Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада

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oder gereizt. Rittmeister von Prackwitz, flammend vor Wut, hatte zwanzig Menschen fragen, Dutzende von Gängen laufen, endlose Treppen hinauf- und wieder hinuntersteigen müssen, bis er nun endlich, eine halbe Stunde später, in einem großen, unsauberen, riechenden Amtszimmer saß. Drüben, kaum ein paar Meter entfernt, rasselte die Stadtbahn vor dem Fenster, man hörte es mehr, als daß man es durch die grau verstaubten Scheiben sah.

      Von Prackwitz war nicht allein mit dem Beamten. An einem Nebentisch wurde von einem andern Beamten in Zivil ein bleichgesichtiger, großnasiger Bengel wegen irgendeines Taschendiebstahls gefragt. An einem andern Tisch, im Hintergrund, steckten vier Männer die Köpfe zusammen und murmelten pausenlos miteinander. Es war nicht auszumachen, ob auch darunter ›Verbrecher‹ waren, denn alle waren in Hemdsärmeln.

      Der Rittmeister hatte seinen Bericht gemacht, zuerst kurz, präzis, unter Zurückdrängung seines Ärgers, dann recht lebhaft und fast laut, als die Wut über seinen Hereinfall ihn doch wieder überwältigt hatte. Der Beamte, ein blasser, abgespannt aussehender Zivilist, hatte mit gesenkten Augen, ohne eine Zwischenfrage zugehört. Oder auch nicht zugehört, jedenfalls war er die ganze Zeit eifrig bemüht gewesen, drei Streichhölzer so aneinander zu stellen, daß sie nicht umfielen.

      Nun, da der Rittmeister fertig war, sah der Mann hoch. Farblose Augen, farbloses Gesicht, kurzer Schnurrbart, alles ein bißchen traurig, fast verstaubt, aber nicht unsympathisch.

      Und was sollen wir dabei tun? fragte er.

      Dem Rittmeister gab es einen Stoß. Die Kerle fassen! rief er.

      Weswegen?

      Weil er seinen Vertrag nicht eingehalten hat.

      Aber Sie hatten ja keinen Vertrag mit ihm geschlossen, nicht wahr?

      Doch! Mündlich!

      Das wird er leugnen. Haben Sie Zeugen? Der Herr aus der Vermittlungsstelle wird Ihre Behauptungen kaum bestätigen, nicht wahr?

      Nein. Aber der Kerl, der Vorschnitter hat mich um dreißig Dollar betrogen!

      Das höre ich lieber nicht, sagte der Beamte leise.

      Wie –?!

      Haben Sie eine Bankbescheinigung über den rechtmäßigen Erwerb der Devisen? Durften Sie sie kaufen? Durften Sie sie weitergeben?

      Der Rittmeister saß da, ziemlich weiß, kaute an den Lippen. Dies war also die Hilfe, die ihm der Staat angedeihen ließ! Er war betrogen worden – und ihn bedrohte man! Alle hatten sie Devisen statt des Dreckgeldes – er hätte wetten mögen, der graue Mann da vor ihm trug auch welche in seiner Tasche!

      Lassen Sie den Mann laufen, Herr von Prackwitz, sagte der Beamte begütigend. Was ist Ihnen denn damit gedient, daß wir den Mann kriegen und einstecken? Das Geld ist dann längst nicht mehr da und Leute kriegen Sie dadurch auch nicht! Fälle über Fälle, Tag für Tag, Stunde um Stunde. Ein Fahndungsblatt täglich sooo lang – es hat keinen Sinn, glauben Sie mir! Plötzlich aber ganz dienstlich: Natürlich, wenn Sie es wünschen, da ist die Sache mit dem Fahrgeld … Sie stellen Strafantrag – ich lege dann einen Akt an …

      Von Prackwitz zuckte die Achseln, er sagte schließlich: Und ich habe meine Ernte draußen stehen. Verstehen Sie, Brot über Brot! Ausreichend Brot für Hunderte! Ich habe ihm die Devisen ja nicht zu meinem Vergnügen gegeben, einfach, weil keine Leute zu kriegen sind …

      Ja, natürlich, sagte der andere. Ich verstehe schon. Also lassen wir die Sache fallen. Um den Schlesischen Bahnhof herum gibt es genug Vermittler – sicher kriegen Sie Leute. Und nichts im voraus zahlen. Auch dem Vermittler nicht.

      Schön, sagte der Rittmeister. Ich will’s also noch mal versuchen.

      Am Nebentisch, der großnasige Dieb weinte jetzt. Er sah abstoßend aus, er weinte bestimmt nur, weil er keine Lügen mehr wußte.

