Luis Suárez. Luca Caioli

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Luis Suárez - Luca Caioli

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„Wird man denn niemals sagen, niemals schreiben, dass wir Brasilien einfach deshalb geschlagen haben, weil wir tollen Fußball gespielt haben? Wird man weiterhin sagen, dass es die Klaue war, der uruguayische Charakter, der uns angeblich zu Machos und schlauen Füchsen macht? Genau diese fixe Idee hat uns geschadet, dem Fußball wie auch dem Land selbst.“

      Pepe Mujica hat einmal gesagt, dass die Uruguayer nach dem Erfolg eingeschlafen seien und im darauffolgenden Jahrzehnt der Niedergang der einst so reichen Nation folgte. Auch Maiztegui meint: „Europa hatte ja 1950 noch ganz andere Sachen im Kopf als Fußball. Es baute allmählich seine Industrie, sein Sozial- und Produktionssystem wieder auf und schickte sich an, wieder seine alte Rolle auf der Weltbühne einzunehmen. Uruguay und eigentlich ganz Lateinamerika dagegen hatten es nicht verstanden, die an sich hervorragenden Voraussetzungen für eine Industrialisierung auszunutzen und ihr Wachstum zu verstetigen. Stattdessen fiel man zurück, genau wie der Fußball auch.“

      Doch wer sich so sehr auf seinen Lorbeeren ausruht, entwickelt sich in Sachen Kondition, Taktik und Strategie nicht weiter. Ab Mitte der 1950er Jahre kehrten sich dann auch noch die Migrationsströme um, die bis dahin tausende Einwanderer nach Uruguay hineingespült hatten. Der Exodus nach Europa betraf auch Fußballspieler. Maiztegui: „Beispiele dafür sind Schiaffino und Ghiggia, die in Italien bei Milan und der Roma landeten. Oder José Santamaría, der nach der WM in der Schweiz zu Real Madrid ging und in den 1980er Jahren sogar die spanische Nationalmannschaft trainierte. Tja, selbst in den finstersten Zeiten unserer Geschichte haben wir immer noch Fleisch und Fußballspieler exportiert.“

      Die schwärzesten Tage dieser Geschichte begannen am 27. Juni 1973. Präsident Juan María Bordaberry löste das Parlament auf und errichtete mit Unterstützung der Armee eine bis 1985 bestehende zivil-militärische Diktatur. Die Opposition wurde aufgelöst, die Spitzen der politischen Linken und der Gewerkschaften inhaftiert und ihre Führer gefoltert. Unter ihnen war auch Pepe Mujica, der wegen seiner Mitgliedschaft in der Guerillagruppe Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros insgesamt 13 Jahre im Gefängnis verbrachte. Doch selbst die Führer der traditionellen Parteien wurden eingekerkert. Bordaberry erklärte außerdem sämtliche bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte für ungültig.

      Auch Maiztegui war betroffen und musste während der Zeit der Diktatur nach Spanien fliehen. Er meinte: „Das Regime machte alle strukturellen Probleme des Landes nur noch schlimmer. Alles ging kaputt. Erst heute kriegen wir langsam das zurück, was uns in dieser Zeit verloren gegangen ist, nach 50 Jahre Nostalgie und Stagnation plus der Finanzkatastrophe von 2001/02, die 40 Prozent der Bevölkerung auf Armutsniveau zurückließ.“

      2005 kam dann die Wende: Das linke Parteienbündnis Frente Amplio („Breite Front“) gewann die Wahlen. Die Wahl José Mujicas zum Präsidenten 2009 war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Während die Arbeitslosigkeit im Jahr 2002 noch bei 21 Prozent lag, sank sie bis 2011 auf 6,1 Prozent. Die Haushalte haben wieder mehr Kaufkraft, die Sozialpolitik verändert das Gesicht des Landes. Im Bildungs- und Gesundheitswesen ist immer noch viel zu tun, aber Uruguay ist kein Land mehr, aus dem man lieber abhaut.

      Die Hoffnung ist also zurück, und davon profitiert auch der Fußball. So wurde die Nationalmannschaft 2011 bei der Copa América in Argentinien Vierter. Romano erklärt das so: „Die Geschichte hat sich wiederholt. Einmal mehr haben die äußeren Bedingungen den Fußball beeinflusst, auch wenn wir immer noch strukturelle Probleme haben. Abgesehen von Peñarol und Nacional spielen in der Liga kaum Mannschaften, die international wettbewerbsfähig sind. Die Qualität ist nicht sehr hoch. Deshalb interessieren sich auch keine TV-Sender aus dem Ausland für unseren Fußball.“

      Romano weiter: „2006 startete Uruguay mit einem einheitlichen Ausbildungssystem. Auch ihm ist es zu verdanken, dass es die U17 und die U20 in ihren jeweiligen Altersklassen 2011 und 2013 bis ins Finale der WM geschafft haben. Allerdings hat Uruguay definitiv nicht die Sponsoren und den Etat, mit dem Brasilien und Argentinien oder Italien und England planen können.“

