Elisabeth Reinharz' Ehe. Es lebe die Kunst!. Clara Viebig
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„Kunststück! Er wird ihr neuestes Buch verlegen sollen, nimmt ja kein anständiger Verlag. Lauter Nuditäten. Wissen Sie, Fräulein,“ Goedecke beugte sich näher und flüsterte geheimnisvoll, „Intrigen, Komplikationen, nichts weiter. Trauen Sie keinem. Mit dem“, er blinzelte mit einem Auge nach Bolten, „lassen Sie sich man schon gar nicht ein!“
„Aber die Damen, mein Gott, die berühmten Schriftstellerinnen, alle drei sind doch mit ihm ...“
Er liess sie gar nicht ausreden. „Lauter Komplikationen!“ Er klopfte ihr auf die Hand. „Aber seien Sie nur ganz ausser Sorge, ich bin auch noch da, und was ich anfange,“ er rieb sich die Hände und blies die Backen auf, „hat immer Schick. Da habe ich neulich ...“ Er brach ab und fuhr hastig herum: „Rief da nicht jemand meinen Namen? Ach so, Direktor Schwertfeger!“ Er hielt die Hand vor den Mund: „Janz jenialer Direktor. Sucht den dritten Mann zum Skat. Ja, ja, ich komme schon! Verzeihen Sie, Fräulein, ich bin unabkömmlich!“ Er machte eine hastige Verbeugung. „Sie hören noch von mir!“ Fort war er.
Elisabeth sah noch, wie sein schwarzer Frack zwischen Türen und Menschen durchschwänzelte; sie wusste nicht recht, warum, aber sie hatte grosse Lust zu lachen. Der Kopf wirbelte ihr; langsam ging sie zum Sofa zurück.
„Der gute Goedecke hat sich ja ordentlich ins Zeug gelegt“, sagte Bolten.
„Was ist der Herr?“ fragte Elisabeth schüchtern.
Ein heimliches Lächeln glitt über die Gesichter. Keine Antwort.
„Wer ist er eigentlich?“ fragte sie noch einmal.
„Das ‚eigentlich’ ist köstlich! Haha, hahaha!“ platzte der Doktor heraus, er schien sich zu amüsieren. „Ja, mein Fräulein, da fragen Sie etwas viel. Sagen wir“, er dämpfte seine Stimme, „Hans in allen Ecken. Ein reicher Mann mit literarischen Ambitionen. ‚Ich ambitioniere’, würde er sagen. Er sitzt im Vorstand aller möglichen und unmöglichen Vereine, hat Geld bei x Zeitungen, Journalen und Theatern, darf deshalb mehr oder weniger ein Wort mit dreinreden. Im übrigen versteht er von der Literatur soviel wie der Ochs vom Lautenschlagen.“
„Ach!“ Mehr brachte Elisabeth nicht heraus. Sie sass ganz stumm und steif. Es war gut, dass es hier bald zu Ende ging; einzelne empfahlen sich schon. Sie unterdrückte ein Gähnen, eine grosse Müdigkeit kam über sie und eine leis sich regende Enttäuschung. Diese wich erst, als Frau Leonore sie beim Abschied in die Arme schloss.
„Liebes Kind, reizend! Man hat mir unausgesetzt Komplimente gemacht. Ich habe Sie Doktor Bolten warm empfohlen. Verlagsbuchhändler Maier hat auch mindestens eine halbe Stunde mit mir über Sie gesprochen. Zu schade, dass unser Eisenlohr heute nicht hier sein konnte, aber ich hoffe, ein andermal! Ich muss Sie doch mit unserem grössten Dichter bekannt machen.“
„Sie sind so gut!“ Elisabeth beugte sich über Frau Leonores kleine Hand und drückte ihre warmen Lippen darauf.
„Herzchen!“ Leonore wurde ganz enthusiastisch. „Wir müssen uns ‚du’ nennen! Wenn man so gleich denkt und gleich empfindet wie wir. Also ‚du’ — — hörst du? Und wann kommst du wieder zu mir? Morgen, übermorgen? Komm morgen! Wir haben so viel zu plaudern. Und sei fleissig, hörst du, sei fleissig, kleines Genie!“
Das war das letzte Wort. Elisabeth stand unten auf der Strasse und sah die Dunkelheit nicht; es war hell um sie, ganz hell, ihre Augen leuchteten, als spiegelte sich Sonne darin wider.
