Der Archipel in Flammen. Jules Verne
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Regungslos auf der Schwelle ihres Hauses stehenbleibend, hatte Andronika ihn im Dunkel der Nacht verschwinden sehen.
Zehn Minuten später war Nicolas Starkos seiner soweit wieder Herr geworden, dass ihm niemand die vorhergegangene Erregung anmerkte; so erreichte er den Hafen, pfiff Gozzo herbei und sprang in das leichte Boot. Die von Gozzo ausgewählten Männer befanden sich schon an Bord der Sacoleve.
Ohne ein Wort zu sprechen, bestieg Nicolas Starkos das Verdeck der »Karysta« und bedeutete seinen Leuten durch ein Zeichen, augenblicklich die Anker zu lichten. Sein Befehl war schnell ausgeführt, da ja nur die zum Hissen bereitliegenden Segel aufgespannt zu werden brauchten. Der sich jetzt erhebende Landwind erleichterte die Ausfahrt aus dem Hafen.
Fünf Minuten später glitt die »Karysta« sicher und still durch die enge Wasserstraße, ohne dass von den Leuten an Bord, noch von den Bewohnern Vitylos ein Laut hörbar geworden wäre.
Die Sacoleve hatte indes noch kaum eine Meile zurückgelegt, als ein rötlicher Flammenschein den Kamm des Felsenstrandes erleuchtete.
Es war die Wohnung der Andronika Starkos, welche bis auf den Grund niederbrannte. Die Hand der Mutter hatte dieses Feuer selbst angelegt. Sie wollte nichts von der Stelle übriglassen, an der einst ihr Sohn geboren worden war.
Noch drei Meilen weit hin konnte der Kapitän die Augen nicht abwenden von dem Feuer, das auf dem Boden von Magne emporloderte, und er verfolgte es im Dunklen, bis der letzte Schein desselben erlosch.
Andronika hatte gesagt:
»Niemals wird Nicolas Starkos den Fuß wieder in das Haus seines Vaters setzen! … Niemals!«
Drittes Kapitel – Griechen gegen Türken
In vorhistorischer Zeit, als die feste Erdrinde sich nach und nach unter der Einwirkung innerer neptunischer und vulkanischer Kräfte dauernd gestaltete, verdankte Griechenland sein Entstehen einer Umwälzung, welche diesen Teil des Erdbodens über das Niveau des Meeres erhob, während diese im Archipel gleichzeitig einen Teil des früheren Festlandes verschlang, dessen oberste Spitzen jetzt nur noch in Form von Inseln emporragen. Griechenland liegt tatsächlich in der vulkanischen Linie, welche sich von Cyprien bis Toscana hinzieht.1
Es scheint, als ob die Griechen von ihrem unbeständigen Boden jene Neigung zu physischer und moralischer Erregbarkeit angenommen hätten, welche sie zuweilen zu den heldenmütigsten Aufopferungen befähigt. Ebenso wahr ist es, dass sie, dank ihren natürlichen Eigenschaften, einem unbezähmbaren Mute wie lebhafter Vaterlands- und Freiheitsliebe, es dahin gebracht hatten, die seit Jahrhunderten durch das Joch der ottomanischen Herrschaft bedrohten Provinzen zu einem einheitlichen Staate zu gestalten.
Pelasgisch in den entlegensten Zeiten, das heißt bevölkert von asiatischen Stämmen, hellenisch vom sechzehnten bis zum vierzehnten Jahrhundert vor Christus, das heißt seit dem Auftreten der Hellenen, von denen ein besonderer Stamm, die Graikoi, ihm zu jener fast mythologischen Zeit der Argonauten, der Herakliden und des trojanischen Krieges den Namen geben sollte; dann völlig griechisch seit Lykurg mit Miltiades, Themistokles, Aristides, Leonidas, Aeschylos, Sophokles, Aristophanes, Herodot, Thucydides, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristot, Hyppokrates, Phidias, Perikles, Alcibiades, Pelopidas, Epaminondas, Demosthenes; später macedonisch mit Philipp und Alexander, wurde Griechenland schließlich eine römische Provinz unter dem Namen Achaia, hundertsechsundvierzig Jahre vor Christus, und blieb es während eines Zeitraumes von vierhundert Jahren.
Von da ab nacheinander erobert von den Westgoten, den Vandalen, Ostgoten, Bulgaren, Slaven, Arabern, Normannen und Sizilianern; zeitweilig in der Gewalt der Kreuzfahrer zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts und geteilt in eine Menge Einzelreiche im fünfzehnten Jahrhundert fiel das, in alter wie in neuer Zeit so hart geprüfte Land zu allerletzt in die Hände der Türken und kam also unter ottomanische Herrschaft.
Fast zwei Jahrhunderte lang konnte man jedes politische Leben in Griechenland fast als gänzlich abgestorben betrachten.
Die Willkürherrschaft der ottomanischen Beamten, welche hier die Zügel der Regierung führten, überschritt alle Grenzen. Die Griechen waren nicht etwa annektiert, nicht durch Eroberung erworben, nicht einmal Besiegte, sie galten nur als Sklaven, die unter dem Stock des Paschas mit dem Iman oder Priester an der Rechten und dem Djellah oder Henker an der Linken gehalten wurden.
Alles Leben war aber doch nicht aus dem geknechteten Lande gewichen. Noch einmal sollte es sich unter quälendem Schmerz aufs neue regen. Die Montenegriner von Epirus (im Jahre 1766), die Maniaten (im Jahre 1769), die Sulioten von Albanien empörten sich endlich und forderten ihre Unabhängigkeit; im Jahre 1804 wurden freilich alle diese Aufstandsversuche durch Ali de Tebelen, den Pascha von Janina, grausam unterdrückt.
Jetzt war es hohe Zeit für die europäischen Mächte, ein Wort mit hineinzusprechen, wenn sie nicht die völlige Vernichtung Griechenlands wollten. Auf die eigenen Kräfte beschränkt, konnte es eben nur sterben beim Versuch, seine Freiheit zu erkämpfen.
Da rief Ali de Tebelen, der sich 1821 selbst gegen den Sultan Mahmud empörte, die Griechen unter Zusicherung ihrer Freiheit zu Hilfe. Sie erhoben sich in Masse. Von allen Seiten Europas eilten die Philhellenen zu ihrer Hilfe herbei. Da warfen sich Italiener, Polen und Deutsche, vorzüglich aber Franzosen, den Unterdrückern opferfreudig entgegen. Die Namen Guys’ de Sainte Hélène, Gaillards, Chauvassaignes, der Kapitäne Baleste und Jourdain, des Obersten Fabvier, des Reiterführers Regnaud de Saint Jean d’Angély, des Generals Maison, denen noch die von drei Engländern, Lord Cochrane, Lord Byron und Colonel