Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада страница 37
Solche Küche hatte er noch nicht gesehen. Groß wie ein Tanzsaal, weiß, silbern, kupferrot, das matte, körnige Schwarz der Elektrotöpfe – und mitten durch sie lief ein Geländer, hüfthoch, aus weißem Holz, eine Art Podium begrenzend, und trennte den Arbeits- von dem Aufenthaltsraum. Zwei Stufen gab es; unten waren Herd, Küchentisch, Töpfe, Schränke. Oben aber, wo Pagel saß, stand ein langer Eßtisch, schneeweiß, bequeme weiße Stühle. Ja, sogar ein Kamin war hier, aus schönen, rotgebrannten Steinen mit sauberen weißen Fugen.
Oben saß Wolfgang, unten wirtschaftete am Herd das fremde Mädchen.
Er sah gleichmütig, stumpf durch die hohen, hellen Scheiben, vor denen Weinlaub hing, in den sonnenglänzenden Garten – freilich waren Gitter vor den Scheiben. ›Und‹, mußte er zerfahren denken, ›wie man das Verbrechen hinter Gittern verwahrt, so flüchtet sich auch der Reichtum hinter Gitter, fühlt sich dort erst sicher – hinter den Gittern der Banken, den Stahlwänden der Safes, den schmiedeeisernen Zieraten, die doch auch Gitter sind, den stählernen Rolljalousien und Alarmvorrichtungen seiner Villen. Seltsame Ähnlichkeit – nicht so seltsam eigentlich, aber ich bin so müde …‹
Er gähnte. Grade sah das Mädchen vom Herd zu ihm hin. Er nickte, leise lächelnd, nicht ohne betonten Ernst. Also noch ein Mädchen mehr, auch nicht unsympathisch – ach, Mädchen genug, und überall Nicken, Mitgefühl! –›Aber was in aller Welt soll ich tun?! Ich kann doch nicht hier so sitzen … Worauf warte ich eigentlich? Doch nicht auf diese Liesbeth, was soll die mir sagen?! Bete und arbeite, Morgenstunde hat Gold im Munde, Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel, Arbeit ist des Bürgers Zierde, Arbeit macht das Leben süß. Aber Arbeit schändet auch nicht, und jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, darum soll er auch ein Arbeiter im Weinberg sein, arbeiten und nicht verzweifeln …‹
›Ach‹, dachte Wolfgang wieder und lächelte sehr schwach, fast als sei er ein wenig angeekelt, ›was haben sich die Menschen doch alles für Sprüche zurechtgemacht, bloß um sich einzureden, daß sie arbeiten müssen und daß Arbeit etwas Gutes ist. Am liebsten säßen sie doch alle hier wie ich, nichts tuend, und warteten auf irgend etwas, ich weiß ja selbst nicht was. Nur abends am Spieltisch weiß ich es, wenn die Kugel schnurrt und klappert und gleich ins Loch fallen wird – da weiß ich, auf was ich warte. Aber wenn sie dann in das Loch gefallen ist, ob nun in das erwünschte oder ein anderes, gleichviel – dann weiß ich es schon wieder nicht mehr.‹
Er starrt vor sich hin, er hat keinen schlechten Kopf, nein, es regen sich Gedanken darin. Aber er ist verlottert und faul, er mag nichts zu Ende denken. Warum auch –? So bin ich und so bleibe ich. Wolfgang Pagel for ever! Er hat ganz sinnlos ihr letztes Hab und Gut verkauft, bloß um Zecke zu besuchen, Geld zu borgen. Aber bei Zecke angelangt hat er ebenso sinnlos, nur um eines boshaften Wortes willen, alle Aussichten auf Geld zerstört. Und wiederum sinnlos ist er mit dem ersten Menschen, der ihm dann über den Weg lief, mitgegangen und sitzt nun da – im trüben, seichten, toten Wasser, das willenlose Blatt, Inbegriff aller willenlosen Blätter. Schlapp, nicht ohne Gaben, nicht einmal ohne Güte, auch nicht lieblos – aber wirklich so, wie es die alte Minna gesagt hat: jetzt müßte nun wieder ein Kindermädchen kommen, ihn bei der Hand nehmen und ihm sagen, was er zu tun hat. Wirklich weiter nichts als ein Fahnenjunker a. D. seit nunmehr etwa fünf Jahren.
