Punkt - Punkt - Sommer - Strich. Roy Jacobsen

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Punkt - Punkt - Sommer - Strich - Roy Jacobsen

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... sie war zersägt worden, quer durch den Magen.«

      »Du meine Güte. Wann ist das passiert?«

      »Der Mord? 1964, wenn ich mich nicht irre. Der Kapitän hat sich ... 1967, glaube ich, aufgehängt.«

      »Also haben wir es vielleicht mit einem Eifersuchtsdrama zu tun?«

      »Keine Ahnung. Ich glaube nicht, daß bei den Ermittlungen irgend etwas herausgekommen ist. Es kann sich auch um Geld gedreht haben, aber sie hätten wirklich anderes gehabt, um das sie sich hätten streiten können. Geerbt haben die drei Neffen des Kapitäns und ihre Familien, und denen gehört das Grundstück noch heute.«

      »Und Sie verwalten es seither?«

      »Ja.«

      »Heißen diese Neffen auch Schou-Nilsen?«

      »Nein, Rosenquist, alle drei wohnen in Kristiansand.«

      »Und mehr wissen Sie wirklich nicht?«

      »Nein, ist das nicht genug?«

      »Doch, vielleicht.«

      Ich bedankte mich für die Auskünfte, hörte ihn lachen und mir noch dazu einen »schönen Sommer« wünschen und legte auf. Und was machte ich dann wohl? Jawohl, der Mann, der keine Mordgeschichte hören wollte, aus Angst, darin verwickelt zu werden, geht aus dem Haus, in den Garten, hinter den letzten Apfelbaum (nicht mehr als zwanzig Meter vom Loch in der Hecke entfernt, das mein lieber Nachbar und Konstrukteur von Spielgeräten erst kürzlich beschrieben hat), und dort sehe ich – nichts. Nicht der geringste Hinweis auf einen Menschen in zwei Teilen, ein Grab, ein Drama, ein Rätsel. Ich sehe etwas zu hohes Gras über einer ebenen Fläche, einige Butterblumen, und über mir singt eine ausgelassene Lerche. Das ist alles. Ich sehe Vergessen. Aber in meinem Kopf gibt es kein Vergessen, dort regiert eine alte Geschichte in neuer Umgebung, angetrieben von Neugier, Resignation und Gedanken, die, das weiß ich, alle weitere Arbeit an einem elenden Roman mit genialem Abschluß stören werden.

      Irritiert gehe ich zum Haus zurück, setze mich in die Küche und denke – mehr gibt meine Phantasie nicht her –, daß Kapitän Schou-Nilsen ein Verhältnis mit seiner Schwägerin gehabt haben muß, daß seine Frau davon Wind bekam und ihre Schwester umbrachte. Der Mann half ihr dann, sich der Leiche zu entledigen. Die Reue, oder vielleicht ganz einfach die Tragödie, hatten seine Frau dann gebrochen. Danach kam es auch bei ihm zum Zusammenbruch, wie eine schlimme Geschichte ja eigentlich alle ungestraften Täter zusammenbrechen lassen sollte. So weit reicht meine Phantasie. Die Frage, warum die Leiche dann zersägt wurde, stelle ich mir nicht, doch, ich stelle sie mir wohl. Aber die Antwort, die ich zustande bringe, ist keine bessere als die Theorie, daß es im Boden so viele Wurzeln gegeben haben muß, daß die Betreffende eben zersägt werden mußte, und das reicht ja nicht, nicht einmal für einen, der keine Kriminalromane mag. Und warum reicht sie nicht? Weil sie sie an einer Stelle mit weniger Wurzeln hätten vergraben können, das Grundstück mißt nämlich mehr als vier Dekar und wird auf allen Seiten von einer dichten Hecke vor neugierigen Blicken geschützt. Meine nächste Hypothese ist, daß der Mörder einen ungewöhnlich bestialischen Charakter gehabt haben muß, er muß es genossen haben, sein Opfer zu zersägen. Aber auch dieser Gedanke kann mich nicht weiter beruhigen; was ich über die Familie Schou-Nilsen weiß, und das ist nicht viel, sagt mir nämlich, daß der Mord nicht den Höhepunkt eines zynischen Planes bildete, sondern in Affekt und Verzweiflung ausgeführt wurde, zur Not in krankhafter Eifersucht und/oder blinder Wut, aber nichts davon läßt auf ein Bedürfnis bei Täter oder Täterin schließen, das Opfer zu zersägen.

