Messi. Luca Caioli
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Der Plan geht auf. Die beiden Freundschaftsspiele werden nun wie geplant organisiert, um Leo in Aktion zu sehen. Bei der ersten Anfrage, die Barcelona Anfang Mai zugestellt wird, ist Leos Name falsch geschrieben. Die AFA bittet darum, einen gewissen „Leonel Mecci“ für eine Reise nach Argentinien eine Zeit lang freizustellen. Die Anfrage wird höflich abgelehnt, weil Leo noch Einsätze in der Copa del Rey zu bestreiten hat. Ende Juni passe besser. Die AFA hat es nun sehr eilig, ihn für Argentinien spielen zu sehen. Leo lebt seit drei Jahren in Spanien und spielt in den Jugendmannschaften von Barça. Es besteht die Gefahr, dass man ihn verliert und er im Trikot der Furia Roja, der spanischen Nationalmannschaft, aufläuft. Und das ist keineswegs nur eine vage Bedrohung. Knapp ein Jahr zuvor hatte U16-Nationaltrainer Ginés Meléndez Leo während der Copa de España in Albacete bereits angeboten, für Spanien zu spielen. „Nein, danke“, erhielt er als Antwort. Obwohl Leo auf der Iberischen Halbinsel lebt, fühlt er sich durch und durch als Argentinier. Doch wer weiß, ob der Junge nicht bei etwas größerer Hartnäckigkeit vielleicht seine Meinung ändern könnte? Besser, man kommt dem spanischen Fußballverband zuvor.
„Er kam an einem Montag an und sollte mit der U20 trainieren“, erinnert sich Tocalli. „Er war ein ziemlich schüchterner Junge, er kannte niemanden, und niemand kannte ihn.“ Während sich seine Mannschaftskollegen – Spieler wie Pablo Zabaleta, Oscar Ustari oder Ezequiel Garay – in der argentinischen Meisterschaft schon einen Namen gemacht haben, ist Leo noch völlig unbekannt. Er verzieht sich in eine Ecke der Umkleidekabine im Stadion der Argentinos Juniors und bekommt kaum ein Wort heraus. Doch als er trainieren und mit dem Ball arbeiten soll, ändert sich sein Verhalten. Urplötzlich ist er nicht mehr so verschüchtert, wie es zunächst den Anschein hatte. Der Chef mag ihn – er schätzt sein Können und seine Geschwindigkeit, aber Leo wirkt noch nicht allzu stark.
Das Spiel der U20 gegen Paraguay findet am 29. Juni statt. Leo steht nicht in der Startaufstellung, einerseits aufgrund seines Alters, andererseits aber auch aus Respekt vor der Mannschaft. Außerdem will man ihn nicht zu sehr unter Druck setzen. Erst in der zweiten Halbzeit, in der 50. Minute bei einer 3:0-Führung für Argentinien, kommt Tocalli zu ihm. Er legt Leo eine Hand auf die Schulter und sagt ihm, er solle sich für die Einwechslung bereit machen. Aufgeregt und überrascht stürmt der Floh erstmals im hellblau-weiß-gestreiften Trikot auf den Platz. Und er zeigt, was er kann: Er nimmt den Gegner auseinander und schießt ein Tor.
„Er war im Training schon gut, doch im Spiel war er noch mal beeindruckender“, sagt Tocalli. Das Freundschaftsspiel endet 8:0, und der Youngster hat die Trainer schwer beeindruckt – so sehr, dass Tocalli noch am selben Abend einen Telefonanruf von José Pekerman, seinem Freund und Vorgänger als Jugendtrainer, erhält. „Er fragte mich, wie wir den Jungen fanden. Er war der Meinung, dass er fantastisch sei. ‚Gegen Uruguay bringt ihr den aber in der Startelf, oder?‘, fragte er mich. Aber nein. Im Spiel gegen Uruguay in Colonia steht er nicht in der Anfangsformation. Als er dann eingewechselt wird, überrascht er sie alle aufs Neue. Am folgenden Tag, den 4. Juli, schreibt das in Buenos Aires erscheinende Sportmagazin Olé: „Der junge Messi ist das einzig Wahre. Er erzielte zwei Tore, gab vier Vorlagen und war der Hingucker beim 4:1-Sieg über Uruguay.“
Leos zweifacher Test war ein voller Erfolg. Er hat sie alle beeindruckt. Und nun hat Tocalli auch keinen Zweifel mehr daran, dass er ihn für den Kader für die Qualifikationsspiele zur FIFA U20-WM, die im darauffolgenden Januar in Südamerika ausgetragen werden, nominieren wird. Abgesehen von Mauro Andrés Zanotti, der für Ternana Calcio in Italien spielt, ist Messi der einzige Legionär. Gleichzeitig ist er auch der Jüngste in der Gruppe. Während er gerade 17 Jahre alt geworden ist, sind die anderen zwischen 18 und 20 und bringen eine Menge Erfahrung aus allen Ligen der argentinischen Meisterschaft mit.