Die Kunde seines Hierseins ist wohl durch Liesbeth im Haus verbreitet. Jetzt kommt eine dickliche Frau herein, keine Dame, eine Frau. Sie wirft einen raschen, fast verlegenen Blick auf Wolf und sagt dann laut am Küchenherd: Der Herr hat eben angerufen. Wir essen pünktlich um halb vier.
Gut! sagt das Mädchen am Herd, und die Frau geht wieder, nicht ohne einen zweiten prüfenden Blick auf Wolfgang geworfen zu haben.
›Alberne Gafferei! Ich haue gleich ab!‹
Von neuem geht die Tür. Ein Diener in Livree kommt herein, der Diener. Er braucht nicht wie die dicke Frau irgendeinen Vorwand, er geht quer durch die Küche, steigt die beiden Stufen hinauf und tritt zu Wolfgang an den Tisch. Der Diener ist schon ein älterer Mann, aber mit einem frischfarbigen, freundlichen Gesicht.
Er reicht Wolfgang die Hand, ohne jede Verlegenheit, und sagt: Ich heiße Hoffmann.
Pagel, sagt Wolfgang, nach kurzem Zögern.
Es ist sehr schwül heute, sagt der Diener freundlich, mit einer leisen, aber sehr deutlichen, geschulten Stimme. Darf ich Ihnen vielleicht etwas Kühles bringen – eine Flasche Bier?
Wolfgang überlegt einen Augenblick, dann: Wenn ich um ein Glas Wasser bitten dürfte?
Bier macht schlaff, sagt der andere beistimmend. Und holt ein Glas Wasser. Das Glas steht auf einem Teller, und in dem Wasser schwimmt sogar Eis, alles, wie es sich gehört.
Ja, das tut gut, sagt Wolfgang, gierig trinkend.
Lassen Sie sich Zeit, sagt der andere, immer mit dem gleichen freundlichen Ernst. Sie trinken uns das Wasser nicht alle. –
Auch nicht das Eis, setzt er nach einer Pause hinzu, und in seinen Augenwinkeln entstehen Fältchen. Er holt aber noch ein zweites Glas.
Danke sehr, sagt Wolfgang.
Fräulein Liesbeth hat im Augenblick zu tun, sagt der Diener. Aber sie kommt bald.
Ja, sagt Wolfgang langsam. Und, indem er sich einen Ruck gibt: Ich gehe jetzt lieber, ich bin wieder ganz frisch.
Fräulein Liesbeth, sagt der andere freundlich, ist ein sehr gutes Mädchen, sehr gut und sehr tüchtig.
Sicher, stimmt Wolfgang höflich zu. Nur der Gedanke an sein Geld in der Kleidertasche dieses Fräulein Liesbeth hält ihn noch hier. Diese paar eben noch so verachteten Scheine brächten ihn rasch zum Alexanderplatz. Es gibt viele gute Mädchen, sagt er beistimmend.
Nein, sagt der andere entschieden. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen widerspreche: die Art gute Mädchen, die ich meine, ist selten.
Ja? fragt Wolfgang.
Ja, sagt der andere. Man muß das Gute nämlich nicht grade mal tun, weil es einem Spaß macht, sondern immer, weil man das Gute liebt. Er sieht Wolfgang noch einmal an, nicht mehr ganz so freundlich wie bisher. (›Putzige Kruke‹, denkt Wolfgang.) Der Diener sagt abschließend: Also es dauert nicht mehr lange.
Er geht wieder aus der Küche, ebenso sachte, ebenso besonnen wie vorher. Wolfgang hat das Gefühl, dieser Diener nimmt keinen guten Eindruck von ihm mit, obwohl er kaum etwas gesagt hat.
Jetzt muß er etwas rücken: das Mädchen vom Herd kommt mit einem Tischtuch, dann mit einem Tablett und fängt an, den Tisch zu decken. Bleiben Sie ruhig sitzen, sagt sie. Sie stören nicht.
Auch sie hat eine angenehme Stimme, die Leute in diesem Haus haben eine gute Art zu sprechen, es fällt Wolfgang auf. Sie sprechen sehr rein, sehr deutlich.
Das ist Ihr Gedeck, sagt das Mädchen, als Wolfgang gedankenlos auf die Papierserviette vor sich starrt. Heute mittag essen Sie hier.
Wolfgang macht eine gedankenlose, aber abwehrende Bewegung. Irgend etwas fängt an, ihn zu stören. Es ist ein Haus gar nicht weit ab von Zeckes Palazzo, doch sehr weit entfernt. Aber sie