Sie hatte sich Fräulein Rosen angeschlossen. Elisabeth hätte sich nichts daraus gemacht, zu Fuss zu gehen, aber schon bei dem Gedanken war Alinde ganz entsetzt. „Wo denken Sie hin, zwei junge Mädchen so spät in der Nacht allein! Noch dazu in der Nähe des Tiergartens und in meiner Toilette!“ So nahmen sie eine Droschke.
Elisabeth war sehr gesprächig, das Glücksempfinden, das sie durchströmte, hatte ihr die Zunge gelöst. Die Droschkenfenster ratterten, der Hufschlag des müden Gauls klapperte auf dem Asphalt, die Räder polterten über Strassenbahngeleise, ihre helle Stimme übertönte alles. „Und glauben Sie wirklich, dass ich vorlesen darf? Ach, und wenn der Doktor was von mir druckte! Wie gut die Menschen sind! Was Frau Mannhardt — Leonore“, verbesserte sie sich, „doch alles für mich tut!“
„Sie sind wohl sehr befreundet?“ fragte die Rosen.
„Nein, eigentlich gar nicht; bis jetzt wenigstens nicht. Aber nun. Ich hatte einen Empfehlungsbrief an Herrn Mannhardt, unser Arzt in Meseritz ist ein Verwandter von ihm. Der interessiert sich für mich — ach, mein guter Doktor! Er schrieb Herrn Mannhardt einen langen Brief, und ich ging dann gleich den ersten Sonntag Punkt zwölf hin.“
„Dieser Arzt in Meseritz ist wohl noch ein junger Mann? Na, na!“ Alinde witterte gleich einen Roman; sie drohte schelmisch mit dem Finger.
Elisabeth sah sie gross an. „Er war ein Freund meines Grossonkels“, sagte sie ernst. „Er hat ihm auch die Augen zugedrückt. Er war sehr gut zu mir, es wurde mir schwer, mich von ihm zu trennen. Aber ich wollte nach Berlin, ich musste nach Berlin, ich muss etwas erreichen!“ Die Droschke schien zu eng für den vollen, freudigen Klang dieser Stimme: „Ich muss!“
„Ach ja,“ seufzte die Rosen, „diese Illusionen haben wir alle gehabt!“
„Sie seufzen?“ Elisabeth wurde ganz eifrig. „Sie können sich doch gewiss nicht beklagen. Wer so viel erreicht hat!“
Alinde sprach nachlässig: „So meine ich das ja gar nicht. Man stumpft eben so ab. Im Anfang, wenn einem alles neu ist, ist man schon glücklich, nur seinen Namen gedruckt zu sehen. Jetzt — du lieber Gott! Es berührt mich nicht einmal mehr, wenn ich die glänzendsten Rezensionen oder irgendeinen Essay über mich lese.“ Sie lehnte sich zurück und zog den eleganten Pelzmantel fester um die entblössten Schultern.
Elisabeth sah sie bewundernd an.
„Es erscheint jetzt wieder ein Roman von mir in Boltens Blatt, einer bei Bornemann und einer im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“. Ich schreibe doch so das Jahr meine zwei bis drei Romane, abgerechnet die kleineren Sachen.“
„Um Gottes willen!“ sagte Elisabeth.
„Jeden Tag Briefe und Briefe, Anfragen von Redaktionen. Ja, es wird auch zu viel! Mein Arzt sagt: ‚Sie überreizen Ihren Geist.’ Aber was soll ich machen? Sie sollen mal meinen Schreibtisch sehen: Haufen unbeantworteter Anfragen. Meine Schreibmaschine klappert den ganzen Tag, aber ich kann doch nicht alle Versprechen einlösen.“
Elisabeth sagte nichts mehr, sie sah nur immer gross drein.
Alinde wurde zutraulich: „Und sowie etwas Neues von mir erscheint, regnet’s Blumen in meine Studierstube. Und reizende kleine Aufmerksamkeiten. Besuchen Sie mich doch, ich zeige Ihnen alles, ja?“
„Das möchte ich wohl.“ Elisabeth reichte ihr die Hand. „Ich danke Ihnen, ich komme sehr gern.“ Und dann mit einem Seufzer: „Ach, wenn ich’s nur jemals halb so weit brächte!“
„Anerkennung tut freilich wohl,“ Alinde lehnte sich noch bequemer hintenüber, „aber das Höchste ist doch die eigene Befriedigung des schaffenden Künstlers. Ich mache ziemlich viel mit, aber selbstverständlich nur zu Studienzwecken. Die