Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада страница 41
Sehr ungnädig kommt es von oben: Ich habe Ihnen schon dreimal gesagt, Sie sollen nicht so schreien. Mama schläft! Und ungeduldig: Kommen Sie noch mal rauf!
Meier klettert wieder die Leiter hoch, den Bauch voller Wut: ›Jawohl, als dein Laubfrosch die Leiter rauf und runter, wie du das Wetter machst. Na, warte mal, habe ich dich erst, dich lasse ich bestimmt sitzen, mit Kind, ohne einen Pfennig …‹
Und doch wieder in strammer Haltung: Bitte, gnädiges Fräulein …?
Sie denkt jetzt nicht mehr daran, ihm ihren Leib vorzuführen, sie überlegt, aber sie hat die Sache schon bei sich entschieden. Sie ist nur noch unsicher, wie sie es ihm sagen soll. Schließlich erklärt sie möglichst harmlos: Sie müssen mir einen Brief besorgen, Herr Meier.
Jawohl, gnädiges Fräulein.
Plötzlich hat sie ihn in den Händen, rätselhaft woher, einen länglichen Umschlag aus bläulichem Papier; so weit man von Meiers Standpunkt aus erkennen kann, ohne jede Aufschrift …
Sie gehen heute abend noch ins Dorf –?
Er ist völlig überrascht und ganz unsicher. Sagt sie das nur so oder weiß sie was? Aber das ist doch unmöglich!
Ich weiß nicht, vielleicht. Wenn Sie es wünschen, gnädiges Fräulein, jedenfalls!
Sie werden nach dem Brief von einem Herrn gefragt werden. Händigen Sie ihn dann aus.
Welcher Herr? Ich versteh nicht …
Sie wird plötzlich ärgerlich, gereizt. Sie brauchen auch gar nichts zu verstehen. Sie sollen einfach tun, was ich Ihnen sage. Ein Herr wird nach dem Brief fragen und dem geben Sie ihn. Das ist doch ganz einfach!
Jawohl, gnädiges Fräulein, sagt er. Es klingt aber etwas schwach, er ist zu sehr in Gedanken.
Also, sagt sie. Das wäre dann alles, Herr Meier.
Er bekommt den Brief in die Hand. Er will es noch nicht glauben, aber nun hat er den Brief in der Hand, diese Waffe gegen sie!
›Warte, mein Schäfchen! Kommst du mir noch einmal dumm!‹
Er reißt sich zusammen: Wird alles bestens erledigt, gnädiges Fräulein!
Und er steigt die Leiter hinunter.
Das wollte ich auch meinen! klingt ihm von oben ihre Stimme ziemlich herausfordernd nach. Sonst erzähle ich Großpapa und Papa, wer den Wald angekokelt hat!
Die Stimme verstummt. Meier ist mitten auf der Leiter halten geblieben, um nur ja kein Wort zu verlieren.
›So! Also! Da hab ich es! So ist das! Angekokelt sagt sie. Genau ins Herz getroffen. Bravo! Für fünfzehn Jahre vorzüglich. Du kannst was werden! Nee, du kannst so bleiben!‹
Und der Herr Leutnant versteht auch schlecht Spaß, sagt die Stimme noch – und nun hört er, wie sie sich oben mit ihrem fetten, faulen Fleisch auf die Seite wälzt. Der Liegestuhl ächzt. Fräulein Violet von Prackwitz gähnt behaglich dort oben, und Herr Feldinspektor Meier darf unten an seine Arbeit gehen – stimmt, geht in Ordnung, der Kram.
Aber Meier, der kleine Meier, Negermeier geht noch nicht an seine Arbeit. Ganz langsam, tief in Sinnen, trottet er den Weg zu seiner Bude. Den Brief hat er in der Außentasche seiner schilfleinenen Joppe, und über seine glatte Fläche hat er die Hand gelegt, damit er ihn auch immer fühlt. Er muß fühlen, daß er den Brief wirklich hat, daß er da ist. Diesen Brief, den er gleich lesen wird. Sie hat wenig genug gesagt, dieses kleine, durchtriebene Luder, aber für ihn hat sie genug gesagt. Längst genug! Sie kennt also den Leutnant, diesen rätselhaften, etwas abgerissenen, doch recht schneidig auftretenden Herrn, der nächtliche Versammlungen beim Schulzen einberuft, und vor dem Förster Kniebusch strammsteht. Und sie hat diesen Herrn Leutnant heute zwischen zwölf und drei getroffen, sonst könnte sie von dem Brand nichts wissen.
