Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада страница 16
Plötzlich hört er wieder die böse, gereizte Stimme hinter sich. Sie streitet jetzt mit einem andern Herrn, spricht sehr hoch und empört. Natürlich: ihre Nase ist ganz weiß, die schnupft Schnee, das Luder, kokst. Keinen Zweck, mit ihr anzubinden, die weiß schon nüchtern nicht, was sie will oder tut. Und jetzt erst recht –!
Er sucht sich wiederum einen andern Platz und fängt von neuem zu spielen an.
Diesmal geht alles gut. Er setzt vorsichtig, und holt wieder auf, was er bisher zugesetzt, ja, er kann schon sein ganzes Betriebskapital zurückziehen und mit dem Gewinn operieren. Neben ihm steht ein Jüngling mit flackernden Augen und fahrigen Bewegungen, der todsicher sein Jungfernspiel macht. Solche bringen Glück. Es gelingt ihm, dem Jüngling, ohne daß er es merkt, über den Rücken zu streichen, mit der linken Hand, der linken Hand – so etwas steigert die Gewinnaussichten! Daraufhin läßt er den Einsatz einmal länger stehen, als er sonst gewagt hätte. Er gewinnt wieder. Der Raubvogel schießt ihm einen kurzen, bösen Blick zu. Gut.
Er hat jetzt genug für morgen, für ein paar Tage länger noch (wenn der Dollar nicht gar zu sehr steigt), er könnte nach Haus gehen. Aber es ist noch ganz früh; er weiß, er würde nur Stunden wach im Bett liegen und über das Spiel nachdenken, er weiß, er würde von Reue gepackt sein, daß er diese Glückssträhne nicht ausgenützt hat …
Er steht ruhig da, seine gewonnenen Jetons in der Hand, hört auf die Kugel, die Rufe des Croupiers, das leise, kratzige Scharren der Harken auf diesem Spielsaal, aber vielleicht ist er ganz woanders. Das Klappern der Kugel erinnert an ein klapperndes Mühlrad. Ja, es ist einschläfernd; das Leben, wenn man es spürt, erinnert immer an Wasser, fließendes Wasser; panta rhei, alles fließt, hieß es auf der Penne, noch vor der Kadettenanstalt. Auch weggeflossen.
Er fühlt, daß er sehr müde ist, außerdem ist seine Mundhöhle ledrig vor Trockenheit. Eine Schweinerei, daß es hier nichts zu trinken gibt. Er müßte an den Wasserhahn auf der Toilette gehen. Aber dann weiß er nicht, wie das Spiel weitergeht. Rot – Schwarz – Schwarz – Rot – Rot – Rot – Schwarz … Natürlich, etwas anderes gibt es nicht: rotes Leben und schwarzer Tod. Etwas anderes wird nicht gereicht und erfunden, sie mögen erfinden, soviel sie wollen, Leben und Tod, darüber hinaus gibt es nichts …
Null!
Natürlich – Null hatte er vergessen, das gab es natürlich auch noch. Die Parispieler vergaßen immer Null, und plötzlich war ihr Geld fort. Aber wenn es Null gab, so war Null der Tod, und das war auch ganz richtig. Dann war Rot die Liebe, eine etwas übertriebene Sache, aber nun gut: angenehm, wenn man es hatte. Aber Schwarz – was war Schwarz dann? Nun, für Schwarz blieb noch das Leben, auch wieder übertrieben, aber nach der andern Seite hin. Nicht völlig schwarz, grau hätte auch gereicht. Oft ein lichtes, fast silbriges Grau. Gewiß, Peter ist ein gutes Mädchen.
Ich habe ja Fieber, dachte er plötzlich. Aber ich habe, glaube ich, jeden Abend Fieber. Ich müßte wirklich Wasser trinken. Jetzt gehe ich sofort.
Statt dessen schüttelte er die Spielmarken in der Hand, tat eilig die aus der Tasche dazu und setzte alles, grade als der Croupier rief: Nichts mehr! auf Null. Auf Null.
Das Herz blieb ihm stehen. ›Was tue ich da?‹ fragte er sich verwirrt. Das Gefühl der Trockenheit in seinem Munde verstärkte sich zum Unerträglichen. Die Augen brannten, über den Schläfen spannte pergamenten die Haut. Unfaßbar lange schnurrte die Kugel, ihm war, als sähen ihn alle an.
