Lesbische Träume und 11 andere erotische Novellen. Sarah Skov

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wie Sebastian. An der Universität herrscht keine Anwesenheitspflicht. Zu Beginn des Studiums werden die Studenten aufgefordert, zum Unterricht zu erscheinen und ihr Studium als Vollzeitjob zu betrachten. Soll heißen, siebenunddreißig Stunden Pensum die Woche. Das trifft aber selten zu. Am Anfang vielleicht häufiger, später immer weniger.

      Ich bleibe am Tisch sitzen, während die Studenten ihre Bücher einpacken und nacheinander nach vorne kommen, um ihre Arbeiten auf den kleinen Stapel vor mir zu legen. Das ist der altmodische Weg. Ich lächle, nicke und bedanke mich diskret, während sie vorbeigehen. Manche mit Augenkontakt, manche schon wieder von ihren Mobiltelefonen eingenommen. Die Qualität der Handschriften sinkt. Jedes Mal, wenn ich den Studenten eine handschriftlich auszuführende Aufgabe stelle, beschweren sie sich lauthals. Zwar haben sie alle einen Laptop dabei, aber ich finde, es tut ihnen gut, direkt mit dem Stoff in Berührung zu kommen, ohne Tastatur oder Internetverbindung. Ich finde es wichtig, besonders, wenn sie in Zukunft mit Kunst arbeiten werden. Wenn sie sich beschweren, bekommen sie die gleiche Antwort wie jedes Jahr zu hören. Ich spüre, dass sie sich mehr und mehr auf die Idee einlassen. Ich habe einen Magister in Kunstgeschichte, wo Stoff, Materie und Berührung von Bedeutung sind, und meine Art zu unterrichten orientiert sich daran. Sie steht umso stärker da, je weniger ich mich auf Kompromisse einlasse. Ich kann gut unterrichten. Wenn ich sagen müsste, in welchem meiner Lebensbereiche ich die beste Ausstrahlung habe, wäre es der als Dozentin. Als Privatperson bin ich introvertierter, höre mehr zu.

      Sobald die Studenten ihre Blätter bei mir abgegeben haben, verfallen sie wieder in Gespräche und ihr gewohntes Treiben an der Universität. So viel Energie. Sie lassen die Tür offenstehen, sodass ich sie länger im Gang verschwinden hören kann. Sebastian gibt als Letzter ab. Er schaut mich eingehend an. Für einen kurzen Augenblick überlege ich, ob er mich am Strand gesehen hat. Als er aus der Tür ist, sammle ich den Stapel auf, begradige ihn und stecke die Arbeiten in meine Tasche. Es ist Freitag, und ich muss erst montags wieder unterrichten.

      Auf dem Weg zu meinem Büro tönen Musik und Gespräche aus dem Raum, wo sich die Studenten immer zum Trinken treffen. Meine hohen Absätze klackern auf dem Boden. Es ist ein angenehmes Geräusch. Ich schwöre auf die hohen Absätze, auch wenn sie in Dänemark hin und wieder zugegebenermaßen unpraktisch sind. Ich passiere zwei junge Männer, die sich auf dem Gang unterhalten. Ich bin fast sicher, dass sie eben noch in meiner Vorlesung saßen, aber wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich außerhalb des Unterrichts nicht besonders gut an Gesichter, mit ein paar Ausnahmen natürlich. Die jungen Männer grüßen mich, ich lächle zurück.

      Als ich meine Arbeit als Dozentin begann, war ich überzeugt, mein erster Jahrgang sei etwas ganz Besonderes, weil die jungen Leute so unglaublich jung aussahen. Jetzt muss ich gestehen, dass man mit Anfang Zwanzig einfach so aussieht, und dass auch ich mal so aussah. Ich ging damals tatsächlich nach Hause, schaute mir Fotoalben aus meinen ersten Semestern an, und war verblüfft, wie schnell mich das alles einholte. Nachts hatte ich unruhige Träume. Es fühlte sich an, als wäre ich in eine Kluft zwischen dem, was ich einmal hatte werden wollen, und dem, was ich heute war, gefallen. Nicht, dass ich mit meinem Dasein unzufrieden wäre, denn das bin ich ganz bestimmt nicht, aber ich hatte es mir nicht so vorgestellt. Und die Sache hätte ganz anders aussehen können. Ich entschied mich zum Beispiel, Claus zu heiraten, weil ich spürte, dass eine Ehe mit ihm undramatisch und friedlich verlaufen würde. Andererseits entschied ich mich auch gegen das Lustbetonte, und genau dieses Element begann ich nach einigen Jahren ernsthaft zu vermissen. Nachdem unsere erste Verliebtheit vorüber war, stand für mich fest, dass unsere intime Leidenschaft nie wieder das gleiche Level erreichen würde. Ich sprach mit Freundinnen darüber, aber damals sagte mir das Undramatische, Friedliche mehr zu. Ich glaube, dass ein Teil von mir nach den vorangegangenen wilden Jahren und gewaltigen Eskapaden Ruhe brauchte. Ich versuchte, diese Jahre mit neuer Unterwäsche und Massagen wieder zum Leben zu erwecken, aber meine Mission wurde zu offensichtlich, zu gekünstelt, und ich wurde abgewiesen.