Wenn aber dieser Herr Leutnant Herrn Feldinspektor Meier so kameradschaftlich zunickte, so nicht darum, weil er den Negermeier für so viel tüchtiger hielt als den alten Knochenfraß Kniebusch, sondern weil er bereits wußte: Meier war zum heimlichen Briefträger ausersehen! Wußte schon recht gut Bescheid, der Herr Leutnant, auf Neulohe! Längeres, heimliches Einverständnis.
›Ihr seid schon reichlich weit gekommen, ihr zwei beide! Ich kann mir alles denken. Und wenn ich erst den Brief gelesen habe – dumm bist du ja doch, du hochmütige, alberne Gans! Denkst, ich geh den Brief weiter und seh mir nicht an, was drinsteht! Ich will Bescheid wissen, und dann werde ich schon sehen, was ich da tue. Vielleicht dem Rittmeister alles erzählen – was ist dagegen so ein bissel Waldbrand? Damit habt ihr mich noch lange nicht an der Strippe. Aber ich denke, ich werde dem Rittmeister gar nichts sagen. Denn du bist ja auch noch so dumm, daß du nicht einmal merkst, daß so ein Kerl wie der Leutnant dich natürlich sitzenläßt. Da braucht man ihn ja nur einmal anzusehen, um das zu wissen. Aber dann bin ich da – nee, mein Kindchen, mir macht es nichts. An so was stoße ich mich nicht. Junge Pferde einfahren macht wenig Spaß und viel Mühe – besser schon, sie kennen jeden Schritt und Gang! Aber dann sollst du mir bezahlen, für jedes freche, hochmütige Wort, für jedes Jawohl, gnädiges Fräulein – und für diesen Brief vor allem! – Wie macht man solchen Brief überhaupt auf? Ich hab gehört, mit Wasserdampf – aber wo krieg ich in der Eile Wasserdampf auf meiner Bude her? Ach was, ich versuch es einfach mit einem Messer, die Klappe loszumachen, und geht der Umschlag kaputt, nehme ich einen von meinen eigenen. Gelb oder blau – danach wird er wohl kaum sehen …‹ Er ist angelangt auf dem Büro. Ohne auch nur die Mütze abzunehmen, sinkt er in den Schreibtischstuhl. Er legt den Brief vor sich auf den verbrauchten, tintenfleckigen grünen Filz. Starrt ihn an. Er ist schweißnaß, seine Glieder hängen von ihm, dabei ist sein Mund trocken. Er ist völlig erschöpft. Er hört die Hühner auf dem Hof glucksen, die Schweizer klappern im Kuhstall mit Eimern und Milchkannen. (›Wollte ich mir auch ausgebeten haben – höchste Zeit zum Melken!‹)
Der Brief liegt vor ihm. Die Fliegen surren und burren eintönig, es ist unerträglich schwül. Er will einen Blick auf das Barometer an der Wand tun (›Vielleicht kommt doch ein Gewitter?‹), aber er sieht nicht hoch: ›Es ist ja ganz egal!‹
Der Brief, das bläulich-weiße, reine Rechteck auf dem fleckigen grünen Filz! Ihr Brief!
Lässig, halb spielend greift er nach dem Papiermesser, zieht den Brief näher und legt beides wieder hin. Er wischt sich erst an der Joppe die schweißnassen Hände trocken. Dann nimmt er das Papiermesser und langsam, genußreich führt er die stumpfe Spitze in die kleine Öffnung oben zwischen Deckelklappe und Umschlag ein. Seine Augen sind starr, um seine dicken Lippen spielt ein leichtes, befriedigtes Lächeln. Jawohl, er öffnet den Brief. Achtsam schiebend, hebend, stoßend, drückend löste er die nachlässig festgeklebte Klappe. Nun sieht er schon eine Ecke vom Brief, da sind Fäserchen, die sich nicht fügen wollen, wie Härchen – aber zugleich sieht er sie, sieht er Weio, wie er sie eben gesehen hat, auf dem Liegestuhl … Sie streckt ihren Leib, ihr weißes, volles Fleisch zittert ein wenig … sie wirft die Arme hoch und in den Achselhöhlen schimmert es hell, kräuselt sich …
Oh! stöhnt Negermeier. Oh! Er hat die ganze Zeit auf den Brief gestarrt, er hat ihn dabei geöffnet – aber er war fort unterdes, fünfhundert Meter von hier, auf dem flachen, sonnenschwitzenden Pappdach – Fleisch bei Fleisch, Haut bei Haut, Haar bei Haar –: O du! Du!
Die Welle wird flacher. Noch einmal in den Farben schönen, lebendigen