Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада страница 44
Wie –? fragt sie mit Anstrengung, und mußte es noch einmal fragen, denn beim erstenmal gab es in dem dürren, vertrockneten Mund nur ein kleines, unverständliches Geräusch.
Mancher ist in der Zeit, da sie hier stand, an ihr vorbeigegangen. Sah er wirklich die Gestalt im Torgang, beschattet vom offenstehenden Torflügel, ging er nur schneller. Es ist arme Gegend und blutarme Elendszeit, überall, zu jeder Tagesstunde stehen die Elendsgestalten von Frauen, Mädchen, Witwen, Hunger und Elend in den Gesichtern, die unmöglichsten Fetzen auf den Leib gezogen, der – allerletzte Rettung – noch einen Käufer finden soll. Die um ihre Rente gebrachten Kriegswitwen, die Arbeiterfrauen, denen der Wochenlohn auch des nüchternsten, des fleißigsten Mannes mit jeder Dollarentwertung aus der Hand gelistet wird, Mädchen, fast noch Kinder, die das Elend der kindlichen Geschwister nicht mehr ansehen können – jeden Tag, jede Stunde, jede Minute schlagen sie die Tür ihrer Höhlen, in denen Hunger ihr Geselle, Sorge ihr Bettgenosse war – schlagen sie die Tür endgültig hinter sich zu und sprechen: ›Jetzt tue ich es! Für was denn aufbewahren? Für ein noch größeres Elend? Für die nächste Grippe? Für Armenarzt und Armensarg? Alles flieht, eilt, hastet, verändert sich – und ich soll mich bewahren?!‹
Da stehen sie, in jedem Winkel, zu jeder Zeit, frech oder verängstigt, geschwätzig oder wortlos, bittend, bettelnd: Ach, nur eine Tasse Kaffee und eine Schrippe …
Es ist arme Gegend, Georgenkirchstraße. Der Kassierer der Gasgesellschaft, der Zwischenmeister der Konfektion, der Briefträger – sie gingen nur ein wenig schneller, als sie das Mädchen sahen. Sie verzogen nicht das Gesicht, kein freches Wort, kein Scherz, kein Gedanke an Mätzchen. Nur schnell weiter und vorbei, damit nicht ein Wort, ein Flehen, ein doch zu Herzen gehendes Flehen jenes Herz zu einem Geschenk verführt, das nicht gegeben werden darf. Denn auf jeden wartet zu Haus die gleiche Sorge, jedem im Nacken hockt der böse Gnom – wer weiß, wann meine Frau, meine Tochter, mein Mädchen so stehen wird, im Schatten des Torflügels den ersten Tag, bald aber auf heller Straße! Nichts gesehen haben und vorbei, kein Murmeln erreicht unsere Ohren. Allein bist du, allein bin ich, allein sterben wir alle – rette sich, wer kann!
Aber nun ist eben einer vor Petra stehengeblieben, ein älterer Herr mit Melone, gelblichem Eulengesicht und gelblichen Eulenaugen.
Wie –? hat sie schließlich ganz deutlich gefragt.
Na, Fräulein! Er schüttelt ein bißchen mißbilligend den Kopf. Ob hier Pagels wohnen?
Pagels –? Er will also nicht so etwas, er fragt nach Pagels. Pagels, mehrere Pagels, mindestens zwei. Sie möchte verstehen, wer das ist, was er will, vielleicht ist es für Wolfgang wichtig … Ja –? Sie versucht sich zusammenzunehmen, dieser Herr will etwas von ihnen. Er darf nicht erfahren, daß sie zu Wolfgang gehört, sie, die so im Torweg steht. Pagels –? fragt sie noch einmal, um Zeit zu gewinnen.
Ja, Pagels! Na, Sie wissen es wohl nicht! Bißchen getrunken, was? Er zwinkert mit den Augen, er scheint ein ganz gutmütiger Mann zu sein. Müssen Sie nicht tun, Fräulein, am Tage. Abends meinethalben. Aber am Tage ist es ungesund.
Doch, Pagels wohnen hier, sagt sie. Aber sie sind nicht da. Sind beide weggegangen. (Denn er darf nicht hinauf zur Thumann – was würde er da alles zu hören bekommen, es könnte Wolfgang schaden!)
So? Beide weggegangen? Wohl zur Trauung, wie? Dann müssen sie aber zu spät gekommen sein. Das Standesamt ist schon dicht gemacht.