›Alle sehen mich an. Ich habe auf Null gesetzt. Alles, was wir haben, habe ich auf Null gesetzt – und Null bedeutet Tod. Morgen ist Trauung …‹
Die Kugel schnurrte noch immer; unmöglich war es, den Atem noch länger wartend anzuhalten. Er atmete tief auf – die Spannung ließ nach …
Sechsundzwanzig! rief der Croupier. Schwarz, ungleich, passe … Pagel stieß durch die Nase die Luft, beinahe erleichtert. Es war richtig gewesen: der Spielsaal hatte sein Geld behalten. Der Valutenvamp hatte ihn nicht umsonst verwirrt. Grade sagte das Mädel halblaut: Diese kleinen Nebbichs! Spielen wollen sie – in der Sandkiste sollten sie spielen! Der raubvogelhafte Croupier schoß einen scharfen, triumphierenden Blick auf ihn ab.
Einen Augenblick stand Wolfgang noch wartend. Das Gefühl der Befreiung aus quälender Spannung verging. ›Hätte ich noch eine Spielmarke‹, dachte er. ›Nun, es ist egal. Einmal wird der Tag kommen.‹
Die Kugel schnurrte schon wieder. Langsam ging er hinaus, an dem traurigen Wachtmeister vorüber, die dunkle Treppe hinab. Lange stand er in dem Hauseingang, bis ihn ein Schlepper hinausließ.
8
Was konnte er von allen diesen Dingen seinem kleinen, guten Peter erzählen? Fast nichts. Es ließ sich auf den Satz zusammendrängen: Erst habe ich gewonnen, dann habe ich Pech gehabt. Es war also nichts Besonderes zu berichten, in letzter Zeit hatte er dies öfter sagen müssen. Natürlich konnte sie sich darunter kaum etwas vorstellen. Sie dachte vielleicht, es sei etwas Ähnliches, wie wenn jemand beim Skat verliert oder bei der Lotterie mit einer Niete herauskommt. Von dem Auf und Ab, dem Glück und der Verzweiflung war ihr nichts begreiflich zu machen. Nur das Ergebnis war mitzuteilen: eine leere Tasche – und das war dürftig.
Sie aber wußte von allen diesen Dingen viel mehr, als er glaubte. Zu oft hatte sie sein Gesicht gesehen, nachts, wenn er heimkam, noch halb erhitzt. Und das erschöpfte Gesicht im Schlaf. Und das böse, bewegliche Gesicht, wenn er vom Spiel träumte. (Wußte er eigentlich gar nicht, daß er fast jede Nacht davon träumte, er, der sich und ihr einreden wollte, er sei kein Spieler –?) Und das ferne, dünne Gesicht, wenn er auf ihr Reden nicht hörte, gedankenlos ›Wie?‹ fragte und doch nicht hörte, das Gesicht, auf dem seine Vision einen so starken Ausdruck fand, daß man meinte, sie abheben zu können wie etwas, das Gestalt gewonnen hat. Und das Gesicht beim Haarekämmen vor dem Spiegel, wenn er plötzlich sah, was er für ein Gesicht hatte.
Nein, sie wußte genug; er brauchte nichts zu sagen, sich nicht mit Erklärungen und Entschuldigungen zu quälen.
Es ist ja ganz egal, Wolf, sagte sie rasch. Uns ist doch Geld immer egal gewesen.
Er sah sie nur an, dankbar, daß sie ihm diese Erklärung abgenommen. Natürlich, sagte er dann. Das hole ich schon wieder nach. Vielleicht heute abend schon.
Nur, sagte sie und war zum erstenmal beharrlich, daß wir heute um halb eins aufs Standesamt müssen.
Und ich, sagte er rasch, will deine Kleider zum Onkel bringen. – Kann der Standesbeamte dich nicht als eine Schwerkranke im Bett trauen?
Auch für Schwerkranke wirst du zahlen müssen! lachte sie. Du weißt doch, nicht einmal der Tod ist umsonst.
Aber vielleicht muß man bei Kranken erst nachher zahlen, sagte er, halb lachend, halb nachdenklich. Und wenn dann nichts da ist: getraut ist getraut.
Eine Weile schwiegen sie beide. Die verbrauchte, mit dem Steigen der Sonne immer überhitztere Luft stand fast greifbar im Zimmer, machte sich trocken auf der Haut bemerkbar. In der Stille hörte man den Lärm der Blechstanzerei lauter, dann plötzlich die plärrende, weinerliche Stimme der Frau Thumann, die vor der Tür mit einer Nachbarin ratschte. Die überfüllte Menschenwabe des Hauses summte, schrie, sang, klapperte, rief, weinte