Punkt - Punkt - Sommer - Strich. Roy Jacobsen

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Punkt - Punkt - Sommer - Strich - Roy Jacobsen

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sein, ehe ich an das nächste auch nur denken kann. Katrine weiß das. Deshalb wartet auch sie auf ein Licht. Jetzt warten wir gemeinsam. Und es wird schon kommen, denn der Wein ist süß, und diese südnorwegische Sommernacht hat einen ganz außergewöhnlichen Einfluß auf mich, sie gibt mir die selbstsichere Ruhe, die ich immer in den Tagen vor dem Blitzeinschlag verspüre, ja, hier sitze ich wirklich in diesem Hafenrestaurant in Drøbak und weiß, daß es jetzt wieder geschehen wird – ehe es geschieht. Jetzt bin ich nämlich aufgestanden und stehe still am Tisch, steif; meine Finger berühren ganz leicht die Tischkante. Ich blicke über den Steg mit den lachenden Kindern, ich sehe sie nicht, ich sehe nichts, in meinem Gehirn geschieht etwas, ich blicke auf Katrine hinunter, sie blickt zu mir auf und lächelt gespannt. Wir lächeln uns an. Ich reiche ihr über den Tisch hinweg die Hand, presse ihre – und verlasse sie! Ich verlasse meine Frau hier im Hafenrestaurant, zusammen mit einer fast vollen Flasche Wein, und laufe zurück zu meinem Spukhaus, mit der undefinierbaren Wärme, die neben Lieben und Kindererziehen das einzige ist, was mich in diesen sinnlosen zweiundvierzig Jahren am Leben erhalten hat, laufe nach Hause und hinauf ins Zimmer mit der Schreibmaschine am Fenster, wo meine Hände ganz leise zittern, als ich einen Bogen einspanne, ehe ich plötzlich wieder ganz ruhig bin – denn jetzt kommt er, jetzt kommt der Abschluß, nach vier Jahren der Leere.

      2

      Am nächsten Morgen bin ich erschöpft und übermütig vor Freude, und es ist gar nicht Morgen, sondern Mittag, nach Katrines Stundenplan, und die Familie sitzt am Küchentisch, als ich mit roten Augen und im Bademantel aus dem Himmel herniedersteige.

      »Wenn ihr euch scheiden laßt, Mama, dann will ich bei Papa bleiben«, sagt der Knabe. Dieses Vertrauen habe ich meiner haltlosen Einstellung Essenszeiten und Salaten gegenüber zu verdanken. Der Leser stutzt vielleicht über eine so klare Meldung von einem so jungen Mann, aber in unseren Kreisen kommt es wirklich oft vor, daß Kinder frühreife Frechheiten dieser Art servieren – aus Jux. Und Mutter lacht:

      »Wir lassen uns doch nicht scheiden!«

      »Nein, zum Glück nicht«, sage ich und lasse mich auf den Stuhl fallen, der, wie ich weiß, für den Rest des Sommers meiner sein wird, auf den Stuhl, der übrig bleibt, nachdem sich die anderen nicht nur ihre Lieblingsstühle ausgesucht, sondern außerdem wortlos untereinander abgemacht haben, wo Vater zu sitzen hat. Am besten setzen wir ihn neben die Tochter auf die eine Längsseite. Mutter sitzt an der Querseite – die andere stößt gegen die Fensterwand –, und auf der anderen Längsseite, Vater und Tochter gegenüber, sitzt der hochaufgeschossene Sohn.

      »Na, wie war es heute nacht?« fragt Katrine und reicht mir die Teekanne, setzt sie wieder ab, ohne daß ich ein Wort zu sagen brauchte, und holt statt dessen den Kaffee, gießt Kaffee in meine Teetasse, normalerweise muß ich mir selber einschenken.

      »Ganz toll«, sage ich wahrheitsgemäß. »Bloß habe ich heute morgen alles noch mal von Anfang an gelesen, und es taugt nichts.«

      »Was sagst du da?«

      »Nein, ich muß es wohl umschreiben.«

      Das sage ich leichthin, denn ich habe wieder Lust zu schreiben, und ich weiß, es wird mich nicht mehr als drei, vier Wochen kosten, den Unfug zu verbessern, der in dieser ganzen langen Zeit krank danieder gelegen hat. Meine Leichtigkeit paßt schlecht in den gesellschaftlichen Zusammenhang, meine Frau betrachtet sich nämlich als eine Art Lektorin. Sie hat das Manuskript gelesen und es über die Maßen gelobt, und deshalb gefällt es ihr nicht, daß ich es jetzt einfach runtermache, aber da kann man nichts machen.

