Elisabeth Reinharz' Ehe. Es lebe die Kunst!. Clara Viebig

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Elisabeth Reinharz' Ehe. Es lebe die Kunst! - Clara Viebig

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an dem eigenen Werk, man kannte es nicht mehr.

      Nein, das war nun einmal fertig. Elisabeth fasste das Manuskript mit fester Hand. Aber wohin in der Unruhe des Herzens?

      Kistemachers fielen ihr ein, das waren so verständige, nette Leute, die hatten gewiss ein Urteil.

      Sie sprang eilig die Treppe hinunter.

      Kistemachers Kinder waren im Tiergarten, das Ehepaar sass allein. Die Sprechstunde war beendet, Herr Kistemacher hatte gut gegessen und rauchte nun behaglich seine Zigarre. Frau Julie stopfte Strümpfe. Elisabeth wurde freundlich begrüsst.

      Frau Kistemacher streckte ihr die rechte Hand hin, die linke liess den Kinderstrumpf, in dem das Stopfei steckte, nicht fahren. „Trinken Sie ein Tässchen Kaffee?“ Schon zog sie den schwarzen Wollfaden wieder aus und ein, sie sah nicht mehr auf.

      „Nein, ich danke sehr, ich ...“ Elisabeth zögerte. Sie hielt das Manuskript hinter dem Rücken versteckt.

      „Was haben Sie denn da, Fräulein Reinharz?“ Kistemacher beugte sich ein wenig aus seinem Schaukelstuhl vor.

      „Ich? Ach!“ Das Sprechen wurde ihr sauer, die Luft war hier so — so — sie wusste nicht, woran es lag, sie kam sich plötzlich ganz überspannt vor.

      „Setzen Sie sich doch, Fräulein Elisabeth!“ Das Stopfei wurde aus dem Strumpf gezogen. „Fertig!“ Aber da war schon wieder ein anderer mit einem grossen Loch. „Was die Kinder reissen!“

      „Ich ...“, Elisabeth raffte sich auf, „ich wollte Sie sehr bitten ... ich möchte Ihnen gern ...“, sie zog plötzlich das Manuskript hervor, „Ihnen etwas von mir Geschriebenes vorlesen. Ich schreibe.“ Sie senkte tief errötend den Kopf.

      „Was, Sie schreiben? Sie, Sie?“ Frau Kistemacher sah nun doch für einen Augenblick auf; da sie die Hände zum Zusammenschlagen nicht frei hatte, drückte sich das ganze Erstaunen in ihren weitgeöffneten Augen aus. „So was! Sie schreiben? Wie interessant! So was!“

      „Bitte, Fräulein Reinharz!“ Herr Kistemacher war aufgestanden und ging mit knarrenden Stiefeln im Zimmer auf und nieder. „Das wird uns sehr interessieren. Mich ganz besonders.“ Er lächelte, halb eitel, halb verschämt. „Sie müssen wissen, in meinen Mussestunden verbreche ich zuweilen auch etwas. Es ist mir der genussreichste Zeitvertreib!“

      Wer hätte bei Herrn Kistemacher das vermutet! Elisabeth fühlte sich angeheimelt, sie taute auf und erzählte lebhaft; dann las sie einige Stellen aus ihrer Novelle vor. Sie las mit glühenden Wangen, sie fühlte noch einmal alles mit.

      „Und meinen Sie, dass es so geht? Dass ich’s so einreichen kann? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir offen Ihr Urteil sagten.“ Erwartungsvoll sah sie Herrn Kistemacher an.

      Er hielt ihr lächelnd die Hand hin. „Also Kollegin! Das darf ich schon sagen, ohne mich zu überheben. Ich finde die Novelle sehr gut. Ich würde ja einiges noch anders gemacht haben, aber ich will Ihnen jetzt nicht mehr den Kopf warm machen. Kommen Sie ein andermal lieber vorher zu mir, wir besprechen dann das Ganze miteinander. Warum haben Sie eigentlich nicht daran gedacht, den Helden lieber ...“

      „Lass mich doch auch mal was sagen, Hans“, rief Frau Julie dazwischen. „Ich finde die Geschichte entzückend, ganz entzückend! Schade, dass ich nicht mit ganz ungeteilter Aufmerksamkeit zuhören konnte! — Scheusslich, nicht mehr zu brauchen!“ Der Strumpf flog in den Korb. Dann streichelte sie Elisabeth. „Wie nett, dass Sie’s uns zuerst gezeigt haben! Kommen Sie nur zu jeder Zeit und holen Sie sich unseren Rat. Sie schreiben reizend. Die Muttergefühle der Anna sind grossartig geschildert. Wo Sie das nur her haben? Als ob Sie viere gehabt hätten wie ich. Die Szene mit dem kranken Kind ist ganz graulich, ein Glück, dass es am Schluss gesund wird, sonst wäre die ganze Geschichte verfehlt gewesen. Nein,“ sie sprang auf, „nun hole ich aber ein Schlückchen Wein, darauf müssen wir anstossen!“

      „Also Sie meinen, es ist gut?“ sagte Elisabeth, froh wie ein Kind.

