Elisabeth Reinharz' Ehe. Es lebe die Kunst!. Clara Viebig

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Elisabeth Reinharz' Ehe. Es lebe die Kunst! - Clara Viebig

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Sie fühlte sich einsam; zum erstenmal.

      Da floss der Kanal; Bäume standen am Ufer, Bäume, die emporstrebten, die Äste sehnsüchtig nach Licht und Luft reckten. Elisabeth blieb stehen. Langsam sank die Dämmerung nieder. Das Wasser floss schwarz, von keinem Wellchen bewegt. Kein Windhauch. Abend.

      Ihr Blick suchte den Himmel, der spannte sich hoch droben überm Kanal mit bleichgrauen Wolken — da, mitten dazwischen ein Stern, unbeweglich, klar und golden.

      Des Mädchens Lippen schlossen sich fest aufeinander, sie liessen den Seufzer nicht durch. Wie hatte der alte Prediger in der Dorfkirche gesagt? „Die Pforte ist eng, der Weg ist schmal, wenige sind ihrer, die ihn finden.“

      „Ich werde ihn finden!“

      Finden ...? Eine Frage, ein Echo verschwebten.

      Elisabeth schrak zusammen; hatte sie laut gesprochen? Mit ernstem Blick kam sie nach Hause.

      „Nu, Fräuleinchen, was hat er gesagt?“ Mile starb fast vor Neugier. „Der hat sich wohl nich schlecht gefreut?“ Mile durfte sich schon die Frage erlauben, sie war ein altes Faktotum, das jahrelang in des Onkels Haushalt gewirtschaftet und Elisabeth die ersten Stricknadeln zwischen die Kinderfinger geklemmt hatte.

      „Es hat ihm nicht gefallen.“ Elisabeth setzte sich in die Sofaecke und lehnte den Kopf ans Polster.

      „Wieso nicht gefallen?“ Mile sah aus wie eine Gluckhenne, die das Gefieder sträubt, weil unbefugte Hände ihrem Küchlein zu nahe kommen. „Nich gefallen? Ich habe Blätter von der Geschichte aus dem Papierkorb ’rausgesucht, ich habe sie gelesen.“ Sie zeigte mit dem knochigen Finger: „Da wohnt der im Dorf — da der! Und die Anna, die! Ich kenne sie alle. Die haben’s mal tüchtig gekriegt, die liederliche Pakkasche. Und der will sagen, das wäre nicht schön? Der?“

      „Ruhig, Mile!“ sagte Elisabeth mit einem wehmütigen Lächeln. „Ich bitte dich, sei jetzt ruhig.“

      Mile ging kopfschüttelnd hinaus.

      Elisabeth sass regungslos. Weltenweit, weltenfern — wo hatte sie denn gelebt, dass sie nicht wusste, wie die Menschen denken, was ihnen gefällt und was ihnen nicht gefällt?

      Sie rüttelte sich und sah um sich wie jemand, der aus dem Traum erwacht und sich nicht in der Wirklichkeit zurechtfinden kann.

      3.

      Wolfgang Eisenlohr, der berühmte Dichter, sass in seiner Studierstube. Sie lag nach dem Garten hinaus, durch den langen Korridor von der übrigen Wohnung getrennt. Eine breite Glastür mit grünseidenen Gardinchen führte auf den Altan; Blumen und Palmen blühten und grünten dort in verschwenderischer Fülle.

      Drinnen alles verschleiert, kein Strahl hellen Lichtes. Ganz Stimmung. Der rechte lauschige Winkel für einen Poeten. Von der Decke schwebte ein ausgestopfter Adler mit gespreizten Riesenfängen, um den Schreibtisch standen abgehauene Tannen in geschickt verborgenen Wasserkübeln. Der Dichter liebte es, im Grünen zu arbeiten; seine Phantasie versetzte ihn dann in den Gebirgswald, wo der Adler horstet und der kühne Wanderer aus einsamer Höhe stolz auf die Menschheit hinunterblickt.

      Eisenlohr schrieb eine grossartige Naturschilderung, das erste Kapitel seines neuen Romans. Die sterbenden Tannen dufteten stärker in der Treibhauswärme des Gemachs, Harztränen tropften an ihren Stämmen nieder, ihre Nadeln fielen leis knisternd.

