Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler

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Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler

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es mir vor allem darum ging, meine Ruhe zu haben. Und die habe ich hier wirklich.“

      Ich sah auf die Straße, wo ein lustiger kleiner Hund einer Fliege nachjagte, und dachte, daß der Professor schon einen sehr festen Schlaf oder besonders wirksame Schlaftabletten haben mußte, um das Pfarrhaus für einen ruhigen und friedlichen Ort zu halten.

      „Gefällt dir denn mein Haus nicht?“ fragte Professor Zetterlund, zu Kristin gewandt.

      Sie machte ein unbehagliches Gesicht. „Ich kann einfach nicht verstehen, wie man freiwillig in so ein verlassenes Haus ziehen mag“, erwiderte sie nach einer Weile ausweichend.

      Ihr Vater seufzte. „Na ja, du bist eben ein Stadtmensch, genau wie deine Mutter. Ich wollte schon als Kind immer gern auf dem Land leben.“

      Ein Herr in dunklem Anzug kam vorbei. Er zog den Hut und grüßte den Professor höflich, und dieser grüßte zurück.

      „Hier kennt dich doch auch jeder“, sagte Kristin. „Wie kannst du da glauben, daß kaum jemand deine neue Adresse weiß?“

      „So berühmt bin ich nun auch wieder nicht. Die Leute hier wissen nur, daß ich mich mit Ausgrabungen beschäftige, mehr nicht. Von meinen Büchern hat kaum jemand eine Ahnung. Sie halten mich wohl für ein bißchen verschroben, sind aber trotzdem sehr freundlich.“

      „Sicher halten sie dich für verschroben – schon allein deswegen, weil du das Pfarrhaus gekauft hast“, murmelte Kristin unerwartet. „Vor dir wollte es ja keiner haben. Schließlich hält es hier jeder für ein Spukhaus.“

      Ich hob den Kopf und verschluckte mich fast an einer Kirsche. Professor Zetterlund aber lächelte nur gelassen und nickte. „Ja, zum Glück. Deshalb habe ich das Haus auch spottbillig von der Gemeinde bekommen. Ein wahrer Glückskauf – dieses wunderschöne alte Haus mit dem herrlichen Garten hätte ich mir unter normalen Umständen nie leisten können!“

      Ich stöhnte innerlich. „Wenn die Leute aber recht haben, Vater?“ fragte Kristin. „Wenn’s im Pfarrhaus wirklich spukt?“

      Was hatte sie vor? Wollte sie ihrem Vater nun doch erzählen, was vorgefallen war – entgegen unserer Abmachung?

      Ich starrte den Professor an. Er rückte seine Brille gerade und sagte in belehrendem Tonfall: „Es gibt einen Wissenschaftszweig, der sich mit Erscheinungen befaßt, die man im Volksmund als Spuk bezeichnet. Ein interessantes Gebiet, vor allem, weil es so eng mit alten Ritualen, Tabus und archaischem Geisterglauben zusammenhängt. Allerdings muß ich sagen, daß ich selbst nicht viel von Parapsychologie halte. Das hängt wohl mit meinem Beruf zusammen. Ich spüre zwar auch verborgenen Dingen nach, deren Vorhandensein zum Teil nur noch in Sagen und Legenden belegt ist – versunkene Schiffe, längst vergessene Städte und Siedlungen, Gräber und Kultstätten. Doch bei mir lassen sich meist recht handfeste Beweise für diese Dinge finden, wenn man nur lange und sorgfältig genug sucht. Bei der Parapsychologie ist das etwas anderes. Man ist da immer auf Vermutungen angewiesen. Greifbare, unwiderlegbare Beweise gibt es nicht.“

      Er machte ein zufriedenes Gesicht. Im Klartext hieß das also, daß Professor Zetterlund nicht an Spuk glaubte, und daß es deshalb seiner Meinung nach im Pfarrhaus auch nicht spuken konnte. So einfach war das. Ich war jetzt ganz sicher, daß es keinen Sinn gehabt hätte, ihm von meinen Wahrnehmungen zu erzählen. Es wäre mir wohl nie gelungen, ihn zu überzeugen. Vermutlich hätte er es höchstens recht interessant gefunden, bei einem jungen Menschen wie mir auf einen „archaischen Geisterglauben“ zu stoßen, der so tief verwurzelt war, daß ich mir sogar einbildete, Geräusche zu hören und Traumgesichte zu haben.