      Sein Fazit: „Der größte Unterschied zwischen dem Fußball in Uruguay und anderswo auf der Welt sind die Strukturen: Es fehlt die Infrastruktur, um den Nachwuchs auszubilden, und es fehlt die entsprechende Politik. Trotzdem bringen wir unglaublicherweise – durch die vielen Aktiven, durch die Ernährung mit viel Fleisch und Milchprodukten – regelmäßig starke Spieler hervor, die auf jedem Niveau mithalten können. Spieler wie Luis Suárez machen die Fans stolz, Uruguayer zu sein.“

      KAPITEL 2

      Thermalquellen, Orangen und Kinderliga

      Die frühe Kindheit in Salto

      Señora Gladys war 84 Jahre alt, als ich sie besuchte, sah aber jünger aus. Sie trug einen hellblauen Pullover, eine Halskette mit passenden Ohrringen und eine pfiffige Brille. Soeben war sie mit ihren Einkäufen in der Hand aus einem Laden gekommen und über die Straße geeilt. Anschließend hatte sie freundlich ihre Besucher begrüßt und ihnen die Tür geöffnet, wachsam beäugt von einer wuscheligen schwarzen Katze, die wie ein Gartenzwerg auf der Mauer saß.

      Durch einen langen Flur ging es in die mit Erinnerungsstücken übersäte Küche. Dort erzählte Gladys aus ihrem Leben: zwei viel zu früh verstorbene Ehemänner, keine Kinder. Und sie sprach über ihre Nachbarn, die Familie Suárez Díaz. „Sie haben nebenan gewohnt“, sagte Gladys. „Ja, genau da.“ Es war ein Fertighaus mit grauem Blechdach und braunen Holzwänden mit einem grünen Vorgarten, gelegen an der Kreuzung von Calle 6 de Abril und Grito de Asencio. Das Gedächtnis von Señora Gladys war untrüglich. Sie erinnerte sich noch gut an Luis Suárez: „Er hat vor dem Haus mit seinen Brüdern gekickt. Pausenlos. Und ich habe immer gesehen, wie er zur Schule ging – Escola Salto Numéro 64 – und anschließend zurückkam.“

      Salto liegt im Nordosten Uruguays, etwa 500 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Mit dem Fernbus dauert die Fahrt vom Busbahnhof Tres Cruces in Montevideo sechs Stunden, vom argentinischen Concordia (Provinz Entre Ríos) sind es 20 Minuten. Salto hat 104.000 Einwohner und ist damit die drittgrößte Stadt Uruguays. Es ist Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und nach zwei Wasserfällen in der Region benannt, Salto Grande und Salto Chico.

      Die Provinz Salto ist für ihre saftigen und aromatischen Orangen bekannt. Die Einheimischen bezeichnen sie als die besten in ganz Südamerika. Berühmt sind außerdem die Thermalbäder von Arapey und Damyán. Nicht von ungefähr lautet die erste Frage an Besucher Saltos: „Warst du schon in den Thermen? Da musst du unbedingt noch hin.“ Begleitet von: „Die werden dir guttun. Danach fühlst du dich wie neugeboren.“ Das Wasser der Thermalbäder von Arapey und Damyán lindert allerlei Leiden und Schmerzen. Entdeckt wurde es von Arbeitern, die in den 1940er und 1950er Jahren nach Öl bohrten. Heute kommt während der heiligen Woche vor Ostern, von den nicht ganz so Gläubigen auch „Touristenwoche“ genannt, Groß und Klein zum Besuch der Bäder in die Stadt.

      Ansonsten lebt Salto von der Landwirtschaft: Zitrusfrüchte, Wein, aus dem der für Uruguay sehr bedeutende Tannat gekeltert wird, Viehzucht und seit einiger Zeit Blaubeeren. Auch Tourismus gibt es hier schon seit Ewigkeiten.

      Den Historikern zufolge wurde Salto am 8. November 1756 von José Joaquín de Viana gegründet, dem damaligen spanischen Gouverneur des Territoriums Banda Oriental. Er war auf dem Weg zu einer Zusammenkunft mit dem Marqués de Valdelirios, dem Beauftragten des Königs für die neue Grenzziehung, und dessen portugiesischem Amtskollegen. Dabei machte Viana beim heutigen Salto Zwischenstation und ließ eine erste Siedlung mit einigen Lagerhäusern und Baracken für seine Truppen errichten.

      Heute spielt sich das Leben in Salto hauptsächlich in Ost-West-Richtung entlang der Calle Uruguay ab. Die Straße schneidet mitten durch die Stadt und endet an einem Park kurz vor dem Río Uruguay. Hier schaukeln festgemachte Motorboote auf dem Fluss, jagen große Vögel nach Insekten und Fischen und spiegeln sich die Verwaltungsgebäude des

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