Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann страница 33
Als er während der Schlacht bei Ivry unter einem Birnbaum mit seinen Wunden lag, hatte er auch dort gesiegt und sogar einige reiche Gefangene gemacht, denn dieser Mensch gefiel dem Glück. Diesmal konnte er durch sein Verdienst, wozu das Glück nur beiträgt, dem König eine der besten Städte erwerben. Der gute Diener des Königs ist hier wahrhaftig seines Lohnes gewärtig. Indessen trifft er ein, wird umarmt, hält eine schöne Rede: das Tafelgerät aus vergoldetem Silber gehöre dem König; sein Diener nehme grundsätzlich von niemandem Geschenke an. Worauf der König ihm das Gerät beläßt und dreitausend Goldtaler noch dazu legt. Soweit gut. Als Rosny aber um die Großmeisterschaft der Artillerie bittet, umarmt der König ihn nochmals und ernennt ihn zum Gouverneur der Stadt Mantes. Rosny besinnt sich nicht. Mit kühner Stirn entgegnet er dem König, daß er undankbar ist. Hierauf der König, in seiner alten Bewitzelung der ernsten Dinge — Rosny hat niemals Sinn dafür gehabt: „Undankbar, das sagt man längst. Aber lassen Sie sich das neueste vom Hof erzählen.“
Nicht lange, so wußte Rosny alles. Er Schloß sich eine Stunde ein, dann ging er zu Madame de Liancourt. Sie begriff sogleich, daß er wegen der Großmeisterei kam, obwohl niemand ihm etwas anderes angesehen hätte als seine gewohnte Würde. Auf den Kleidern trug er viel Schmuck. „Madame, ich habe um die Ehre gebeten, Ihrem Erheben beizuwohnen. Der König bedient sich meiner, es wäre möglich, daß Sie mich einmal brauchen.“
Gabriele antwortete unbesonnen: „Danke. Der König bekommt meine Briefe, wenn er im Feld ist, durch Herrn de Varennes.“ Das war ein früherer Koch und trug jetzt Liebesbriefe aus. Rosny erbleichte; die obstähnlichen Farben seines Gesichtes vergingen deshalb nicht, nur matter wurden sie. Gabriele sah wohl etwas dergleichen, versäumte aber, sich sofort zu entschuldigen, und sooft sie dies später versuchte, es gelang niemals mehr. Hätte sie in diesem Augenblick ihre Tante de Sourdis bei sich gehabt, sie wäre beraten worden, vielleicht hätte sie noch vermeiden können, sich diesen Feind für das Leben zu machen. Statt dessen, kaum daß sie ihren Fehler bemerkte, verstockte die Ärmste sich, sie betrachtete Herrn de Rosny hochmütig, so daß ihr Mädchen aufhörte, ihr die Haare zu pflegen, und eine große Pause eintrat.
Zuletzt ließ Herr de Rosny das Knie auf einen Schemel nieder und zog der Dame den Pantoffel wieder an: in der Erregung hatte sie ihn vom Fuß geschleudert. Gabriele sah ungeduldig zu und dachte bei sich, daß er auch damit nicht Großmeister der Artillerie werden könne, das war Herr d’Estrées. Der Beleidigte gab nichts zu erkennen, er sprach ein Kompliment über ihren kleinen Fuß und nahm Abschied. Kaum war er nicht mehr zugegen, erschrak Gabriele bis in das Herz: sie hatte ihn nicht beglückwünscht, hatte der ruhmvollen Erwerbung der Stadt Rouen nicht einmal gedacht. Jetzt war er gewiß unterwegs zum König. „Lauf! Hol ihn zurück!“ befahl sie ihrem Mädchen. Vergebens, Rosny kam nicht. Er fragte sich, warum er diese schöne Frau aus tiefster Seele haßte. Noch fand er das Eigentliche nicht: ihre und seine Ähnlichkeit. Zwei Blonde aus dem Norden, helle Farben, kühle Verständigkeit. Dem König, einem Mann des Lachens und der Tränen, durch ihren Vorteil verbunden; aber langsam wächst beiden etwas zu, das über die Erfahrung ihres Wesens hinausgeht — ein Gefühl, nur der Mann aus dem Süden kann es sie derart lehren. Bald verlangt jeder mehr: nicht nur von der Gunst des Königs, auch von dem Vertrauen des Geliebten. Zwei Eifersüchtige, die beide denselben lieben, wollen einander schaden — und dies bis an das Ende.
Der König hatte sich schon nach Saint-Denis verfügt, woselbst er nachher seinen Glauben abschwören sollte. Davon wußte er noch immer nichts Gewisses und war im Herzen ungenau entschlossen, obwohl so viele Tatsachen feststanden, daß die letzte auch eingetreten wäre ohne Vorsatz. Indessen hielt er Konzile mit Geistlichen, horchte nach der Ständeversammlung drinnen in Paris, wartete nur lau auf Ereignisse, die abgelenkt hätten, wollte sich selbst hinhalten und mit seinem Gott vielleicht handeln. In seinen unruhigen Vorgefühlen war er begieriger als je nach der Gegenwart seiner schönen Liebe. Als er sie diesmal in einer anderen Stadt zurückgelassen hatte, fehlten ihm noch einige Erfahrungen, die er nächstens machen mußte: damit entschied sich allerdings, die beiden wären unzertrennlich. Der König wußte keinen besseren, ihm seine Geliebte sicher herzubringen, als seinen braven Rosny. Die Ergebenheit eines guten Dieners wird durch Enttäuschungen nicht erschüttert. Es ist unmöglich, daß er Gabriele nicht liebt, da er sein Heil in Henri setzt. So meinte Henri.
