Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада

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zum Offizierstreffen? Na, egal, jedenfalls bin ich froh, dich mal wiederzusehen. Aber komm doch, da drinnen sitzt man ganz gemütlich, wenn ich mich recht erinnere …

      Oberleutnant von Studmann sagte sehr leise und deutlich, aber etwas mühsam: Gerne, Prackwitz – sobald es meine Zeit erlaubt. Ich bin nämlich – äh – Empfangschef in diesem Laden. Ich will nur erst mal die Gäste vom Neun-Uhr-vierzig-Zug …

      Au verdammt! sagte der Rittmeister plötzlich ebenso leise und ganz verdüstert. Die Inflation, was –? Diese Gauner! Na, ich kann auch ein Lied singen!

      Von Studmann nickte trübe, als sei ihm selbst das Liedsingen schon längst vergangen. Angesichts des langen, glatten, energischen Gesichts wollte Prackwitz sich eines gewissen Abends erinnern, da man das E. K. Erster dieses selben Studmann gefeiert hatte – es war Anfang fünfzehn gewesen, tatsächlich das erste E. K. Erster, das an das Regiment gefallen war … Er wollte sich an das lachende, frohe, übermütige, allerdings rund acht Jahre jüngere Gesicht dieses selben Studmann erinnern, aber da sagte der grade: Jawohl, Portier, sofort … Er wendete sich mit einer bedauernden, vertröstenden Bewegung an von Prackwitz und ging dann auf eine ziemlich umfangreiche Dame im staubgrauen Seidenmantel zu: Bitte sehr, gnädige Frau –?

      Einen Augenblick sah der Rittmeister zu, wie der Freund dort stand, leicht vorgeneigt, und mit ernstem, doch freundlichem Gesicht den heftig vorgebrachten Wünschen oder Beschwerden der Dame lauschte. Dabei stieg ein Gefühl tiefer Trauer in ihm auf, gestaltloser, alles durchdringender Trauer: ›Zu nichts Besserem gut?‹ fragte es in ihm. Etwas wie Scham überkam ihn, als habe er den Kameraden bei etwas Entwürdigendem, Entehrendem beobachtet. Er wandte sich rasch ab und trat in das Café.

      Im Hotel-Café war die frühe, vormittägliche Stille, die dort immer herrscht, wenn nur erst die Hausgäste da sind, das Straßenpublikum noch nicht seinen Einzug gehalten hat. Wenige Gäste saßen paarweise oder einzeln an weit voneinander gelegenen Tischen. Eine Zeitung raschelte, ein Paar sprach halblaut, die Kaffeekännchen aus Neusilber glänzten matt, ein Löffel klirrte an einer Tasse. Die wenig beschäftigten Kellner standen still an ihren Plätzen; einer zählte behutsam Bestecke, wobei er jeden unnötigen Lärm vermied.

      Der Rittmeister hatte rasch einen zusagenden Platz gefunden. Der sofort auf die Bestellung folgende Kaffee war so gut, daß er sich vornahm, Studmann ein paar anerkennende Worte zu sagen.

      Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder: ›Das könnte ihn ja beschämen‹, dachte er. ›Oberleutnant von Studmann und ein wirklich frisch gebrühter Hotelkaffee!‹

      Der Rittmeister versuchte zu ergründen, warum ihn denn schon wieder dieses Gefühl der Beschämung überkam, als tue Studmann etwas Verbotenes, ja, Unanständiges.

      ›Es ist doch Arbeit wie jede andere‹, dachte er verwundert. ›So beschränkt sind wir doch alle nicht mehr, daß wir eine Arbeit geringer achten als die andere. Schließlich sitze ich ja auch nur von Schwiegervaters Gnaden auf Neulohe und kratze ihm seine Pacht zusammen – mit vielen Sorgen. Woran liegt es also –?‹

      Plötzlich überkam es ihn, daß es vielleicht daran liegen mochte, daß Studmann diese Arbeit nur gezwungen tat. Ein Mann muß arbeiten, gewiß, wenn er vor sich ein Recht haben will, zu sein. Aber es gibt einen freien Willen in der Wahl der Arbeit; verhaßte Arbeit, nur um des Geldes willen, schändet. – ›Er würde sich ja nie diese Arbeit gewählt haben‹, dachte er. ›Es gab keine Wahl für ihn.‹

      Und ein Gefühl hilflosen Hasses überfiel den Rittmeister Joachim von Prackwitz. Irgendwo in dieser Stadt stand eine Maschine – natürlich eine Maschine, Menschen würden sich nie zu so etwas mißbrauchen lassen! – und erbrach Tag und Nacht Papier über die Stadt, das Volk. ›Geld‹ nannten sie es, sie druckten Zahlen darauf, wunderbare, glatte Zahlen mit vielen Nullen, die immer runder wurden. Und wenn du gearbeitet hast, wenn du dich geschunden hast, wenn du dir etwas erspart hast auf deine alten Tage – es ist schon alles wertlos geworden, Papier, Papier – Dreck!

