Punkt - Punkt - Sommer - Strich. Roy Jacobsen

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Punkt - Punkt - Sommer - Strich - Roy Jacobsen

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abermals in den Hoheitsbereich der Kunst einbricht, diesmal mit folgender Mitteilung:

      »Er wollte es mir nicht sagen.«

      »Wer – wollte dir was nicht sagen?«

      »Der Makler. Er wollte mir nichts über den Mord erzählen. Er hat gesagt, er wolle mir keine Angst einjagen. Und als ich gesagt habe, daß er mir auf diese Weise viel mehr Angst macht, hat er nur gelacht. Aber das war kein beruhigendes Lachen, es hörte sich eher so an, als ob er wüßte, daß es vielleicht wieder passieren könnte ...«

      »Katrine!!!«

      »Ja?«

      »Wüßte, daß es vielleicht wieder...? Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn!«

      »Doch, natürlich, er will uns austricksen, verstehst du das nicht?«

      »Jetzt reißt du dich zusammen, meine Liebe. Ich arbeite. Kannst du nicht mal in den Ort gehen, einkaufen, baden, ein Buch lesen – wir haben doch Ferien, Katrine!«

      Sie bleibt noch stehen, schaut aus dem Fenster und murmelt:

      »Ja, das kann ich wohl.«

      Und ich stürze mich auf Seite vier, besessen von einem immer stärker werdenden Gefühl, daß ich, wenn es nicht bald besser wird, die nächsten drei Monate damit verbringen werde, einen Roman einem Abschluß von sechs maschinengeschriebenen A 4-Seiten, Zeilenabstand 2, anzupassen. Nun, viele Jahre in der Branche haben mir beigebracht, daß solche Gedanken beiseitegeschoben werden müssen, sie werden erst behandelt, wenn kein Weg mehr daran vorbei führt. Aber ich komme heute nicht weit, ich komme weder weiter noch höher, denn jetzt steht plötzlich unten im Garten ein Mann und blickt zu meinem Fenster herauf. Ein Mann von Mitte 30, in Jeans und Flanellhemd und abgenutzten Turnschuhen, ein kräftig gebauter Mann mit strohblonden halblangen Haaren und einem weißen Lächeln in einem braunen Gesicht. Er signalisiert mit der Hand, ich solle das Fenster öffnen. Also öffne ich das Fenster, das hätte ich schon längst tun sollen, – öffne das Fenster und lasse den Sommer herein – und beuge mich über die Schreibmaschine. Der Fremde sagt, noch immer lächelnd:

      »Wir sind Nachbarn, ich dachte, ich sag einfach mal guten Tag, oder störe ich?«

      »Nicht, wenn du mir von dem Mord erzählen kannst.«

      »Was?«

      »Hier soll einmal ein Mord geschehen sein, weißt du etwas darüber?«

      »Nein ... wir kommen seit fünfzehn Jahren her, aber ein Mord ...«

      »Komm auf die andere Seite, dann trinken wir einen Kaffee.«

      Ich verlasse das Kunstwerk und gehe in die Küche hinunter. Mein Nachbar und ich machen uns miteinander bekannt.

      »Du bist Schriftsteller, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Ja, ich habe ein Foto von dir in der Zeitung gesehen. Und jetzt schreibst du wohl einen Kriminalroman, oder?«

      »Nein, ich kann Kriminalromane nicht ausstehen. Ich sitze an einer Art Liebesgeschichte, die im Moment stekkengeblieben ist. Setz dich, dann hole ich dir eine Tasse.«

      »Und was ist das für ein Gerede über einen Mord?«

      »Das hat uns der Makler erzählt. Aber als wir heute angerufen haben, wollte er plötzlich nicht mehr verraten. Wem gehört dieses Haus eigentlich?«

      »Ursprünglich hat es einer alten Kapitänsfamilie gehört, Schou-Nilsens, aber aufgrund von Erbschaftsstreitigkeiten hat die Familie beschlossen, es von einem Anwalt verwalten zu lassen, ich glaube, zusammen mit Aktien und anderem, was sie nicht aufteilen konnten. Ich kenne sie nicht, aber solange wir herkommen, wird dieses Haus schon vermietet.«

