Autochthone Minderheiten und Migrant*innen. Sarah Oberbichler
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![Autochthone Minderheiten und Migrant*innen - Sarah Oberbichler Autochthone Minderheiten und Migrant*innen - Sarah Oberbichler Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte](/cover_pre891123.jpg)
Eine gezielte Auseinandersetzung mit dem Korpus ist wesentlich für diesen Analyseschritt, denn sie ermöglicht es Forscher*innen, ein Gefühl für das eigene Korpus zu erhalten und Nähe aufzubauen. Das Korpus wirkt besser einschätzbar und den eigenen Analysen wird mehr Vertrauen geschenkt.
Schritt 3: Erstellen von Subkorpora
Jene Informationen, die durch das Lesen von Texten bzw. mithilfe von Kollokationsanalysen/Topic Modellen gewonnen werden, können in einem dritten Schritt für erneute Stichwortsuchen herangezogen werden. Diese Stichwortsuchen dienen dem Erstellen von Subkorpora, die auf ein spezifisches Thema zugeschnitten sind. Das heißt, dem Gesamtkorpus werden kleinere thematische Einheiten entnommen, die abgetrennt vom restlichen Korpus weiteren Analysen zur Verfügung stehen. Möglich sind beispielsweise Eingrenzungen zu Themen wie Integration, Moscheebau oder Flucht etc. Hierfür werden zunächst alle Textstellen autokodiert, die die gesuchten Stichworte enthalten. Im Konkreten heißt dies, dass alle Artikel, die beispielsweise die Begriffe Moschee, Gebetshaus, Minarett enthalten, mit einer auto-coding Funktion beschlagwortet und unter dem Überbegriff Moscheebau zusammengefasst werden. Anschließend können die kodierten Artikel problemlos wiedergefunden werden. Diese so entstandenen Subkorpora bilden nun die Basis für die qualitative Auswertung der Texte.
Schritt 4: Qualitative Auswertung
Das Fundament für die qualitative Auswertung wird durch die Annotation des Textmaterials gelegt. Dabei handelt es sich um einen Analyseschritt, der durch genaues Lesen und durch den Interpreten, die Interpretin zu erbringen ist. Es gibt verschiedene methodische Zugänge, um Zeitungsartikel diskursanalytisch zu erfassen. Eine dieser Möglichkeiten bildet die vergleichende diskurshistorische Argumentationsanalyse, die in dieser Arbeit zur Anwendung gekommen ist. Je nach Themenschwerpunkt werden dabei mehrere Hunderte bis mehrere Tausende Artikel nach Argumentationen durchsucht und im ATLAS.ti Programm manuell annotiert, sprich relevante Textstellen werden mit Kodes versehen. Auch was Argumentationsanalysen anbelangt, gibt es jedoch bereits Ansätze, diese zu automatisieren. Erste Versuche sind zum Beispiel bei Noah Bubenhofer249 zu finden.
Schritt 5: Computergestützte Auswertung und Strukturierung der Codes
Für das weitere Vorgehen sind wiederum computergestützte Verfahren notwendig. Denn die manuell gesetzten Kodes müssen nun strukturiert, organisiert und für die weitere Interpretation zugänglich gemacht werden. Das Query Tool des Analyseprogramms ATLAS.ti enthält Funktionen, die Kodes miteinander verknüpfen, sie aber auch gegenseitig ausschließen können. Abbildung 1 zeigt zum Beispiel ein Netzwerk von Textstellen, die dem Argumentationsmuster der Notwendigkeit (Notwendigkeits-Topos) zugeordnet wurden, zum Subkorpus Moscheebau gehören (Moschee COOCCUR Notwendigkeits-Topos) und Teil von Zeitungsartikeln sind, die der Form nach ein Leserbrief oder ein journalistischer Beitrag sind. Derartige Visualisierungen helfen, den Überblick zu behalten. Ebenfalls erlauben sie einen schnellen Rückgriff auf den Originaltext, um die Textstellen im Kontext analysieren zu können.