Auch das weiß er! Wer kann es bloß sein? Wolfgang hat immer gesagt, er hat keine Bekannten mehr.
Wann sind sie denn weggegangen? fragt der Herr wieder.
Vor einer halben Stunde. Nein, schon vor einer Stunde! sagt sie hastig. Und sie haben mir gesagt, sie kommen heute nicht wieder.
(Er darf nicht zur Thumann hinauf! Nur nicht!)
So, haben sie Ihnen das gesagt, Fräulein? fragt der Herr, plötzlich mißtrauisch. Sie sind wohl befreundet mit Pagels?
Nein! Nein! protestiert sie hastig. Sie kennen mich nur vom Sehen. Es ist nur, weil ich hier immer stehe, daß sie es mir gesagt haben.
So … sagt der Herr nachdenklich. Na, dann danke ich auch schön. Und er geht langsam durch den Torweg auf den ersten Hof.
Ach bitte! ruft sie mit schwacher Stimme, geht sogar einige Schritte hinter ihm her.
Was denn noch? fragt er, dreht sich um, geht aber nicht wieder zurück. (Er will durchaus hinauf!)
Bitte! sagte sie flehentlich. Das da oben sind so schlechte Leute! Glauben Sie nicht, was Ihnen die von Herrn Pagel sagen. Herr Pagel ist ein sehr feiner, ein sehr anständiger Mann – ich, ich habe nie etwas mit ihm zu tun gehabt, ich kenne ihn wirklich nur vom Sehen …
Der Mann steht mitten im grellen Sonnenschein auf dem Hof. Er sieht scharf zurück auf Petra, aber er kann sie sicher nicht genau erkennen, wie sie dasteht im dämmrigen Torweg, eine leichte, schwache Gestalt, den Kopf ein wenig vorgebeugt, die Lippen halb geöffnet, gespannt nach der Wirkung ihrer Worte ausschauend, die Hände flehentlich auf die Brust gelegt.
Er reibt den gelbgrauen Bart nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger; nach einem langen Überlegen sagt er: Keine Angst, Fräulein. Ich glaube auch nicht alles, was mir die Leute erzählen.
Es klingt nicht bissig, vielleicht ist es gar nicht auf sie gemünzt, es klingt sogar freundlich.
Ich kenne den jungen Herrn ganz gut. Ich habe ihn gekannt, als er noch so klein war …
Und er zeigt einen unwahrscheinlich winzigen Abstand von der Erde. Damit aber ist es genug – er nickt Petra noch einmal zu und verschwindet endgültig im Durchgang zum zweiten Hof.
Petra aber gleitet zurück in ihren Schutzwinkel hinter dem Torflügel. Sie weiß jetzt natürlich schon, sie hat alles falsch gemacht, sie hätte diesem alten Herrn, der Wolfgang schon als Kind gekannt hat, gar keine Auskunft geben müssen, nein, sie hätte sagen müssen: Ich weiß nicht, ob hier Pagels wohnen …
Aber sie ist zu müde, zu zerschlagen, zu krank, um darüber weiter nachzudenken. Sie will hier nur stehenbleiben und warten, bis er wieder zurückkommt. Dann wird sie ihm die erhaltene Auskunft vom Gesicht ablesen. Sie wird ihm sagen, was für ein wundervoller Mensch Wolfgang ist, der nie etwas Böses tut, nie jemandem Übles zufügt … Und während sie den Kopf an die kühle Wand legt, die Augen schließt und diesmal fast unwillig die Schwärze kommen spürt, die Fernsein von ihrem Ich und ihren Sorgen bedeutet – währenddem versucht sie, den alten Herrn auf seinem Weg über den Hinterhof zu begleiten. Dann treppauf bis zur Tür der Frau Thumann. Sie meint, ihn klingeln zu hören, und nun möchte sie über sein Gespräch mit Frau Thumann nachdenken … Sie wird reden, die Frau, ach, sie wird reden, alles auskramen, sie beide mit Dreck bewerfen, über das verlorene Geld jammern …
Doch plötzlich taucht ihrer beider Zimmer auf, diese häßliche Höhle ist übergoldet vom Schein ihrer Liebe … Ferner und ferner verklingt die Stimme der Pottmadamm, hier haben sie beide gelacht, geschlafen, gesprochen, gelesen … Er stand zähneputzend am Waschtisch, sie sagte etwas …
Jetzt verstehe ich nichts! schrie er. Red lauter!
Sie tat es.
Er putzte. Lauter! – Verstehe kein