      Magnus’ Großmutter fiel mir ein. Sie hätte mir geglaubt – sie wäre sicher nur zu bereit gewesen, mir zu glauben. Doch auch das widerstrebte mir. Was ich brauchte, war weder jemand, der alles von vornherein nur für Einbildung hielt, noch jemand, der ungefragt alles hinnahm, was ich sagte. Was brauchte ich überhaupt? Einen Menschen vielleicht, der mit derartigen Erscheinungen Erfahrung hatte, der mir half, meine Verwirrung zu lösen, und mir begreiflich machen konnte, was im Pfarrhaus wirklich vor sich ging? Aber gab es überhaupt jemanden, der solche Vorgänge erklären und begreifen konnte?

      Ich aß meinen Eisbecher nur zur Hälfte leer. Mir war von innen heraus kalt, obwohl die Sonne schien. Ein Straßenmusikant mit einer Ziehharmonika tauchte auf, kam näher, blieb vor dem Krogen stehen und begann uns etwas vorzuspielen.

      Es war eine schöne, schwermütige Melodie. In den umliegenden Häusern wurden Fenster und Türen geöffnet. Männer, Frauen und Kinder kamen in ihre Vorgärten und auf die Straße und hörten zu.

      Der Musikant war ein alter Mann mit weißen Locken und einem dichten Bart. Er sah wie eine Sagengestalt aus, ein alter Wikinger oder ein Krieger aus einer Heldensage. Während er spielte, sah er mich plötzlich an, und mir war, als hätte ich diese klaren, eisblauen Augen schon einmal gesehen – irgendwo, vor langer Zeit.

      Dann begann er zu singen. Seine Stimme war dunkel und volltönend, manchmal schon ein wenig zittrig. Ack Värmeland, du sköna, du härliga land, sang er. Ich verstand die Worte nicht, doch der Gesang und die Melodie klangen so schön und wehmütig, daß ich am liebsten geweint hätte.

      Als der alte Mann verstummte, klatschten die Leute. Ein kleiner Junge sammelte Münzen ein und brachte sie dem Sänger. Der bedankte sich würdevoll. Als Professor Zetterlund aufstand und ihm einen Geldschein in die Hand drückte, verbeugte er sich.

      „Was hat er gesungen?“ fragte ich Kristin, ohne den Blick von dem alten Mann zu wenden.

      „Ein altes Lied“, sagte sie. „Ein Lied über Värmland, einen mittelschwedischen Regierungsbezirk. Es fängt so an: Ach Värmland, du schönes, du herrliches Land, du Krone unter Schwedens Ländern.“

      Ich nickte nur. Noch immer wandte ich den Blick nicht von dem weißhaarigen Sänger. „Er sieht wie eine Sagengestalt aus“, sagte ich.

      Jetzt begann er wieder zu spielen – eine Tanzmelodie diesmal. Ein paar Kinder faßten sich an den Händen und hopsten auf der Straße herum, ein junges Paar drehte sich im Kreis, alte Leute klatschten im Takt.

      Das Gesicht des Professors strahlte, als er sich wieder zu uns setzte. „Einer der letzten Barden“, sagte er. „Sie sind fast schon ausgestorben.“ Dann war der Tanz vorüber, und er bat den Musikanten zu uns an den Tisch und bestellte Kaffee und Gebäck für ihn.

      Der weißhaarige Alte war ein gebildeter Mann. Er sprach sehr gepflegtes Deutsch, das fast akzentfrei war, und erzählte, daß er früher als Lehrer auf Island gelebt hatte. Jetzt zog er durch ganz Skandinavien und machte Musik.

      „Meine Frau und mein Sohn sind vor ein paar Jahren ums Leben gekommen“, sagte er. „Da hat es mich zu Hause nicht mehr gehalten.“

      „Waren Sie auch in Deutschland?“ fragte ich. „Ich… mir ist so, als hätte ich Sie schon einmal gesehen.“

      „In Deutschland war ich auch, ja“, erwiderte er. „Das ist lange her, sehr lange. Aber vielleicht kennen wir uns auch von anderswoher – es gibt nicht nur dieses eine Leben…“ Er verstummte, lächelte und sah mich nachdenklich an.

      Ich verstand nicht recht, was er meinte. Professor Zetterlund sagte: „Dann glauben Sie also, daß es so etwas wie Wiedergeburt gibt?“

      „O ja, sicher!“ sagte der alte Mann wie selbstverständlich. „Wir kommen nicht aus dem Nichts, wir sind nur Glieder in einer langen Kette. Eine Kette,

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