Lesbische Träume und 11 andere erotische Novellen. Sarah Skov
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Während des Unterrichts sind keine neuen E-Mails eingetroffen. Das ist einer der Vorteile an der Arbeit als Dozentin. Ich muss mich bei weitem nicht um so viele Mails kümmern wie auf dem privaten Arbeitsmarkt. Alles läuft langsamer ab. Hauptsächlich denke ich, dass ich meine Arbeit so gründlicher erledige. Ab und zu bin ich zwar auch mal gestresst, aber längst nicht so wie vorher.
Ich schaue auf meine Uhr und nehme die Schlüssel vom Tisch. Danach öffne ich die Bürotür und gehe in die Kantine. Sie schließen nachmittags, und ich ergattere immer die letzte Tasse Kaffee, bevor sie zumachen. Natürlich gibt es Kaffeeautomaten auf dem Flur, aber erstens finde ich, deren Kaffee schmeckt nach Metall, und zweitens unterhalte ich mich gern mit den Damen in der Kantine. Die beiden recht großgewachsenen Frauen sind nicht im Geringsten akademisch angehaucht. Genau das mag ich. Wenn ich komme, wissen sie nahezu im Voraus, was ich möchte und wie ich meinen Kaffee mag. Sie fragen, wie es mir geht. Ich erzähle ein bisschen von meinem Tag, sie tun es mir gleich. Nichts Tiefgehendes, es könnten auch Bemerkungen über das Wetter oder die Jahreszeit sein. Ich glaube, sie arbeiten schon länger an der Universität als ich. Wegen ihres Alters verhalten sie sich mir gegenüber immer etwas mütterlich. Sie möchten, dass ich einen neuen Mann kennenlerne. Die Scheidung können sie gut verstehen, und sie freuen sich so sehr, wenn ich sage, dass es mir trotz allem ziemlich gut geht. Wenn ich wieder gehe, spüre ich immer, dass man sich um mich kümmert. Ich stelle mir vor, dass es so wäre, wenn ich meine Mutter noch hätte. Wir waren uns nie besonders nah, aber trotzdem war ich nie im Zweifel, dass das Beste, was ich ihr sagen konnte, war, dass es mir gut ging. Das ist wohlgemerkt das einzige, was Eltern sich wirklich wünschen. Ich bin so froh darüber, dass Claus und ich keine Kinder bekamen, sonst wäre ich nie davon losgekommen.
Ich balanciere die Kaffeetasse in meiner Hand. Das ist einer der besten Momente des Tages. Der Unterricht ist vorbei, und ich kann mich ins Büro verziehen. Ich wechsle von Arbeit zu Freizeit, und checke wie gewöhnlich, was im Kino läuft. So habe ich einen einigermaßen guten Überblick, wann welcher Film Premiere hat. Ich liebe Kino. Als Ausgebildete im Bereich Kunst und Kultur und als naturscheuer Mensch ist Kino ein Volltreffer. Ist man erstmal drinnen, steht man nicht mehr im Fokus, es ist wie eine Vernissage oder eine Theateraufführung mit langer Pause im Foyer. Im Kino kann man den Kopf abschalten. In dieser Hinsicht fordern die Filme eine andere Art von Aufmerksamkeit.
Nicht weit von mir entfernt, gibt es außerdem ein kleineres Kino, wo man an der alten Tugend festhält. Bar und gemusterter Boden im Foyer, lange, schwere Samtvorhänge, Noir-Plakate und Spiegel an den Wänden. Es fühlt sich an, als gehörte ich dorthin, und als wäre ich weit vom Alltag entfernt. Wie ein Ort, an dem ich ich selbst sein kann und keine Rolle einzunehmen brauche, ein bisschen wie eine Traumwelt. In erster Linie sehe ich gerne Sozialrealismus auf der großen Leinwand. Die Idee darüber, dass dort ein anderes Leben abläuft, ein dramatisches Leben, an dem man für eine Weile teilhaben kann, ehe man zurück in sein eigenes kehren muss, gefällt mir. Meistens ziehe ich allein los, hin und wieder direkt von der Arbeit, da ich nicht zuerst nach Hause muss, um mich zurechtzumachen. Ich habe kein Problem damit, allein zu gehen. Ich gehe im Keller auf die Toilette, wo ich roten Lippenstift auftrage. Das allein verwandelt mein Gesicht von Alltag zu Wochenende. Die anderen Frauen auf der Toilette tummeln sich an den Waschbecken. Ich habe mich schon immer darüber geärgert, dass es in Dänemark nicht akzeptiert wird, wenn man etwas aus sich macht. Dass Lippenstift aufzutragen unanfechtbar als Zeitverschwendung oder Bedrohung einer schönen Frau betrachtet wird. Wir sind so schlecht darin, unsere gegenseitige Schönheit zu bewundern.