Abbildung 1: Computergestützte Strukturierung der Kodes im ATLAS.ti Programm
Schritt 6: Quellenkritische Betrachtung der Textstellen
Spätestens mit dem sechsten Schritt ist das hermeneutische Sinnverstehen und das genaue Lesen des Wissenschaftlers und der Wissenschaftlerin unentbehrlich und der Technik eindeutig Grenzen gesetzt. Nun werden die einzelnen Textausschnitte (annotierten Textstellen) quellenkritisch betrachtet, interpretiert und – was für Diskursanalysen essentiell ist – in den kulturellen, historischen, politischen Kontext eingeordnet. Denn die Bedeutung der Sprache entsteht nicht durch den Gebrauch, sondern erst in Verbindung mit dem relevanten Kontext.
Schritt 7: Synthese
Der letzte Schritt umfasst das Verschriftlichen, sprich die Zusammenführung der einzelnen Erkenntnisse zu einem stimmigen und stringenten Text. Auch im letzten Schritt erscheint es sinnvoll, die durch die maschinellen Analysen erhaltenen quantitativen Daten mit den Ergebnissen der qualitativen Auswertung zu verknüpfen. Das bedeutet, dass Visualisierungen der quantitativen Ergebnisse mit den Interpretationen in Beziehung gesetzt werden. Auch hier kommt es zu einem ständigen Wechsel zwischen den Ergebnissen, die durch das Lesen aus der Ferne sowie durch das genaue Lesen gewonnen werden. Das bedeutet, ebenfalls beim Verschriftlichen der Forschungsergebnisse macht eine Kombination von Mikround Makroanalyse Sinn und vergrößert zudem die Repräsentativität der Analyse.
3.3 Auflistung der Argumentationsmuster250
Nachfolgende Tabelle gibt alle Argumentationsmuster wieder, die im Teil 2 dieser Arbeit beschrieben werden:
Schlussregel in kurzen Stichworten | Ausformulierte Schlussregel | |
Anpassung | Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft | Wenn Migrant*innen sich an die Kultur bzw. Werte und Regeln der Aufnahmegesellschaft anpassen, sind sie „gute“ Ausländer*innen und haben auch dementsprechend Unterstützung verdient. |
Belastung | Migrant*innen/Flüchtlinge als Belastung | Weil das Land mit einem Problem stark belastet ist, sollten Handlungen ausgeführt werden, die diese Belastung verringern. |
Christliche Werte | Wir müssen christliche Werte leben | Weil Maßnahmen oder Handlungen mit den Grundsätzen des Christentums vereinbar bzw. nicht vereinbar sind, müssen diese Maßnahmen oder Handlungen ausgeführt bzw. unterlassen werden. |
Diskriminierung | Migrant*innen werden diskriminiert | Weil Migrant*innen diskriminiert werden, bedarf es Maßnahmen, die diese Diskriminierung unterbinden. |
Echtheit | Nur echte Flüchtlinge aufnehmen | Weil nur „echte“ Flüchtlinge aufgenommen und untergebracht werden sollen, müssten Maßnahmen ergriffen werden, die die Einreise „unechter“ Flüchtlinge verhindern bzw. die alleinige Aufnahme „echter“ Flüchtlinge fördern. |
Folgen | Folgen für die Sprachgruppen in Südtirol | Weil aufgrund der zunehmenden Einwanderung bestimmte Handlungen (nicht) ausgeführt werden, kommt es zu einer Annäherung oder Abgrenzung zwischen den bodenständigen Sprachgruppen. |
Gefahr | Migrant*innen/Flüchtlinge als GefahroderGefahr (für die eigene Sprachgruppe) / für den sozialen Frieden | Weil eine (politische) Handlung bzw. Entscheidung bestimmte gefährliche Folgen hat, sollte sie nicht ausgeführt werden bzw. ist sie abzulehnen. |
Gegenseitigkeit | Integration als gegenseitiger ProzessoderVorwurf einer fehlenden Gegenseitigkeit | Weil Integration nur durch gemeinsamen Einsatz von Migrationsgesellschaft und Aufnahmegesellschaft möglich ist, sollte diese Gegenseitigkeit gefördert werden.Weil Christ*innen in muslimischen Ländern ihre Religion nicht frei ausüben dürfen, sollte dies den Muslim*innen in christlichen Ländern ebenfalls versagt bleiben. |
Gemeinsam | Wir müssen gemeinsam handeln | Weil eine Person/ein Land/eine
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