Und dann beginnt endlich die südamerikanische Qualifikationsrunde. Sie wird in Kolumbien ausgetragen – in Armenia, Manizales und Pereira im Süden der Zentral-Anden im sogenannten Kaffeeanbaugebiet, weit entfernt von der Hauptstadt Bogotá. Man spielt in großer Höhe: In Ar menia sind es 1.650 Meter, in Manizales 2.500 Meter. Besonders den Argentiniern fällt es schwer, sich zu akklimatisieren.
Messi macht sein erstes Spiel am 12. Januar 2005 im Centenario-Stadion in Armenia. Es geht gegen Venezuela. Wie gehabt steht er nicht in der Anfangsformation, sondern sitzt auf der Bank. 15 Minuten nach der Pause wird er für Ezequiel Lavezzi eingewechselt, den man heute als groß-zügig tätowierten Mittelstürmer des SSC Neapel kennt. Als Messi auf den Platz kommt, führt Argentinien bereits mit 1:0. Dank ihm leuchtet acht Minuten später das 2:0 auf der Anzeigetafel auf. Die Partie endet schließ-lich mit einem 3:0. Die Niederlage Venezuelas ist eindeutig und Messis Beitrag unbestreitbar. Im Spiel gegen Bolivien im Palogrande-Stadion in Manizales wiederholen sich die Ereignisse. Zu Beginn der zweiten Halbzeit schickt der Trainer seine Nummer 18 für Barrientos auf den Platz, um den Offensivdruck zu verstärken. „Und nach fünf Minuten demonstrierte Messi allen seine spielerische Klasse“, schreibt die argentinische Zeitung Época. „Er schnappte sich auf Höhe der Mittellinie den Ball, startete ein unwiderstehliches Solo und schlug den Ball diagonal in die Maschen. Ein herrlicher Schuss, der bei der Wahl der schönsten Tore der U20-Südamerikameisterschaft ganz sicher vorn dabei sein wird. In der 57. Minute erzielte Messi dann noch das 3:0.“
Zwei Tage später trifft man auf Peru, und Messi steht erstmals in der Startelf. Insgesamt wird er jedoch nur in drei Spielen von Beginn an auf dem Platz stehen, bei den übrigen bringt Hugo Tocalli ihn in der zweiten Halbzeit. Warum? Tocalli rechtfertigt seine Entscheidung: „Der Junge hatte sich dem Rhythmus der Mannschaft noch nicht angepasst, war nur das Spielen in Barças Jugendmannschaften gewohnt und brachte noch nicht diese Intensität mit, die man im südamerikanischen Fußball braucht … Die Spiele waren ziemlich anspruchsvoll. Hinzu kam, dass seine Gegner Jahrgang 1985 waren, und in dem Alter machen zwei Jahre einen gewaltigen Unterschied. Also beschloss ich, ihn mit Bedacht einzusetzen, um ihn nicht zu verheizen oder ihm zu viel Verantwortung zu übertragen.“
Die hervorragenden Ergebnisse bestätigen Tocallis Vorgehensweise, so auch im letzten Spiel am 6. Februar in Manizales gegen Brasilien. Messi kommt in der 65. Minute für Neri Cardoso. Zehn Minuten später verwertet er einen Pass von Barrientos optimal und sorgt mit einem gefühlvollen Schuss in den Kasten für den 2:1-Sieg – sein erstes Tor gegen den ewigen Rivalen. Am Ende qualifiziert sich Argentinien als Turnierdritter hinter Kolumbien und Brasilien für die FIFA U20-WM in den Niederlanden. Messi hat fünfmal getroffen und ist damit der zweitbeste Torschütze nach dem Kolumbianer Hugo Rodallega, der elf Tore auf dem Konto hat. Rodallega ist 19 Jahre alt und macht sowohl im Spiel wie auch danach keine Kompromisse: „Ich bin eindeutig besser als Messi“, erklärt er. „Aber der große Unterschied zwischen uns ist, dass er für Barcelona spielt und ich für Deportes Quindío [kolumbianischer Klub aus Ar menia].“ Leo antwortet bescheiden: „Dazu sage ich nichts. Ich spiele für die Mannschaft.“ Völlig zu Recht nimmt ihn die FIFA in die Elf der besten Spieler Südamerikas auf – eine Auszeichnung, mit der er das Herz des Auswahltrainers erobert.
„Er hat mich verzaubert“, gesteht Tocalli. „Ich liebte seine rasanten Tempowechsel von null auf hundert, seine Tricks, mit denen er die Gegner ausspielte, und seine Fähigkeit, sich mit dem Ball am Fuß extrem schnell zu bewegen. Er zeigte, dass er trotz seiner Statur viele Tore schießen konnte. Er hatte einen guten linken Fuß und traf den Ball genau richtig.“
Für