Rosny ordnete sogleich die Reise. Er mußte nicht erst bedenken, für wen er arbeitete und welchen Mittelpunkt die sorgfältige Veranstaltung bekommen sollte. Seine Feindin oder nicht, er war auf alle Fälle für einen abgemessenen Zug über Land und für ein feierliches Auftreten. Voran ritten er selbst und sein Gefolge, dann blieben hundert Schritte frei: dahinter gingen zwei Maultiere vor der Sänfte, worauf die Geliebte des Königs ruhte. Wieder Abstand. Nachher ein Wagen mit vier Pferden und den Frauen. Den Schluß machten, weit dort hinten, zwölf Tiere mit dem Gepäck. So war es feierlich und edel, mit ebensoviel ordnender Vernunft wie die anderen Unternehmungen des Barons. Hätte auch nichts geändert, wenn in der bedeutungsvollen Mitte die Königin Semiramis einhergefahren käme anstatt Gabriele d’Estrées. Leider sind nicht alle Wesen, wie Rosny, bloß sachlich und ihrer Verantwortung bewußt. Wo die Straße am schroffsten abfiel, stieg der Kutscher des vierspännigen Wagens vom Bock, anstatt wenigstens hier sein Bedürfnis zu bezähmen. Ein neckisches Maultier galoppierte trotz der Last, die es trug, bis zu den Kutschpferden, klingelte mit seinen Schellen und bewies, wie furchtbar es brüllen konnte — um nichts weniger als der Esel des Silen im Tal Bathos. Davon nahmen die vier Pferde Reißaus; schon sah man es kommen, daß die schwere Kutsche die leichte Sänfte überrannte, sie zerstückelte und in die Tiefe fegte, mit ihr das Kostbarste im Königreich. „Haltet auf! Haltet auf!“ riefen sie, aber niemand griff zu, infolge des allgemeinen Entsetzens. Die Deichsel indessen brach, der Wagen stand, die Pferde liefen allein weiter, und vorn wurden sie abgefangen von den Leuten des Herrn de Rosny.
Die Dame war einer so großen Gefahr entronnen, daß der Ritter nicht schnell genug zu ihr gelangen konnte. Der Schrecken verschlug ihm die Rede, nur Zeichen der Ergebenheit gab er von sich, und stieß heisere Freudenrufe aus, soweit er hierfür Stimme hatte. Die Dame schwoll zornig an, schon war sie stark gerötet. Niemand hatte sie bisher anders erblickt als in dem Schimmer der Lilien, diese überwogen bei weitem die Rosen. Der Ritter sah den Vorgang mit heimlichem Vergnügen, denn er gedachte mehrerer Geliebten des Königs, die dieser verlassen hatte, weil ihre Neigung, rote Flecken zu bekommen, ihm unerträglich wurde. Bei einer so jungen Person fehlten allenfalls zwanzig Jahre bis dahin; gleichviel. Rosny empfand Hoffnung und hätte einfach die Reise fortgesetzt. Dame d’Estrées dachte anders; jemand mußte ihren Zorn fühlen, und konnte nicht Rosny selbst es sein, dann sollte er doch mit eigener Hand den Kutscher durchprügeln für sein unzeitiges Bedürfnis. Das tat der große Diener des Königs, und etwas später lieferte er ihm die schöne Reisende ab, ganz in dem Schimmer der Lilien. „Alle waren bei dem Unfall vor Entsetzen grün“, erklärte er dem ungeduldigen Liebhaber. „Nur Madame de Liancourt bekam reizendere Farben als je. Sire! Daß Sie nicht dabei waren!“
Die arme Esther
Das Paar teilte augenscheinlich dieselbe Wohnung in der alten Abtei, worüber der Kanzelredner Boucher sich vor ganz Paris den Mund zerriß. Sein Erfolg war indessen nicht mehr auf der Höhe. Sein Publikum drückte sich nicht tot, die Fallsucht trat seltener auf: dies erstens wegen des Versagens der Ständeversammlung. Man sah endlich, daß die verschiedenen Bewerber um den Thron Frankreichs auf schwachen Füßen standen, einer wie der andere, aber vor dem Tor der Hauptstadt wartete der wahre König, brauchte nur abzuschwören und konnte alsbald einziehen. Auch bewies er seine Zuversicht, da er keinen Versuch mehr machte, gewaltsam einzudringen. Die Tore standen offen, die Bauern brachten ihre Vorräte, die Pariser wagten sich heraus. Sie waren satt gegessen, davon faßten sie Mut, bekamen auch die längst abgelegte Wißbegier zurück: wer immer nur mit knurrendem Magen denselben Boucher lügen hört, vergißt zuletzt wirklich, daß man hinsehen und erkennen sollte.
In Massen zogen sie nach Saint-Denis, drangen aber nur einzeln bis in die Nähe der alten Abtei; höchstens