      „Vortrefflich!“ Kistemacher drückte ihr warm die Hand. „Sie sind ein grosses Talent. Dacht’ ich’s doch gleich, als ich Sie das erstemal sah, dass in Ihnen was steckt. Es wird mir eine Freude sein, Ihnen zur Seite zu stehen. Durch meinen Beruf komme ich mit vielen Menschen in Berührung. Ich kenne ein paar Redakteure — sehr genau, wir stehen sehr freundschaftlich —, denen werde ich von Ihnen erzählen!“

      „Weisst du was, Hans?“ Frau Kistemacher war Feuer und Flamme. „Du bist immer so anständig und behandelst sie zu Künstlerpreisen, nun können sie auch was nehmen!“

      „Werden sie auch, beruhige dich.“ Kistemacher rieb sich die Hände. „Das nächste Manuskript bringe ich Ihnen mit Leichtigkeit unter, mein liebes Fräulein!“

      Frau Julie lachte, fasste Elisabeth um die Taille und drehte sich wirbelnd mit ihr herum. „Ich freue mich, ich freue mich riesig! Eine berühmte Schriftstellerin! Und wir haben auch was dazu getan, Sie berühmt zu machen.“

      „Ja, es war gut, dass Sie zu uns gekommen sind“, sagte Kistemacher. „Soll ich Sie jetzt auf die Redaktion begleiten? Es ist Ihnen gewiss angenehmer.“

      „Nein, das kannst du nicht, Hans. Du weisst, die Kinder kommen gleich nach Hause, und ich muss in die Markthalle, ich kann sie nicht erwarten. Nehmen Sie’s nicht übel, Fräulein Elisabeth, ein andermal recht herzlich gern. Ich begleite Sie auch gern mal!“

      So ging Elisabeth allein.

      Sie war hastig gelaufen, nun zögerte sie auf der Treppe. Sie nahm Stufe um Stufe, vorsichtig wie ein Lahmer.

      Da war ein langer Gang; am Ende eine Tür mit einem Schild:

      Redaktionsbureau.

      Bitte eintreten ohne Anklopfen.

      Sollte sie, sollte sie nicht? Ihr Herz pochte.

      Unten im Kellerraum sausten die Maschinen. Ein dumpfes, unheimliches Surren; eine beklommene, von Druckerschwärze durchschwängerte Luft. Arbeiter mit berussten Gesichtern eilten über die Treppe, bleiche Mädchen in grossen Schürzen, Setzer mit wichtiger Miene und abgespannten Zügen.

      Es war höchste Zeit, sonst ging der Doktor fort. Ihr Finger krümmte sich, näherte sich der Tür und schnellte wieder zurück.

      Eintreten ohne Anklopfen.

      Ein tiefer, zitternder Atemzug — endlich drückte sie die Klinke nieder. Nun war sie drinnen. Kein Mensch drehte sich nach ihr um, sie sassen alle mit dem Rücken gegen die Tür. Die Federn kritzelten.

      Sie räusperte sich. „Ist Herr Doktor Bolten zu sprechen?“ fragte sie schüchtern.

      „Nein, der Doktor ist jetzt nicht zu sprechen“, sagte eine Stimme aus irgendeiner Ecke.

      „Bitte, wann kann ich ihn denn sprechen?“ Sie sagte es sehr enttäuscht; nun hatte sie den Gang gewagt, und nun war er umsonst. Das Manuskript in der Hand brannte sie. Wieder ein Tag verloren auf dem Weg zum Stern! „Ich muss ihn sprechen!“

      Einer der Herren wandte sich jetzt nach ihr um und musterte sie von Kopf bis zu Füssen. „Sie bringen wohl ein Manuskript? Wir bitten, die Manuskripte per Post einzusenden und Marken zur eventuellen Rücksendung gleich beizufügen. Doktor Bolten lässt sich nicht sprechen.“

      Sie drehte verlegen

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