      Nachdem ich diese naheliegenden Gedanken gedacht habe, und Katrine sich immer noch mit dem beschäftigt, womit sie sich nun eben beschäftigt, während die Kinder desgleichen tun, und nachdem ich auch beschlossen habe, daß mein elender Roman mich noch immer weniger interessiert als diese blöde Mordgeschichte von vor fünfundzwanzig Jahren, schlendere ich in den Werkzeugschuppen, suche den Rasenmäher und mache mich ans Rasenmähen, bei einem Rasen, der gut und gern ein Achtel des Grundstücks bedeckt, das heißt, mehr als einen halben Dekar, und das ist eine enorme Arbeit. Ich bewahre mir den Flecken über der zweigeteilten Leiche bis ganz zum Schluß auf, und ich mähe ihn sehr sorgfältig, ich rasiere ihn bis zur Kopfhaut, bis zu einer kränklich grünen Moosschicht, mache ein paar tastende Schritte, stehe, wo ich glaube, daß die Leiche gelegen haben muß, wippe auf den Fußballen auf und ab, wie, um die Konturen von irgend etwas zu spüren. Ich spüre durchaus keine Konturen von irgend etwas, das ist ja auch kein Wunder, und stapfe vergrätzt zum Haus zurück.

      Dort dusche ich, und als ich aus dem Badezimmer komme, ist zum Glück Katrine wieder da. Ich stehe im Flur und höre, wie unten die Tür geöffnet wird, ich höre Schritte in der Küche, höre Schranktüren, die geöffnet und geschlossen werden; ich höre eine Reihenfolge von Geräuschen, die ich normalerweise nicht mit Katrines Eintritt in die Küche nach einer Einkaufsrunde verbinde, normalerweise wird nämlich zuerst das, was dort hineingehört, im Kühlschrank untergebracht, danach das, was in die anderen Schränke soll. Jetzt ist die Reihenfolge umgekehrt; das denke ich, als ich die knarrende Treppe hinuntergehe und die Küche betrete.

      »Hallo«, sagt Katrine. »Wie geht’s?«

      »Doch, doch, es geht schon irgendwie.«

      »Was machst du denn für ein Gesicht!«

      Also sagt sie das, wovon ich weiß, daß sie es sagen wird, nämlich, wie ich aussehe, und ich weiß auch, wie Katrine mein Äußeres liest:

      »Du hast angerufen?«

      »Ja«, seufze ich, erleichtert, trotz allem. »Und er hat mir eine nicht gerade nette Geschichte erzählt.«

      Ich seufze wieder und setze mich und weiß im selben Moment, daß mein Geseufze ganz und gar fehl am Platz ist. Es verrät nämlich nicht nur etwas über die Geschichte, sondern auch, daß ich persönlich diese unheimliche Angelegenheit wichtiger finde, als es für den Familienfrieden gut ist. Meine Deutung der Dinge ist für Katrine nämlich viel wichtiger als ihr Eigenwert, falls sie überhaupt einen haben. Deshalb lasse ich meine Stimme lässiger klingen, als ich nun vom Mord erzähle, ja, ich erzähle die Geschichte so, wie ich eine Geschichte von einem ganz anderen Ort, einem ganz anderen Haus erzählen würde, und ich finde eigentlich, daß ich meine Sache gut mache. Katrine findet das nicht:

      »Das ist doch kein Grund zum Lächeln.«

      »Herrgott, das ist doch fünfundzwanzig Jahre her, Katrine.«

      »Das spielt keine Rolle – einen Menschen zu zersägen!«

      »Ja, das hat er gesagt.«

      »Das hättest du mir nicht zu erzählen brauchen!«

      »Wie meinst du das denn nun? Gestern hast du noch herumgenervt, wir sollten uns alles erzählen!«

      »Es heißt ja wohl nicht ›alles erzählen‹, wenn du dasitzt und darüber lachst, daß ein Mensch zersägt worden ist.«

      Ich verdrehe die Augen.

      »Ja, soll ich vielleicht weinen? Ich habe das doch nicht getan!«

      »Das hat ja auch niemand behauptet! Was ist eigentlich in dich gefahren?«

      Ja, wenn ich das wüßte. Denn jetzt sage ich tatsächlich: »Ach, vergessen wir das Ganze und essen wir ein bißchen, ich habe einen Bärenhunger.«

      »Essen?«

      »Ich

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