchtungen, Bildern; ich konnte die Erinnerung an die Tür mit dem Kreuz einfach nicht daraus vertreiben. Was dahinter war, wußte ich nicht und wollte es auch nicht wissen – wir waren nach meiner Entdeckung nicht in den Keller gegangen, waren umgekehrt, hatten die Tür nicht geöffnet.
„Frankie!“ sagte Kristin. Ich spürte, wie sie sich neben mich kauerte, mich in die Arme nahm. „Komm, nimm’s nicht so tragisch. Es ist doch eigentlich gar nichts passiert. Vielleicht gibt es ja doch noch eine ganz natürliche Erklärung für alles. Wer weiß, in ein paar Tagen lachen wir über die ganze Geschichte. Du darfst dich nicht so damit herumquälen!“
„Es gibt keine natürliche Erklärung“, murmelte ich hinter vorgehaltenen Händen. „Nicht für den Traum – für die Tür nicht. Und auch nicht für die Geräusche. Es gibt keine!“
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen uns. Dann sagte Kristin: „Du, wir reden mit meinem Vater über alles. Vielleicht hat er schon mal von einem ähnlichen Fall gehört oder gelesen und weiß eine Erklärung.“
Ich richtete mich auf und ließ die Hände sinken. „Nein!“ sagte ich. „Nein, wir sagen ihm nichts. Er würde bestimmt denken, daß ich verrückt und hysterisch bin und Zwangsvorstellungen habe! Vielleicht würde er sogar an meine Eltern schreiben, daß sie mich zu einem Nervenarzt schicken sollen, und…“
Kristin fiel mir ins Wort. „Nein, so was würde er nicht tun! Da kennst du meinen Vater schlecht. Aber gut, wenn du nicht willst, daß wir es ihm sagen, lassen wir es eben. Und Sten und Magnus? Willst du es vor ihnen auch verheimlichen?“
„Sie würden auch denken, daß ich durchgedreht bin“, sagte ich müde.
„Aber Magnus’ Großmutter hat doch selbst gesagt…“, begann Kristin. Dann stockte sie und sah mich an. „Frankie, sollen wir zu ihr gehen und ihr alles erzählen? Aber nein, das gäbe bloß eine fürchterliche Tratscherei im Dorf. Mein Vater würde das sicher nicht wollen. Wir müssen versuchen, an etwas anderes zu denken. Wir müssen uns ablenken!“
Sie sprang auf. „Paß auf, wir machen eine Radtour, das wird dir guttun. Und nachmittags rufen wir dann Sten oder Magnus an. Vielleicht haben sie Zeit, sich mit uns zu treffen.“
Ich war richtig dankbar für den Vorschlag. Rasch holten wir die Fahrräder aus dem Schuppen hinter dem Haus. Als wir das Gittertor öffneten, kam uns Märta über den Waldweg entgegen. Sie hatte einen vollbeladenen Einkaufskorb auf dem Gepäckträger. Wir hielten den Torflügel für sie auf.
Während Kristin ein paar Worte mit ihr wechselte, sah ich zum Haus zurück. Trotz des hellen Sommertags wirkte es dunkel und düster zwischen den hohen Bäumen. Kaum ein Sonnenstrahl drang durch das dichte Laubdach. Ein Haus, das ewig im Schatten lag, ein finsteres Haus mit dunkler Vergangenheit – ein Haus, das nichts vergessen hatte…
Ich schauderte. Das Gittertor fiel quietschend ins Schloß. Kristin sagte: „Ich habe Märta gesagt, daß wir irgendwo unterwegs essen. Dann brauchen wir mittags nicht schon wieder zurück zu sein.“
Im Wald war es still und friedlich, doch es dauerte lange Zeit, bis ich ruhiger wurde. Wir fuhren langsam zwischen den Bäumen dahin. Es roch nach Harz und Nadelbäumen. Zwischen dem Moos leuchtete ein Meer von Blaubeeren. Große, flechtenüberzogene Felsbrocken säumten den Wegrand, die Kristin „Trollsteine“ nannte. Über uns bildeten die Baumwipfel ein lichtes, hohes Dach aus Zweigen und Blättern, und auf dem Weg tanzten Sonnenkringel über Steine, Gras und Wurzeln. Die Birkenstämme glänzten silbrig zwischen Kiefern und Tannen. Irgendwo plätscherte ein Bach.
Wir radelten über eine alte Steinbrücke und kamen an einen Wegweiser, auf dem Rävbo stand. „Dahin fahren wir!“ sagte Kristin. „Vielleicht gibt’s in Rävbo ein kleines Gasthaus, wo wir etwas zu trinken kriegen. Ich hab teuflischen Durst.“
Ich merkte plötzlich, daß ich hungrig war. Ich hatte ja kaum etwas gefrühstückt, mein Magen war wie zugeschnürt gewesen. Jetzt, fern vom Pfarrhaus, erwachten meine Lebensgeister wieder. Mir war zumute, als hätte ich einen Bannkreis durchbrochen. Ich konnte wieder frei atmen. Den Gedanken an die nächtlichen Geräusche und die Tür zum Keller versuchte ich zu verdrängen; und je weiter wir fuhren, desto besser gelang es mir.
Rävbo war ein winziges Dorf, eigentlich mehr ein Weiler, mit vier Höfen und einer Imbißstube, in der es außer Saft und Limonade nur Würstchen mit Kartoffelbrei gab, also „korv med potatismos“. Ich konnte sogar ein bißchen über den komischen Ausdruck lachen, als wir unter einer Birke im Freien saßen, die Würstchen aßen, Limonade dazu tranken und unsere erhitzten Gesichter vom Wind kühlen ließen.
„Jetzt geht’s dir wieder besser, wie?“ sagte Kristin.
Ich