Das Kino wurde auch zu einer Form von Übergangsritual, als ich mich scheiden ließ. Als es mir wichtig wurde, etwas Eigenes zu haben. Claus wollte nie mit ins Kino. Ich wollte etwas finden, auf das ich Lust hatte, und wo ich nicht an andere denken musste. Ich liebe Kunst, mein Zuhause ist von oben bis unten voll davon, aber meistens bestehen Vernissagen daraus, dass man sich über das Erlebnis unterhält. Ich finde Gefallen daran, allein ins Kunstmuseum zu gehen, aber Vernissagen ertrage ich nicht wirklich, es sei denn ich habe Kollegen oder eine Freundin dabei. Ich will nicht ständig in der Gegend herumstehen, Smalltalk betreiben und meine Eindrücke teilen, egal was ich von der ganzen Sache halte.
Ich setze mich mit einem Glas Wein in die Lounge des Kinos, nachdem ich mir eine Karte für die Abendvorstellung gekauft habe. Es kommt selten vor, dass ich jemanden treffe, den ich kenne. Die meisten Menschen haben mit sich selbst zu tun. Ich blättere gern im Programm für den kommenden Monat, lese bei Bedarf ein bisschen, habe aber in erster Linie kein Problem damit, einfach nur dazusitzen und die anderen zu beobachten. Ich nehme selten Blickkontakt auf. Meistens bin ich die einzige, die allein hier ist. Das kann tausende Gründe haben.
Ich reibe die Lippen aneinander. Auf dem Rand des Glases sehe ich den blassen Abdruck meines Lippenstifts. Ich schaue kurz auf mein altes Handy, dann schalte ich es aus und stecke es zurück in die Tasche.
Genau da bleibt eine Person direkt neben meinem Stuhl stehen, so nah, dass es wohl ihr Ziel gewesen sein muss, meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
„Hey“, sagt Sebastian mit einem breiten Lächeln.
Ich begrüße ihn. Keine Umarmung, er ist schließlich einer meiner Studenten. Er trägt eine Uniform und sieht ganz anders als sonst aus.
„Dachte ich mir doch, dass Sie es sind“, grinst er.
Ich streiche mein Haar hinter das Ohr.
„Darf ich mich einen Moment zu Ihnen setzen?“, fragt er und zeigt mit seiner Handfläche auf den leeren Stuhl mir gegenüber.
„Natürlich“, antworte ich und ziehe mein Weinglas etwas näher zu mir, um zu signalisieren, dass dort frei ist. Die Unterseite des Glases kratzt über die Tischplatte.
Im Licht des Kinos sieht Sebastian anders aus. Für einen Moment überlege ich, ob das am Wein liegen könnte. Ich habe heute nicht sehr viel gegessen. Es kommt so selten vor, dass ich meine Studenten außerhalb der Universität treffe. Die meisten grüßen mich, wenn ich ihnen über den Weg laufe, aber ich habe es noch nie erlebt, dass einer ein Gespräch begonnen und sich zu mir gesetzt hat. Vorsichtig trinke ich von dem Wein. Er ist eigentlich nicht besonders gut. Nur wenige trinken Wein im Kino. Das ist aus der Kunstszene an mir hängengeblieben.
„Was werden Sie sich ansehen?“, fragt Sebastian und nickt zu meiner Karte.
Ich halte sie ihm hin.
Er liest und nickt. Es ist sicherlich kein Film, den er schon gesehen hat, denn er gibt keine Kritik oder ein Zeichen von sich, dass ich mich darauf freuen kann.
„Sind Sie allein hier?“, fragt er.
Ich erzähle, dass ich gern allein ins Kino gehe, vor allem freitags nach dem Unterricht.
„Cool“, sagt Sebastian.
Gott, wie jung er ist!
„Du hast einen Nebenjob hier“, bemerke ich und nicke zu seiner Uniform.
Sebastian lässt die Hände über seine Brust gleiten, wie ein Kind, das sein Kostüm präsentiert.
„Ja. Ist ziemlich gut mit ein bisschen Geld über die Beihilfe