Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 24

Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

Скачать книгу

ist es möglich, daß dieser Kelch an mir vorübergehe? Doch nicht, wie ich will, sondern Dein Wille geschehe.“

      Tal Josaphat, so hieß das königliche Lager vor Chartres, und als eines Tages der König, mit Schlamm bedeckt, aus den Laufgräben stieg, wer wurde ihm auf einer Sänfte entgegengetragen? Henri lief wie ein Knabe, damit er seiner Gabriele die Hand beim Aussteigen reichte; darüber hätte er beinahe die Dame de Sourdis vergessen; und dann zogen beide, von ihm geleitet, in Tal Josaphat ein. Gabriele zeigte ihr grünes Samtkleid, das zu ihren goldblonden Haaren so gut stand; auf kleinen Schuhen aus rotem Maroquin ging sie durch Schmutz, lächelte aber sieghaft. Ein längliches Gasthaus wurde für die Geliebte des Königs hergerichtet; ohne ihn lange hinzuhalten, empfing sie darin noch dieselbe Nacht den, der sie so sehr begehrte.

      Sie tat es, weil ihre erfahrenere Tante de Sourdis ihr gesagt hatte, daß es sich lohnen würde, und der König wäre ein Mann, der auch nachher zahlte, ja, nachher nähme seine Verliebtheit nur zu. Was sich als scharfsinnige Wahrheit erwies, und die erste, die den Vorteil davon verspürte, war Dame de Sourdis selbst, da ihr alter Freund de Cheverny vom König die Siegel erhielt und „Herr Kanzler“ genannt wurde. Ein langes Unglück macht ungläubig. Als der bleiche Beamte, ein Werkzeug der verstorbenen Katharina von Medici, Veranstalterin der Bartholomäusnacht, bei dem protestantischen König ins Zimmer trat, wie wurde ihm? Die Feuchtigkeit stand ihm auf der Stirn, denn er dachte nicht anders, als daß man mit ihm eine Komödie vorhatte, und alsbald wäre er insgeheim beseitigt. In dieser Art wurde es zu seiner Zeit gehalten.

      Vorne im Licht war niemand mit dem König, als nur sein Erster Kammerdiener Herr d’Armagnac, ein grauhaariger Mann. Der hatte seinen Herrn überall die vielen Jahre begleitet, in die Gefangenschaft, in die Freiheit, durch die Todesgefahren, durch die glücklichen Tage. Er hatte ihm das Leben gerettet, ihm den Bissen Brot verschafft und ihn vor Schaden behütet, soweit dieser von Männern drohte. Vor den Frauen warnte er ihn nie, da auch er selbst wie sein Herr von den Frauen nichts Schlimmes gewärtigte, es sei denn, daß sie häßlich sind. D’Armagnac fand gerade die Dame de Sourdis schön, wegen ihrer roten Haare und ihrer frechen blauen Augen, die einen ritterlichen Mann aus dem Süden zur Bewunderung nötigen. Daher war er für Herrn de Cheverny im voraus gewonnen und trug nach Kräften bei, daß der Freund der Dame de Sourdis vom König gut empfangen wurde. Auf den leisen Wink nahm d’Armagnac die Siegel und die Schlüssel vom Tisch, überreichte sie dem König großartig, wie in öffentlicher Zeremonie, und dieser konnte gar nicht anders, er setzte die Bewegung seines Ersten Kammerdieners fort, umarmte den Herrn Kanzler, rühmte ihn und verzieh ihm das frühere Unrecht. „Jetzt“, so sagte der König nach hinten, „wird der Herr Kanzler die beiden Pistolen, die diese Siegel sind, nicht mehr gegen mich, er wird sie gegen meine Feinde richten.“

      De Cheverny, trotz großer Abgebrühtheit, blieb hier vor Staunen stumm. Hinten im Zimmer wurde geraunt, gemurrt, und wenn nicht alles täuschte, klirrten Waffen. Protestantische Herren waren es, und ihre Unzufriedenheit bezog sich nicht nur auf diesen Auftritt: die Anwesenheit der beiden Damen im Lager Josaphat mißfiel ihnen. Es erbitterte sie, daß um der Damen willen nicht das wichtige Rouen erobert, sondern vor Chartres die Zeit verdorben wurde. Auch befürchteten sie noch größeres Unheil von der neuen Leidenschaft des Königs, da sie seiner Religion nicht mehr trauten.

      Den Ängsten dieses Zimmers glücklich entronnen, blieb Herr de Cheverny zuerst ganz dumm im Kopf, seine Freundin de Sourdis machte ihm klar, wer der Stärkere wäre in Josaphat. Auf keinen Fall die Pastoren. Indessen kam das Paar überein, daß Gabriele zu ihrer Bedienung nur Protestanten haben sollte. Sie selbst sah den Nutzen auch ein. Sonst aber tanzte sie. Jeden Abend wurde getafelt und getanzt in Josaphat, es war die unterhaltendste Belagerung. Wenn dann alle zu Bett gegangen waren, zog der König mit hundert Reitern auf Wache. Seine Nacht war kurz, die Sonne fand ihn bei der Arbeit, und am Tage jagte er — das alles, weil die Nähe dieser Geliebten ihm die Ruhe nahm, wie noch keine es vermocht hatte, und seine Kraft und Tätigkeit antrieb über jede frühere Erfahrung hinaus. Um so ungeduldiger wurde er, als die belagerte Stadt nicht fallen wollte. Gabriele d’Estrées, er wußte wohl, daß sie praktischen Ratschlägen, nicht aber ihrem Herzen gefolgt war, als sie sich ihm ergab.

