Autochthone Minderheiten und Migrant*innen. Sarah Oberbichler

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Autochthone Minderheiten und Migrant*innen - Sarah Oberbichler Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte

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Menschen in die Provinz Bozen erheblich an und damit auch die Migrationsberichterstattung. Aus diesem Grund wurde das Jahr 1990 als Ausgangsjahr für die Analyse gewählt. Beendet wurden die Auswertungen 2014, womit das Korpus einen Zeitraum von 25 Jahren umfasst. Lediglich der Flüchtlingsdiskurs wurde auf 2015 – den Höhepunkt der weltweiten Massenflucht – ausgedehnt.

      Themen, die in den 1990er-Jahren die Migrationsberichterstattung bestimmten, waren einerseits die Errichtung illegaler Barackensiedlungen in Bozen und andererseits die Ankunft von Flüchtlingen aus Albanien und Ex-Jugoslawien. Zu Beginn der 1990er-Jahre ließen sich Zugewanderten aus Nord-, Zentral- und Südafrika aufgrund des mangelnden Wohnungsangebots in Bozen illegal und in selbstgebauten Siedlungen nieder. Auch wenn es sich lediglich um einige Hunderte Menschen handelte, führten die inhumanen Zustände sowie die politisch kommunizierte Unlösbarkeit ihrer Situation zu einer übermäßigen Medienpräsenz. Ebenfalls bildete die Umsiedlung von Roma-Flüchtlingen und Sinti – die sich ebenfalls in illegalen Barackensiedlungen (den sog. Zigeunerlagern) in Bozen niedergelassen hatten – einen Höhepunkt in der Migrationsberichterstattung der 1990er-Jahren.

      Die Ankunft und Aufnahme von Flüchtlingen, die den Kriegen und Umwälzungen in Albanien und Ex-Jugoslawien entflohen, markierte zwischen 1990 und 2000 den zweiten wichtigen Themenschwerpunkt. 1991 wurde Südtirol zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg mit der Aufnahme einer größeren Anzahl von Schutzsuchenden konfrontiert. Es waren jene Menschen, die aus Albanien nach Italien flohen und im Rahmen des staatlichen Asylsystems in ganz Italien verteilt wurden. 1992 folgten Schutzsuchende aus dem ehemaligen Jugoslawien, die aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen ihre Heimat verlassen mussten. Die geplante staatliche Zuweisung von weiteren Menschen aus dem Kosovo im Jahr 1999 fand ebenfalls ein breites Echo in den Tageszeitungen, auch wenn die Zuweisung schließlich nicht zustande kam. Während die Migrantinnen und Migranten in den Barackensiedlungen mit überwiegend negativen Schlagzeilen etikettiert wurden, gab es für Flüchtlinge in den 1990er-Jahren mehr Verständnis und Hilfsbereitschaft – mit Ausnahme der Roma-Flüchtlinge aus Mazedonien, die in sogenannten Zigeunerlagern Unterkunft gefunden hatten.

      2002 waren Saisonarbeitskräfte aufgrund fehlender Kontingentzuweisungen ein wichtiges Gesprächsthema in Südtirol, aber lediglich die deutschsprachige Dolomiten berichtete regelmäßig über die einzelnen Umstände. Dies lag nicht zuletzt daran, dass Gastarbeiterinnen und -arbeiter in den Bereichen Tourismus und Landwirtschaft dringend gebraucht wurden, beides Sektoren, in denen vorwiegend Deutschsprachige tätig waren und sind. Die italienischsprachige Bevölkerung arbeitete und arbeitet hingegen eher in der Industrie.

      In der Alto Adige hingegen bildete das neu erlassene Bossi-Fini Gesetz die Grundlage für eine breite Debatte um illegale Migrant*innen, den sogenannten clandestini. Zurecht kann hierbei von einer Korrelation zwischen einem politischen Ereignis und der Migrationsberichterstattung gesprochen werden. Darüber hinaus hatte die steigende Anzahl von Menschen mit ausländischem Pass die Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen. Sowohl der freie Zugang zum italienischen Arbeitsmarkt als auch das freie Niederlassungsrecht in der EU für Menschen aus der Slowakei (2006) sowie Rumänien und Bulgarien (2007) hatten zu einem deutlichen Zuwachs von Menschen anderer Herkunft geführt.

      Debatten um Integration, Wohnbauförderung sowie Moscheebauten dominierten zwischen 2006 und 2009 die Berichterstattung beider Tageszeitungen. All diese Themen fanden aufgrund von Wahlkampfaussagen wichtiger deutschsprachiger und italienischsprachiger Parteien (Südtiroler Volkspartei, Freiheitlichen, Lega Nord) ihren Weg in die Tageszeitungen. So hatten in der Alto Adige beispielsweise die Parlamentswahl 2006, die Landtags- und Parlamentswahl 2008 sowie die Europawahl 2009 deutlichen Einfluss auf die Präsenz von oben genannten Migrationsthemen. In der Dolomiten schien hingegen lediglich die Landtagswahl 2008 die Migrationsberichterstattung zu beeinflussen. Während lokale Wahlen sich also auf den Migrationsdiskurs beider Tagblätter auswirkten, war dies bei nationalen oder gesamteuropäischen Wahlen nicht der Fall.

      Nicht mit regionalen bzw. nationalen Wahlen, sondern mit der Verabschiedung des Landesgesetzes Integration ausländischer Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2011, ging eine weitere öffentlich geführte Debatte über Integration einher. Darüber hinaus erregte die Ankunft von Flüchtlingen als Folge des Arabischen Frühlings die mediale Öffentlichkeit. Das Thema Integration kam zum letzten Mal im Jahr 2013 auf die Tagesordnung, diesmal im Rahmen der Stopp der Gewalt-Debatte der Dolomiten, die sich gegen Übergriffe von Eingewanderten richtete und auf einer hochemotionalen Ebene geführt wurde. Ab 2014 wurden zudem Flüchtlinge aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten zu einem Dauerthema in beiden Tagblättern.

      Natürlich gab es auch Sachverhalte, die durchgehend eine wichtige Rolle spielten. Dazu gehörten die Fragen nach der Unterbringung von Zugewanderten und Flüchtlingen sowie die Gewalt- und Kriminalitätsberichterstattung (darunter auch Illegalität): beides Themen, denen in den 25 Untersuchungsjahren unverhältnismäßig viel Raum zugesprochen wurde.

      3.1 Auswertungsmethoden: Die vergleichende diskurshistorische Argumentations- und Inhaltsanalyse

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