      »Lies das noch mal«, sage ich. »Dann verstehst du, was ich meine.«

      »Ich versteh auch ohne es zu lesen, was du meinst«, sagt mein Sohn, zu dem ich ein sehr vorurteilsloses Verhältnis habe, ein Verhältnis, das an Gleichgültigkeit grenzt, von meiner Seite aus, solange ich sehe, daß er frisch und gesund ist, wohlgemerkt. »Du schreibst die ödesten Bücher, die ich kenne.«

      »Du hast doch gar keins gelesen.«

      »Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß du dir etwas Witziges ausdenken kannst.«

      Auch das ist ein Jux. Mein Sohn und ich wissen nämlich, daß für die absurden Einfälle, die ab und zu unser ordentliches Leben aufleuchten lassen, nur einer steht, und zwar Vater.

      Und nun machen wir uns an unser erstes Sommerfrühstück, und da klar ist, daß Vater arbeiten muß, weshalb er von der Aufgabe befreit ist, die heranwachsende Generation zu unterhalten, bitten sie um die Erlaubnis, verduften zu dürfen, die sie erhalten, mit weniger Hin und Her als sonst. Aber als sie das Haus verlassen haben, stellt sich heraus, daß Katrine folgendes auf dem Herzen hat:

      »Hast du angerufen?«

      »Angerufen? Wen?«

      »Den Makler. Du wolltest dich doch nach dem Mord erkundigen?«

      »Nein, das habe ich vergessen. Kannst du das nicht machen?«

      »Nee ...«

      »Dann vergessen wir die ganze Geschichte einfach, ja?«

      »Man kann nicht auf Kommando vergessen, John. Außerdem finde ich das spannend.«

      »Dann ruf selber an, ich habe im Grunde etwas anderes zu tun.«

      »Na, so wichtig ist das ja auch wieder nicht.«

      Das ist auch ein Aspekt unserer Arbeitsteilung; was ich gerne mache, wird nicht ohne weiteres zu meiner Aufgabe, während das, was sie mag, sofort zu ihrer wird. Das, was wir beide nicht mögen, wird dagegen – nicht ganz und gar zu meiner Aufgabe (so despotisch ist sie nicht) sondern – von Katrine verteilt, was nicht unbedingt bedeutet, daß sie sich selber verschont. Ganz im Gegenteil, sie verschont sich nicht, und dadurch bleibt ihr das Recht, die Leitung zu behalten. Aber jetzt hat sie soviel persönliches Engagement gezeigt, daß diese Ordnung ihren wegweisenden Effekt verliert. Ich kann mit gutem Gewissen aufstehen, abräumen und die vier Teller, die vier Messer und die vier Gläser spülen, kann den Tisch abwischen und mit meiner Tasse und der Kaffeekanne hinauf in mein Nest im ersten Stock gehen, um einen Tag voller berauschender und konzentrierter Einsamkeit an der Schreibmaschine zu beginnen. Aber so kommt es dann doch nicht. Katrine stört mich schon nach einer halben Stunde.

      »Da geht niemand ans Telefon«, sagt sie mit besorgt gerunzelter Stirn, mit der Falte, die sonst für die literarischen Aktivitäten des Hauses reserviert ist.

      »Na und?« erwidere ich gereizt.

      »Nein, das hat vielleicht nichts zu bedeuten, aber es ist doch eine Maklerfirma mit vielen Angestellten.«

      »Vielleicht machen sie Urlaub.«

      Ich habe mich wieder meinem Blatt Papier zugewandt. Dort lese ich: »Als er ihr die Hände um den Hals legt, um den Samt in der Schönheit dieses lebenden Wesens in sich aufzunehmen ...« und denke, daß das doch wirklich nur Gefasel ist, und wenn ich auf mehr Stellen von dieser Art stoße, dann habe ich es, mit Verlaub, nicht mit einem Roman, sondern nur mit einem Abschluß zu tun, den ich heute nacht auf Grund der Annahme verfaßt habe, das Vorausgegangene sei etwas ganz anderes als das, als was es sich nun mit immer größerer und peinlicherer Deutlichkeit entpuppt.

      »Die können doch nicht jetzt schon Urlaub machen!«

      »Und was soll ich dagegen tun?! Jetzt reg dich ab, Katrine, und laß mich in Ruhe!«

      Ich mache mich abermals

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