      Und um dieses Drecks willen stand Kamerad Studmann in der Hotelhalle und machte Dienerchen. Gut, sollte er dort stehen, sollte er Dienerchen machen – aber nicht wegen Dreck. Schmerzhaft deutlich sah der Rittmeister wieder das freundlich-ernste Gesicht des Freundes, wie er es eben gesehen.

      Plötzlich wurde es dunkel, langsam dann heller. Eine kleine Rüböllaterne baumelte von dem rohen, nicht zugehauenen Deckbalken. Sie warf ihren warmen, rötlichen Schein direkt in das Studmannsche Gesicht – und dieses Gesicht lachte, lachte! Die Augen funkelten vor Freude, hundert Fältchen sprangen und zuckten in ihren Winkeln.

      ›Auch das wiedergeschenkte Leben ist in diesem Lachen‹, sprach eine Stimme im Rittmeister.

      Es war nichts, nur eine Erinnerung an eine Nacht in einem Unterstand – wo war es gewesen –? Irgendwo in der Ukraine. Es war ein reiches Land, Kürbisse und Melonen wuchsen zu Hunderten auf den Feldern. Sie hatten sich von dem Überfluß in den Unterstand geholt, auf Wandbretter gelegt. Sie schliefen, eine Ratte (es gab Tausende von Ratten), eine Ratte stieß einen Kürbis vom Brett. Er fiel einem Schläfer auf den Kopf, in das schlafende Gesicht. Der Schläfer schrie gräßlich auf, der weiterrollende Kürbis tat Schlag um Schlag. Sie lagen, alle erwacht, atemlos, flach in ihre Decken gedrückt, in Erwartung der Sprengstücke des Einschlages. Sekunden der Todesangst – das Leben verrauscht, jetzt lebe ich noch, ich will etwas denken, was sich lohnt, die Frau, das Kind, das Mädchen Weio, ich habe noch hundertfünfzig Mark in der Tasche, besser hätte ich meine Weinrechnung bezahlt, die sind nun auch futsch …

      Und nun das Lachen von Studmann: Kürbis! Kürbis!

      Sie lachen, lachen. ›Auch das wiedergeschenkte Leben ist in diesem Lachen.‹ Der kleine Geyer wischt sich die blutende Nase und lacht auch. Richtig, Geyer hieß er. Er fiel wenig später, Kürbisse waren im Kriege Ausnahmen.

      Aber das war es gewesen: echte Furcht und echte Gefahr und echter Mut! Zittern – aber dann aufspringen, entdecken, daß es nur ein Kürbis war, und wieder lachen! Über sich, über die Furcht, über dies närrische Leben – weitergehen, die Straße hinunter, auf den nicht existenten Punkt zu. Aber von etwas bedroht zu werden, das Papier kotzte, von etwas gezwungen zu werden, das die Welt um Nullen bereicherte – das war schändlich! Es schmerzte den Mann, der es tat; es schmerzte den Mann, der es den andern tun sah.

      Prackwitz sieht aufmerksam den Freund an. Von Studmann ist schon vor einer Weile eingetreten und hört dem Kellner zu, der vor einer Weile so achtsam die Bestecke zählte und der jetzt aufgeregt irgend etwas vorbringt. Sicher eine Beschwerde über irgendeinen Kollegen. Prackwitz kennt aus eigener Erfahrung dieses zänkische, hitzige Reden. (Mit seinen Beamten auf Neulohe ist es ihm nicht anders ergangen. Ewige Zänkerei, ewiger Klatsch. Am liebsten würde er ja weiter mit nur einem Beamten wirtschaften, damit ihm wenigstens dieser Ärger erspart bleibt. Aber er muß wirklich sehen, daß er noch jemanden kriegt. Die Diebstähle nehmen überhand, Meier schafft es nicht, und Kniebusch ist alt und verbraucht. Nun, das nächste Mal. Dieses Mal ist keine Zeit mehr, um zwölf muß er auf dem Schlesischen Bahnhof sein.)

      Der Kellner redet noch immer, redet sich in Brand und Flammen. Von Studmann hört ihm zu, freundlich, aufmerksam, ab und an sagt er ein spärliches Wort, nickt auch mal, schüttelt mit dem Kopfe. ›Es ist kein Leben mehr in ihm‹, entscheidet der Rittmeister. ›Ausgebrannt. Erloschen. – Aber‹, denkt er mit plötzlichem Erschrecken, ›vielleicht bin auch ich ausgebrannt und erloschen – merke es bloß nicht?‹

      Dann plötzlich – ganz überraschend – sagt Studmann einen einzigen Satz. Der Kellner, völlig aus dem Konzept gebracht, bricht jäh ab. Studmann nickt ihm noch einmal zu und geht an den Tisch des Freundes.

      So, sagt er und setzt sich – und sofort

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