      Henri schwur sich, es sollte anders werden; denn Frauen haben vielerlei Gründe, ihre Berechnung schließt nicht ihr Gefühl aus. ,Das wissen wir mit vierzig Jahren. Mit zwanzig hätten wir uns auf eine Geliebte schwerlich eingelassen, wenn sie einen ganzen Troß stellenloser Edelleute nach sich zieht. Wir hätten nie gedacht, daß wir uns die Mühe geben würden, ihr ansteigend verschiedene Gestalten vorzuführen — einen alten kleinen Bauer, zu dem sie sagte: Sind Sie aber häßlich; und dann den königlichen Aufzug, und dann den Soldaten, der befiehlt, ordnet, immer wacht; endlich aber soll sie den Sieger erblicken. Ihm wird ihr Sinn bestimmt erliegen, da die Frauen von den Bezwingern der Menschen und Plätze träumen und darüber jeden jungen Großstallmeister vergessen. Dann hab ich sie, und der Kampf ist entschieden.‘

      Endlich mußte Chartres wohl fallen, da die Königlichen sich bis unter die Mauer hindurch gegraben hatten. Nahmen ein Vorwerk nach dem anderen, zuletzt aber Burg und Stadt, und in dieser Art nahm Henri auch Gabriele, die ihn noch nicht liebte, als sie schon im Gasthaus „Eisernes Kreuz“ das Zimmer mit ihm teilte. Der Anblick seiner Unermüdlichkeit gewann ihm ein Vorwerk ihres Herzens, und er hatte Grund zu glauben, daß er auch in ihre innerste Burg einzog, als er Chartres in Besitz nahm. Das war der hellste zwanzigste April, das waren schwingende Glocken, herausgehängte Teppiche, Kinder, die Blumen streuten, Geistliche, die sangen, der Bürgermeister mit dem Schlüssel, und vier Schöffen trugen den blausamtenen Baldachin, darunter, hoch zu Pferd, der König seine Stadt musterte, und kaum erobert, begrüßte sie ihn beifällig. Der schöne Tag! Der schöne Tag, an dem die geliebteste Frau seines Lebens hierbei zusieht.

      Der feierliche Empfang vollzog sich in einer berühmten Wallfahrtskirche, und ganz vorn im Publikum erstrahlte die Geliebteste mit allen ihren Leuten, der König übte vor ihr seihe Majestät aus, Seitenblicke überzeugten ihn, daß sie davon hingeschmolzen wäre. Ein geheimer Anlaß störte sie darin, so daß sie errötete, sich auf die Lippe biß — ja, Ironie verriet sie. Daher entdeckte der König leider, daß hinter ihr jemand sich vorsichtig im Schatten hielt: lange ist er dem nicht begegnet, hat auch nie nach ihm gefragt. Dort drückt er sich umher. Henri, im ersten Zorn, winkt alle seine Protestanten an sich, sie brechen ihm Bahn — er eilt zur Predigt in ein verrufenes Haus. So ist es, sein Pastor hat, um Gott zu dienen, nur diesen Ort, wo sonst Komödianten auftreten und Kuppler in Gemeinschaft mit Dieben ihr Unwesen treiben. Diesen Aufenthalt zog der König der Gesellschaft der anständigen Leute vor; es erregte so viel Anstoß, daß er gut daran tat, Chartres zu verlassen.

      Vorher versöhnte er sich mit Gabriele, die ihm schwur, daß seine Augen ihn getäuscht hätten, jener Edelmann könnte sich unmöglich in der Kirche befunden haben, sonst müßte sie selbst es gewußt haben! Dies war ihr bester Beweis, Henri fühlte sich sehr geneigt, ihn für bündig hinzunehmen, obwohl der Fehlschluß auf der Hand lag. Wer sagte ihm denn, daß sie es nicht wirklich gewußt hatte? Der ungewiß schwimmende Blick ihrer blauen Augen wahrhaftig nicht. Der sprach: Hüte dich! Dennoch ließ er sich versöhnen, gerade weil er sie nun einmal nicht allein besaß bis heutigen Tages und weiter um sie kämpfen wollte.

      Sie begab sich zurück nach Coeuvres, wo er sie besuchte, und wo Herr d’Estrées ihm eröffnete, daß die Ehre des Hauses durchaus nur leide unter dem Sachverhalt. Beide drückten sich als Männer aus. „Wie haben Sie Ihr Haus denn selbst genannt?“ fragte der König.

      „Eine Hurenklappe“, knurrte der Biedermann. „Gewöhnliche Edelleute hatten es mißbraucht. Fehlte nur ein König, und auch den haben wir jetzt.“

      „Gevatter, das einfachste wäre gewesen, Sie hätten Ihre Tochter nach Chartres begleitet. Erstens hätten Sie aufpassen können. Außerdem wären Sie jetzt dort Gouvèrneur. An Ihrer Stelle ist es Herr de Sourdis, aber den mag kein Mensch wegen seiner Häßlichkeit, und auch räuberisch ist er plötzlich geworden, aus einem Karpfen ein Hecht. Ich brauche biedere Männer, Gevatter.“

Скачать книгу