      »Und der Makler hat die Mordgeschichte erfunden, um das Haus attraktiv zu machen?«

      »Vielleicht«, lacht mein neuer Nachbar. »Hier sind im Laufe der Jahre viele komische Vögel gewesen, Künstler, exzentrische Typen.«

      »Ach ja? Und was machst du so?«

      »Ich habe eine kleine Firma, die Spielgeräte herstellt, Schaukeln und Rutschbahnen und so, für Kindergärten in der Umgebung. Ich nehme im Sommerhalbjahr meinen Computer mit hierher, zeichne und konstruiere und mache meine Arbeit, und die Familie hat dann auch Ferien. Hast du Kinder?«

      »Ja, einen Jungen von zwölf und ein Mädchen von fünfzehn.«

      »Schön, schick sie rüber, ich habe drei ungefähr im selben Alter. Ihr braucht bloß durch das Loch in der Hecke zu kriechen, dann geht der Weg nach unten, wir wohnen im ersten roten Haus am Strand.«

      »Schön. Aber über diese Mordgeschichte weißt du also nichts?«

      »Nein, aber die kann auch schon hundert Jahre her sein. Möchtest du, daß hier ein Mord begangen worden ist?«

      »Nein, nein, um Himmels willen.«

      Aus irgendeinem Grunde hat mein sonst so friedliches, literarisches Inneres im Laufe dieser nichtssagenden Unterhaltung eine ziemliche Erregung entwickelt. Und nachdem der Typ weg ist, nachdem wir uns noch einmal versprochen haben, Kinder auszutauschen, und uns auch angelächelt haben, greife ich zum Telefon und habe gleich den Makler an der Strippe.

      »Meine Frau hat Sie vorhin angerufen.«

      »Ja.«

      »Und Sie wollten ihr nichts über die Morde erzählen, die Sie uns versprochen haben.«

      »He, das war nur einer. Nein, ich hatte Angst, sie zu erschrecken, sie wirkte eigentlich ein bißchen ... tja ...«

      »Dann erzählen Sie’s mir.«

      »Na gut ...«

      Mir ging auf, daß ich etwas tat, was ich gar nicht wollte. Schon längst, ehe die Geschichte kam, wußte ich, daß ich sie nicht hören wollte, die Geschichte, die hier folgt, über die Familie Schou-Nilsen, einen pensionierten Kapitän, seine Frau und deren Schwester, die hier in den Jahren nach dem Krieg wohnten, eine anständige Familie mit Geld und hohem Ansehen. Dann verschwand plötzlich die Schwester der Frau. Der Kapitän erzählte Nachbarn und Bekannten, sie sei in ihren Geburtsort in Westnorwegen zurückgezogen. In den folgenden Jahren geschah jedoch etwas mit den beiden Übriggebliebenen: Sie gingen Nachbarn und Bekannten aus dem Weg, sie alterten merklich, und 1966 zog die Frau in ein Pflegeheim in Oslo, während der Mann hier wohnen blieb. Er, der früher ein hochgewachsener Kapitän gewesen war, extravertiert und aktiv im Dorfleben, war nun verwandelt in einen seltsamen und eigenbrötlerischen Einsiedler. Er besuchte seine Frau auch nie und ging nicht einmal zu ihrer Beerdigung, als sie ein Jahr später starb. Er ließ sich vom Kaufmann bringen, was er an Lebensmitteln und Brennholz brauchte, ließ es vor seiner Haustür abladen und hielt sich ansonsten im Haus auf. Dann bekam der Kaufmann keine Anrufe mehr, zehn Tage lang nicht; er benachrichtigte die Polizei, und die fand den Kapitän an einem Deckenbalken im Wohnzimmer ... Als mir der Makler das erzählte, blickte ich zu den Deckenbalken hoch, suchte mir den aus, den ich für den richtigen hielt, und fragte:

      »Und dann fanden sie einen Brief, in dem er den Mord an seiner Schwägerin zugab? Sie haben im Keller gegraben und die Leiche gefunden?«

      »Nicht

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