      Ich habe den Eindruck, dass mich die Studenten mögen, und das bedeutet viel für mich, besonders weil mein Bekanntenkreis seit der Scheidung klein ist. Die meisten unserer Bekannten waren am Ende auf Claus‘ Seite. Das ist kein wirklicher Verlust. Vielleicht hatte ich auch damit gerechnet, nachdem ich nach zehn Jahren verkündete, etwas anderes, mehr zu wollen. Ich, die sonst keine Meinung über irgendetwas hatte und von Natur aus Konflikten aus dem Weg ging. Nun hatte ich plötzlich genug, und ich brauchte eine lange Zeit, mir zu verzeihen, dass ich mich erst nach zehn Jahren hatte zusammenreißen können. Wenn man derartig endgültige Entscheidungen trifft, beunruhigt das die Freunde. Vielleicht auch, weil es sie dazu zwingt, hinter die Fassade zu blicken.

      Studenten, die genauso reflektiert sind wie ich, sind wie ein erweiterter Kreis aus Kollegen. Trotz unseres Schüler-Lehrer-Verhältnisses gibt es auch für mich etwas zu lernen. Sie können in der Tat Fragen stellen, auf die ich spontan keine Antwort finde. Es ist vollkommen in Ordnung, dass wir uns nicht in allen Angelegenheiten einig sind, und es auch nie sein werden. Manchmal ermüden mich die Seminare voller Diskussionen, aber insgesamt bin ich froh darüber. Wie sonst sollte ich mich weiterentwickeln?

      Nachdem die Scheidung durch war, verfiel ich in eine unglaubliche Ruhe. Es war, als wäre ich lange Zeit erfolglos auf der Suche nach mir selbst gewesen, und war plötzlich auf einen Schlag da. Ich konnte, umgeben von meinen eigenen Sachen, in meiner Wohnung sitzen, Kleidung tragen, die mir passte, und alles in allem tun und lassen, was ich wollte. Claus ist viel aufgeschlossener als ich, und es war eine Wohltat, nicht mehr jedes Wochenende auf Vernissagen und private Feste rennen zu müssen. Eigentlich befürchtete ich, ich würde genau das vermissen, denn grob gesagt, hatte sich unser ganzes Leben darum gedreht, seit ich Claus kannte. Wir hatten keine Kinder, und es war nie im Gespräch gewesen, welche zu bekommen. Weder Claus, noch ich können besonders gut kochen. Ich sah nicht sonderlich gern fern, und Claus genauso wenig, also blieb nicht viel übrig. Wir bereiteten schnelle Gerichte zu oder aßen auswärts, und besuchten anschließend Freunde oder eine Vernissage.

      Jetzt lebe ich ein viel introvertierteres Leben. Es fühlt sich an, als müsste ich das vor anderen rechtfertigen. Nach der Scheidung haben all meine Abende allein zu Hause einige meiner engsten Freundinnen sehr besorgt, aber jetzt verstehe ich, dass es keinen Grund zur Sorge gab. In gewisser Hinsicht führt einen eine Scheidung zu sich selbst zurück, und so war es auch bei mir. Ich lernte mich auf allen Gebieten neu kennen, auch sexuell. Dem verschließt man sich sonst gewissermaßen, wenn man sich gerade scheiden lässt. Während langer Spaziergänge hegte ich wohlige Gedanken daran, jemanden zu treffen, verführt zu werden. Ich versuchte es ein paarmal auf die moderne Art, Onlinedating und so weiter, aber das konnte ich schnell abhaken. Das war nichts für mich. Vielleicht bin ich zu alt geworden, ich weiß es nicht, aber ich glaube eher, mir fehlt dabei die Romantik. Meiner Freundin Birgitte gelang es glücklicherweise gut, mich in der Welt der jungen Leute zu halten. Ich glaube, in Wahrheit sehnten wir uns beide danach. Sie besuchte mich gern mit einem Rotwein und sprach laut und lange über ihre Liebhaber, trotz langer Ehe. Irgendwie fand ich das ein bisschen schade. Auf der anderen Seite diente es mir zu ausgesprochen guter und lebensbejahender Unterhaltung. Ich glaube, sie wünschte sich, ich würde mehr daraus machen, dass ich mich aufraffte, und mit neuen Männern loslegte. Ende des Sommers überlegte ich, ob ich ihr von meinen Beobachtungen von Sebastian am Strand erzählen sollte, aber aus unerfindlichen Gründen, wollte ich es lieber für mich behalten.

      Ich schalte meinen Computerbildschirm an. Da es draußen schon dunkel ist, sehe ich die Reflektion des Bildschirms im Fenster hinter mir. Hinter dem Fenster steht eine große Hecke, dahinter liegt eine an einen Bach grenzende größere Grasfläche. Ich kann also sicher sein, dass niemand vorbeikommt, und sieht, was ich tue.

      An einem Haken hinter der Tür hängen meine Jacke und für den Fall der Fälle auch eine Regenjacke. Sonst habe ich mein Büro relativ schlicht eingerichtet, ähnlich wie mein Zuhause. Ich habe irgendwo gelesen, dass man sich leichter konzentrieren kann, wenn nicht so viele Dinge herumstehen. Außerdem gefällt es mir so am besten. Als ich gerade an der Universität anfing, konnte ich verstehen, dass ein Konkurrenzkampf um die Büros herrschte. Mein jetziges ist ein sogenanntes Anfängerbüro.

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