      In den Dichterohren rauschten Föhrenwälder, kreischte der Adler hoch über der Klippe, die noch kein Menschenfuss betrat. Eisenlohr war ganz in Stimmung.

      Da — draussen wehklagendes Kindergeheul. Noch einmal, angstvoll, schrill, im höchsten Diskant.

      Er riss die Tür auf. „Ruhe!“

      „O Monsieur!“ Die französische Bonne stürzte atemlos herein. „Excusez, mille fois pardon! Elsa hat sich gefallen ein Loch, mon Dieu!“

      „Ungezogene Jöhre.“ Eisenlohr warf krachend die Tür ins Schloss. „Ruhe!“

      Das Geheul verstummte sofort, die Bonne hatte nur geflüstert: „St—st! Monsieur dichtet!“

      Der Papa dichtet. Die vierjährige Elsa wusste sehr wohl, was das bedeutet. Sie presste ihre Lippen aufeinander und verbiss den Schmerz. Sie war eine Dichterstochter und wusste, was sie ihrem Vater schuldig war; er hatte nicht umsonst den wunderbaren Liederzyklus „Mein Sonnenkind“ an sie gerichtet.

      Die Föhren rauschten wieder, Moos und Gerank krochen die Felsen hinan, liebevoll blickte das Dichterauge auf das geringste Pflänzchen. Da, schon wieder eine Störung! Es klopfte.

      Er schrieb weiter. Er hörte nicht, wollte nicht hören.

      Noch einmal ein schüchternes Pochen.

      „Zum Donnerwetter, herein!“

      Der Diener brachte eine Karte. „Herr Maier.“

      „Wer?“

      „Herr Verlagsbuchhändler Maier. Den sollte ich ja nicht abweisen.“

      „Ach so!“ Der Dichter warf die Feder hin. „Führen Sie ihn herein!“

      Maier trat ein. Er hatte dieselbe zugeknöpfte Haltung wie damals bei Mannhardts; nur sein Organ klang geschmeidiger, seine Verbeugung war verbindlicher. Er hatte vorgestern in der Zeitung unter „Kunst und Literatur“ von der neuesten Schöpfung des berühmten Autors gelesen; dort war der Roman in höchst schmeichelhaften Zeilen als vollendet angekündigt worden. Als rühriger Geschäftsmann hatte Maier gestern bereits geschrieben, heute machte er dem Dichter seine persönliche Aufwartung.

      Man war sehr artig miteinander, man erkundigte sich nach dem gegenseitigen Befinden. Man haspelte die gewohnten Einleitungsphrasen der Unterhaltung ab; in fünf Minuten war man bei dem Hauptthema: dem Roman.

      Maier rieb sich die Hände; vor jeder grösseren Unternehmung pflegte er das zu tun, eine gewisse nervöse Unruhe lag in diesem Händereiben. Anscheinend beiläufig erkundigte er sich nach dem neuesten Roman. „Fertig, wie ich in der Zeitung las?“

      „Das gerade nicht.“ Der Dichter lachte. „Aber selbstverständlich bin ich im vollen Zuge. Ich arbeite mit einer Schaffensfreudigkeit sondergleichen. Ich glaube, es wird mein bestes Werk.“

      „Ich gratuliere!“ Der Verleger neigte sich verbindlich. „Darf ich fragen, ob Sie schon über die Buchausgabe disponiert haben? Oder erscheint der Roman zuerst in einem Journal?“

      Der Dichter lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück. „In einem Journal erscheinen lassen? Es widerstrebt meinen Ansichten von künstlerischer Vornehmheit.“

      „Und die Buchausgabe?“ fragte der Verleger weiter.

      „Ich habe an Sprottau Söhne gedacht. Sie wissen, ich pflege mein jeweiliges Werk dem Verlag zu geben, in dessen Rahmen es am besten passt.“

      „So?“ In Maiers Gesicht veränderte sich kein Zug, nur in die Stimme legte er eine kleine, kaum angedeutete Verwunderung. „Dürfte Ihr Roman denn in den Rahmen des Sprottauschen Verlags passen? Nach den Andeutungen, welche die Zeitung brachte, glaube ich dies wohl kaum annehmen zu können.“

      „Es war auch nur ein flüchtiger Gedanke

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