      Also, danke schön, sagte von Prackwitz, fast gegen seinen Willen. Und plötzlich halblaut zu dem andern, fast kameradschaftlich, wie zu einem Leidensgefährten: Finden Sie noch durch – hier – so mit allem? Er machte eine vage Handbewegung.

      Der andere hob die Achseln und ließ sie hoffnungslos wieder fallen. Er setzte an, zögerte, schließlich sagte er: Seit Mittag steht der Dollar 760 Tausend. Was sollen die Leute da machen? Hunger tut weh.

      Der Rittmeister ließ ebenfalls hoffnungslos die Achseln fallen und ging wortlos zur Tür.

      In einer oder der andern Stunde seines Lebens läßt auch der tätige Mensch, an einer Daseinswende angelangt, vom Gefühl seiner Ohnmacht überwältigt, die Hände sinken. Wehrlos, ohne den Gedanken auch nur an Gegenwehr, läßt er sich treiben und schieben – nicht einmal den Nacken zieht er ein vor dem Schlag, der ihm droht. Treibe hin, Mensch, Blatt auf dem Strome des Lebens! Auf eiligen Wellen trägt es dich unter einer Uferböschung stilleres Wasser; aber schon faßt dich ein neuer Wirbel, und dir bleibt nichts, als dich wirbeln zu lassen, zu Untergang oder neuem Verweilen – weißt du es?

      Petra Ledig, die halbnackt Ausgetriebene, hätte mit ein paar Worten den Sturm der beiden Frauen in der Küche beschworen – es war alles gar nicht so schlimm, hätte sie nur gesprochen. Worte verändern alles, sie schleifen die scharfen Ränder ab – schon ist alles ganz anders; wie war es eben? Nur nicht dieses starre Schweigen, das Hochmut wie Verzweiflung, Hunger wie Verachtung verbergen konnte.

      Nichts zwang Petra Ledig, an der offenen Tür ihres Zimmers vorüberzugehen. Eintreten und den Schlüssel umdrehen, sie konnte es, doch sie tat es nicht. Die Lebenswoge hob das Blatt, hob es, hob es. Zu lange schon hatte es in dem stillen Uferwasserwinkel gelegen, nur manchmal leise zitternd unter den letzten Ausläufern von Wirbeln. Nun schwemmte die Woge das Willenlose hinaus, in die völlige Ungewißheit hinein – auf die Straße hinaus.

      Es war Nachmittag, vielleicht drei, vielleicht schon halb vier – die Arbeiter waren noch nicht zurück aus den Fabriken, die Frauen gingen noch nicht zu ihren Besorgungen. Hinter den Ladenfenstern, auch in den dunklen, muffig riechenden Hinterstuben der Läden saßen die Ladenbesitzer, nickten und dösten. Kein Kunde in Sicht. Es war so heiß –!

      Eine Katze lag blinzelnd auf einem Treppenstein; von gegenüber, von der andern Straßenseite her, spähte ein Hund. Aber dann lohnte es sich ihm nicht, er öffnete weit den sanft rosenfarbenen Rachen und gähnte.

      Die Sonne, deren Licht wohl noch blendete, war nur hinter Dunst zu sehen wie ein rötlich über seine Ränder kochender Glutball. Was es auch sein mochte, Hauswände oder Baumrinde, Schaufensterscheibe oder Pflaster, Wäschestück auf dem Balkongitter oder Uringerinnsel eines Pferdes auf dem Fahrdamm – alles atmete, ächzte, schwitzte, roch. Heiß. Glutheiß. Dem stille stehenden Mädchen war es, als höre es ein Summen durch die Stadt, ein leises, eintöniges, immer vor sich hin summendes Geräusch – als koche die ganze Stadt.

      Petra Ledig wartete, mit den Augen müde gegen das Licht blinzelnd, wartete auf irgendeinen Anstoß, der das Blatt weitertreiben sollte, gleichviel wohin, irgendwohin. Die Stadt summte vor Hitze. Eine Weile starrte sie angestrengt zu dem Hund hinüber, als könne von ihm irgendein Anstoß ausgehen. Der Hund starrte zurück – dann ließ er sich hinfallen, streckte, vor Hitze ächzend, alle viere von sich und schlief ein. Petra Ledig stand, stand; nein, sie zog nicht den Nacken ein, auch ein Schlag wäre jetzt Erlösung gewesen – aber nichts geschah. Die Stadt summte vor Hitze. –

      Und wie sie wartend auf irgend etwas

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